Manchmal machen wir conservativen Katholiken es uns zu einfach, wenn wir etwa meinen, daß vor dem 2.Vaticanum die Theologie problemlos in Ordnung gewesen wäre und dann wäre ganz plötzlich der große Abfall gekommen, sodaß die vorkonziliare traditionelle Lehre unter die Räder kam. So bräuchte es nur einer Repristination der traditionellen Lehre. Nur frägt es sich, ob nicht die vorkonziliare Theologie auch in sich Schwächen barg, die es erst ermöglichte, sie dann im ersten Ansturm aus den Angeln zu heben.
P. A. Hirsch versucht nun in seinem Aufsatz: "Wie ist Gott- Gedanken zu den Eigenschaften Gottes" (Der Fels 47.Jahr April 2016, S.102f) eine Wiederauferweckung der traditionellen Gotteslehre und reproduziert dabei auch ihre Schwächen und Anfälligkeiten.
"Die Allmacht Gottes ist eine Fähigkeit, alles zu machen, was er will, insofern es seinem Wesen nicht widerspricht." (S.102). Warum soll Gott nicht als Allmächtiger das auch wollen können, was er dann nicht gewollt hat? Er konnte Himmel und Erde schaffen, er hätte sie aber auch nicht schaffen können. So hätte er auch etwas tun können, was er dann nicht gewollt hat. Es ist nicht einsehbar, warum Gott hier nicht als Freiheit zu denken ist, der es wesentlich ist, etwas wollen zu können, was sie dann aber nicht wollen wollte und daß er als Allmächtiger mehr realisieren kann, als er dann realisieren will. Dem Menschen ist es als endliche Freiheit schon wesentlich, etwas realisieren zu können, was er dann aber nicht realisieren will. Hinter diesem scheinbar Nebensächlichem verbirgt sich ein gewichtiges Problem jeder Moralphilosophie: Nur wenn vom Menschen ausgesagt werden kann, daß er das, was er realisieren wollte und realisiert hat auch hätte nicht wollen und nicht realisieren können, ist er für sein Tun und Unterlassen moralisch verantwortlich im Guten als Verdienst und im Bösen als Sünde. Wenn dagegen von einem Subjekt ausgesagt werden müßte, daß es notwendig immer nur das Gute oder das Böse wollte und realisierte, wäre es weder für das Gute noch das Böse verantwortlich. Es gliche einer Maschine, die intakt notwendig immer gut funktioniert oder defekt notwendig schlecht oder gar nicht mehr funktioniert.
Die Allmacht Gottes darf also um der Freiheit und der moralischen Qualifizierbarkeit willen nicht auf das limitiert werden, was Gott will, daß er nur könne, was er auch wolle. Er kann auch das als Allmächtiger, was er dann nicht will.
"insofern es seinem Wesen nicht widerspricht", reduziert nun auch aufs gröbste Gottes Freiheit, indem es das Wesen Gottes als etwas von Gottes Wollen und Erkennen Vorausgestztes sich vorstellt. So ist es in allen von Gott geschaffenen Wesen, daß sie ihr Wesen als etwas Geschaffenes als die Voraussetzung ihres Seins vorfinden. Dem Menschen ist als ein Geschöpf Gottes sein Wesen die Vorgabe seines individuellen Lebens, zu der er sich dann aber kontingent verhalten kann, indem er gemäß oder wider sein Wesen sein Leben gestalten kann. Der Mensch ist nicht durch sein ihm vorgegebenes Wesen determiniert. Das ist seine kreatürliche Freiheit, die ihm von Gott gegeben ist. Gott nun dagegen soll nach dieser traditionellen Gotteslehre durch sein Wesen determiniert sein, sodaß er nicht mehr kontingent sich zu sich selbst verhalten kann. Damit wird die Freiheit zum Privileg des von Gott geschaffenen Menschen, während Gott als unfrei zu stehen kommt! Durch sein Wesen ist er determiniert. Zudem: Weil der Mensch ein Geschöpf ist, ist ihm sein Wesen durch den Schöpfer vorgegeben- wer hat aber Gott sein Wesen vorgegeben, sodaß er es als Voraussetzung seines Lebens vorfindet? Es kann darauf nur eine Antwort geben: Weil Gott der Schöpfer ist und weil er kein Geschöpf ist, kann er sein Wesen sich selbst nur gegeben haben. Er ist als causa sui zu denken. Nur bei Geschöpfen ist es so, daß sie ihr Wesen als etwas ihnen Vorausgesetztes haben, in Gott selbst kann es aber nichts Vorausgesetztes geben, wenn es nicht als durch Gott selbst Gesetztes begriffen wird. Modern ausgedrückt: Gott ist als reine Selbstbestimmung zu denken, sodaß er sein Wesen selbst setzte, indem er sich dazu bestimmte, so und nicht so zu sein. Am tiefsinnigsten hat dies Ockham durchdacht in seiner Gotteslehre, nur hat er sich bedauerlicherweise nicht in der Gotteslehre durchgesetzt. Und es muß festgehalten werden, daß Gott nicht durch sein durch ihn selbst gesetztes Wesen determiniert wird, gerade weil er es selbst aus seiner Freiheit heraus gesetzt hat. Dieser Setzungsakt muß nun als reine Dezision gedacht werden, denn die Ordnung des Wahren und Guten und Schönen existiert ja selbst erst dadurch, daß sie von Gott gesetzt wurden, sodaß diese Ordnungen nicht bestimmende Kriterien seiner Selbstbestimung sein können,weil sie ja nur von Gott selbst durch seinen Selbstbestimmungsakt gesetzte Ordnungen sind. Es gibt kein Wahres, Gutes und Schönes unabhängig von Gottes Entscheid, das als gut, wahr und schön zu setzen.
Was soll nun aber nach P. Hirsch Gott alles nicht können? Und hier zeigt sich eben der Wille, Gott so weit wie möglich zu domestizieren, aus ihm einen von uns berechenbaren Gott zu machen. Gott könne nicht "Geschehenes ungeschehen" machen. (S.102). Warum nicht, frägt man sich als mitdenkender Leser eingedenk des immer wieder intensivst diskutierten Problemes der Zeitparadoxien: Gesetz den Fall, ich reiste in die Vergangenheit (unter der Annahme, Zeitreisen sind möglich) und ich tötete meinen Vater, bevor er mich zeugte, dann wäre der Grund meiner Existenz genichtet, ich wäre nie geboren worden und hätte so nie in die Vergangenheit reisen können, um diese Tat zu vollbringen und so wäre sie nie geschehen und dann existierte ich doch und könnte sie begehen.Ein wirklich anspruchsvolles Thema, das so leidenschaftlich im Umfeld von Science Fictionromanen debatiert wird und auch ein Thema dieser Romane ist.
Warum sollte das Gott unmöglich sein, diese Frage steht nun noch im Raume. Nehmen wir zur Veranschaulichung ein einfaches Beispiel: Eine Schachpartie, in der Weiß den ersten Zug setzt. 20 verschiedene Möglichkeiten gibt es für Weiß, 16 mit einem Bauernzug das Spiel zu eröffnen und 4 mit den beiden Springern. Mehr gibt es nicht. Stellen wir uns jetzt 20 Schachbretter vor, übereinander, in der auf je einem genau eine der 20 Möglichkeiten realisiert wird, sodaß alle 20 Schachbretter alle 20 möglichen Eröffnungen zeigen. Indem nun eine der 20 Möglichkeiten realisiert werden, entsteht ein reales Schachspiel mit dieser einen realisierten Möglichkeit und die 19 anderen bleiben bloß mögliche Schachspiele. Wenn nun der allmächtige Gott den gezogenen Zug, den geschehenen ungeschehen werden ließ und stattdessen einen anderen realisierte, dann würde das vorherige reale Schachspiel zu einem nur möglichen sich wandeln und einer der vorher nur möglichen Schachspiele würde jetzt das reale Schachspiel werden. Denn die Realität ist ja nur eine Verwirklichung von vielen Möglichkeiten. Geschehenes ungeschehen zu machen, heißt für Gott so nur, statt einer realisierten Möglichkeit eine bisher nicht realisierte Möglichkeit zur Realität werden lassen und gleichzeitig damit etwas Realisiertes zur bloßen Möglichkeit umzuwandeln.
Man denke sich eine Realität als wirkliche Welt und unendlich viele mögliche Welten und daß Gottes Allmacht es möglich ist, die Realität gegen eine bisher nicht realisierte nur mögliche Welt umzutauschen.
Aber worum geht es im Versuch der Domestikation Gottes? "Damit ist ausgeschlossen, dass Gott [...]sündigt, etwas gegen sein Wesen oder seine Eigenschaften vollbringt oder seine Ratschlüsse und Werke rückgängig macht." (S.102) Damit Gott all das nicht mehr kann, soll er so domestiziert werden. Nur, so ist der von Theologen erdachte Gott- wer sagt uns, daß Gott sich an unsere menschlich allzumenschlich verständlichen Besimmungen hält? Es wird so Gottes Freiheit verleugnet, damit er uns Menschen zum verläßlichen Partner wird, der so sich uns gegenüber verhält, wie wir es uns wünschen. Der Projektionscharakter ist eindeutig. Diese Gotteslehre verlangt, daß Gott sich nach uns richtet. So wie in einer konstitutionellen Monarchie nicht mehr der Monarch regiert sondern die Verfassung, die Konstitution, die über dem Monarchen seht, so wird hier das Wesen Gottes Gott zum Gefängnis, daß er nur noch in den engen Grenzen dieses seines Wesens agieren kann. Wenn es für den religiösen Menschen göttliche Gnade ist, wenn Gott seine Ratschlüsse und Werke nicht rückgängig macht (Gott reute es, die Welt geschaffen zu haben aber angesichts des Noahofers verzichtet er darauf, sie nochmals durch eine Sintflut zu verderben), dann wird daraus für diese Gotteslehre das Selbstverständlichste: Gott kann gar nicht anders, er muß es so tuen! Gott wird naturalisiert, indem er zum Gefangenen seines Wesens herabgestuft wird! Jede Religion lebt aber aus dem Wissen, daß Gott auch anders kann, als er jetzt will, daß der Erwählte von heute morgen ein Verworfener sein kann und daß es Gnade ist, wenn er die, die er erwählte, auch als Erwählte bewahrt und nicht daß das Gott notwendig so tuen muß ob seiner Natur!
So eigentümlich es klingen mag, aber schon in diesem domestizierten Gottesverständnis ist eine Spur von Nietzsches: Wir haben Gott getötet! enthalten, indem Gott seiner Freiheit und Lebendigkeit beraubt wird und er nur noch ein Gefangener seines (toten) Wesens wird. Denn ein vollkommen determiniertes Subjekt ist ein totes Subjekt!
Ein besonderes Problem bleibt dann noch:Ist Gott gut? Selbstverständlich urteilt die traditionelle Gotteslehre. Aber die notwendige Voraussetzung für das Gutwollen und Guttuen ist nun mal die Fähigkeit, auch nicht gut wollen zu können. Ein Subjekt, daß notwendig immer nur das Gute wollen kann, ist eines, das nichts gut wollen kann. Der Münchner Fundamentaltheologe A. Kreiner bringt es prägnant auf den Punkt in der Erkentnis, daß die traditionelle Lehre von der ontologischen Vollkommenheit Gottes, daß er durch sein Wesen determiniert immer nur das Gute wollen kann, es vollkommen verunmöglicht, von Gott ein Moralischsein auszusagen. Einfacher gesagt: Ein perfekt programierter Roboter, der ob seiner Programierung nie etwas Unerlaubtes tuen könnte, ist kein moralisch handeln könnendes Subjekt sondern nur eine perfekt, eben gut funktionierende Maschine. Zum Subjekt im moralischen Sinne würde der Roboter erst werden, wenn er Gutes und Nichtgutes tuen und sich dann freiwilllig für das Gute entscheiden könnte! Der traditionell gedachte Gott gleicht so gesehen eigentlich mehr einer perfekt programierten Maschine, denn einem Wesen, daß man Freiheit und Moralität zuschreiben könnte. Und Maschinen sind eben tote Gebilde! Und so trägt der Gott der traditionellen Lehre schon in sich Züge seines Todseins!
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