Montag, 2. Mai 2016

Die Lehre und der Einzelfall noch mal zur Kommunion Geschieden Wiederverheirateter und Ein Nachtrag

Seit der Veröffentlichung von AL gibt es nun ein reales Problem: Der Kommunionempfang von Geschieden- Wiederverheirateten, der bisher nicht erlaubt war, es sei denn die zweite Ehe würde ohne ehelichen Verkehr vollzogen, wird nun unter besonderen Conditionen als Einzelfallerlaubnis möglich. Es bedarf keinerlei prophetischer Begabung, um vorauszusagen, daß im deutschsprachigen Raum diese Sonderfallregelung zum Regelfall wird: In Deutschland werden jetzt alle Geschieden- Wiederverheirateten die Kommunion empfangen dürfen. Man kann in dieser Causa nun nicht urteilen, daß der Papst das nicht gewollt habe. In den Hauptsätzen rekapitiuliert der päpstliche Text die Lehre der Kirche, aber nur, um in Fußnoten und Nebensätzen Risse einzufügen, die dann die Tore weit öffnen für eine liberale Praxis des: Jeder bekommt, was er will. Und das gilt auch für den Gesamttext: Die Conservativen bekommen die Lehre der Kirche zu lesen und die Progressiven die Fußnoten, die klar machen, daß hier das Radio-Eriwan Prinzip angewandt wird: Im Prinzip ist es nicht erlaubt, aber in allen Einzelfällen dann doch!
Erinnern wir uns einer vergleichbaren Causa: Die Moralehre der Kirche verbietet den Gebrauch von künstlichen Verhütungsmitteln, aber seit der Königsteiner Erklärung der Deutschen Bischofskonferenz dürfen Deutsche Katholiken Verhütungsmittel benutzen! Denn die Bischöfe erklärten, daß in dieser Causa der Christ, wenn sein Gewissen ihm einen Gebrauch erlaubt, er seinem Gewissen mehr zu gehorchen hat als der Morallehre der Kirche. Es klingt verrückt, aber da die Königsteiner Erklärung von Rom nie außer Kraft gesetzt worden ist, gibt es für Deutschland und so ähnlich auch für Österreich einen bischöflichen Dispenz bezüglich dieser Morallehre! Nun müßte aber gefragt werden, ob denn es gewiß sei, daß Gott diesen  Dispenz auch anerkennen werde. 
Erleben wir nun eine Globalisierung der bischöflichen  Königsteiner Erklärung, daß nun im Einzelfall die Geschieden-Wiederverheirateten, wenn es ihre Gewissen  zuließen, sie zur Kommunion gehen dürften?  Professor Spaemann urteilt, daß diese Praxis der Zulassung mit der Lehre der Kirche unvereinbar sei. (vgl Kath net und Kath info dazu). Wir haben nun aber ein päpstliches Dokument, daß das nun für vereinbar  erklärt. 
Spaemann stellte im CNA-Interview fest, daß Amoris laetitia „Folgerungen zulässt, die mit der Lehre der Kirche nicht kompatibel gemacht werden können“. Der Artikel 305 mit der Anmerkung 351, wonach Gläubige „mitten in einer objektiven Situation der Sünde“, dennoch „auf Grund mildernder Faktoren“ zu den Sakramenten zugelassen werden können, „widerspricht direkt dem Artikel 84 des Schreibens Familiaris Consortio von Johannes Paul II.“, so Spaemann.   (Kath info vom 28.4. 2016 Spaemann zu AL) Die Zulassung zu den Sakramenten inkludiert auch das Altarsakrament.. So bildet gerade diese Aussage das Einstiegstor für eine liberale Praxis. Aber, auch wenn man -sehr gut begründet- Vorbehalte gegen diesen Papst hegt, muß gefragt werden, ob das päpstliche Schreiben nicht doch in der Sache Recht haben könnte.  Im Artikel 84 heißt es eindeutig :
"Die Kirche bekräftigt jedoch ihre auf die Heilige Schrift gestützte Praxis, wiederverheiratete Geschiedene nicht zum eucharistischen Mahl zuzulassen. Sie können nicht zugelassen werden; denn ihr Lebensstand und ihre Lebensverhältnisse stehen in objektivem Widerspruch zu jenem Bund der Liebe zwischen Christus und der Kirche, den die Eucharistie sichtbar und gegenwärtig macht. Darüber hinaus gibt es noch einen besonderen Grund pastoraler Natur: Ließe man solche Menschen zur Eucharistie zu, bewirkte dies bei den Gläubigen hinsichtlich der Lehre der Kirche über die Unauflöslichkeit der Ehe Irrtum und Verwirrung."
Gibt es irgendeine Möglichkeit, diese Aussage von Familiaris Consortion kompatibel zu gestalten mit der von AL?
Nehmen wir ein ganz simples Problem: Ein Höchstgeschwindigkeitsbeschränkungsschild, daß anzeigt, daß hier auf der Straße nicht schneller als 70 km pro Stunde gefahren werden darf. Jetzt kommt ein Sanka mit einem Schwerstverletzten auf dem Wege ins nächst gelegende Spital. Muß der Sankafahrer jetzt diese Verkehrsregel einhalten, sodaß er zwar sich bemühen darf, so schnell wie möglich den Verletzten zur Notaufnahme zu bringen, aber darf er dabei nicht die Straßenverkehrsordnung im Allgemeinen und dies Beschränkungsschild im Besonderen mißachten?  
Die Antwort ist eindeutig: Der Sanka darf die Verkehrsregeln, die auch für ihn gelten, übertreten, wenn die Lage des Schwerverletzen das erfordert, wenn also zu befürchten ist, daß durch das Einhalten der allgemeinen Verkehrsordnung ein Schaden entsteht, der nicht entstehen würde, würde diese Ordnung übertreten und wenn der zu erwartende Schaden größer ist als der erwartete Schaden, wenn diese Ordnung übertreten wird! Gravierender ist dabei noch, daß der Zweck der Straßenverkehrsordnung negativ formuliert in dem Ziel der Vermeidung von Personen- und Sachschäden, bedingt durch den Straßenverkehr  besteht und positiv formuliert in dem Ziel des Lebensschutzes steht. Diesem Ziel dient auch das konkrete Einzelverbot, hier nicht schneller als 70 fahren zu dürfen. Wenn nun die Einhaltung dieser Vorschrift das Ziel des Lebenserhaltes gefährden würde, würde das Einzelverbot seines Zweckes beraubt, selbst lebensdienlich zu sein.
Sollte Papst Franziskus also der Meinung sein, daß das Verbot des Kommunionempfanges für Geschieden-Wiederverheiratete ähnlich begründet aufhebbar sein könnte, wie auch in bestimmten Fällen das Verbot, unbegrenzt schnell fahren zu dürfen, übertretbar sein kann?
 Die Katholische Kirche spendet erlaubt die Sakramente nur katholisch Gläubigen ( Can 844), aber in Todesgefahr darf auch einem evangelischen Christen das Sakrament der Eucharistie gespendet werden, wenn er den katholischen Glauben bekennt und in rechter Weise disponiert ist (Can 844, §4). Soll man nun meinen, daß die "mildernden Gründe" eine ähnliche Bedeutung haben sollen wie im Falle des Empfanges von evangelischen Christen die Todesgefahr?
Der päpstliche Text ist in dieser Frage tatsächlich völlig unklar. Das und gerade das macht wohl auch seine Beliebtheit in liberalen Kreisen aus. Man kann nun Geschieden- Wiederverheiratete zur Kommunion zulassen und braucht dazu auch keine klare Kriterien der Einzelfallentscheidung zu berücksichtigen, weil es die für diesen Fall nicht gibt!
Worauf könnten sich dann die mildernden Gründe beziehen?  Es könnte eine Differenz aufgemacht werden zwischen der objektiven Situation der Sünde, daß sie als Geschieden-Wiederverheiratet objektiv sündig leben, und der subjektiven Zurechenbarkeit der Sünde, sodaß jemandem subjektiv so wenig  die objektive Sünde zuschreibbar ist, daß er zum Empfang der Kommunion zulaßbar sein kann. Ein einfaches Beispiel: Ein Mann erschießt seine Ehefrau, aber er war so volltrunken, daß er nicht für die Tat verantwortlich gemacht werden kann. Dieser Mörder müßte dann zur Eucharistie zugelassen werden, obwohl er objektiv ein Mörder ist. Könnte es also mildernde Umstände geben, die das Führen einer zweiten Ehe, obgleich die erste noch gültig besteht, nicht zu einer zurechenbaren Sünde macht? Präziser formuliert: Die mildernden Umstände müßten dem Geschiedenen Wiederverheirateten seine schwere Sünde der "Zweitehe" subjektiv zu einer läßlichen Sünde herabmildern. Sie bliebe objektiv eine schwere, wäre aber dem Täter nur  als läßliche anrechenbar! Aber auch hier kommt man an diesem Punkte nicht weiter.
Es darf aber gemutmaßt werden, daß in der pastoralen Praxis das so gehandhabt werden wird: Weil sie sich wirklich lieben und sie ihre gemeinsamen Kinder erziehen, ist ihnen diese Zweitehe nicht als so schwere Sünde zuschreibbar, daß das einen Ausschluß von der Kommunion erlaube! Die in der "Zweitehe" gelebte Liebe "heiligt" nun zwar gerade nicht diese irreguläre Partnerschaft, entsühnt sie aber soweit, daß diese "Zweitehe"eine Nichterlaubung zur Kommunion zulasse. Meint das AL, oder schließt AL diese Praxis aus? Auch darauf gibt der Text keine Antwort!
So stehen wir nun vor dem enttäuschenden Zwischenegebnis, daß es wohl die Intention des Papstes ist, Ausnahmen zu billigen, in denen Geschieden- Wiederverheiratete zur Kommunion zugelassen werden dürfen, aber das Wie und Warum bleibt völlig im Unklaren. Es muß aber auch gegn Spaemann angemerkt werden, daß die Kirche immer in der Sakramentenlehre Bestimmungen kannte, daß bestimmten Personengruppen  der Empfang von Sakramenten erlaubt wurde, die sie im Regelfall nicht empfangen dürfen, etwa daß Evangelische nicht zur Kommunion zulaßbar sind, aber unter besonderen Conditionen dann doch. (Can 844). Das Katastrophale ist nun aber hier, daß die Ausnahmebedigungen nicht genannt und erklärt werden, sodaß hier ein weiter Raum der Willkür eröffnet ist!
Prinzipiell zeigt dies Dokument eine der vielen Schwächen dieses Pontifikates auf: Es ist die Lust an Mehreutig- Unklarem, daß eben alles diffus gehalten wird, sodaß jeder sich sein Rosinenstück herauslesen kann.

Nachtrag
"Brandmüller: Ja, einige Deutungen gehen in der Tat fehl. In Einzelfällen Ausnahmen zuzulassen, ist eine Sackgasse. Das habe ich in meiner Interpretationshilfe deutlich gemacht. Was aus Glaubensgründen grundsätzlich unmöglich ist, ist es auch im Einzelfall. Das galt vor Erscheinen von «Amoris laetitia» ebenso wie nachher.", (Kath net vom 2.5. 2016) Was im Grundsätzlichen nicht möglich ist, kann es auch im Einzelfall nicht sin, urteilt Brandmüller. Aber genau das scheint doch die Pointe dieses Schreibens zu sein, daß nun im Einzelfall das möglich sein soll, was generell nicht möglich ist. Wenn es generell eine Sünde ist, einen Unschuldigen zu töten, was tut dann der Soldat im Kriegsfall, wenn er einen feindlichen Soldaten tötet? Tatsächlich kann etwas generell Unelaubtes in einem besonderen Falle erlaubt sein. Und diese Wahrheit will nun dies Schreiben sich zu nutze machen.   
          

1 Kommentar:

  1. Scheint dass das schwarz/weiss-Denken zu Ende ist. Es war auch niemals allzu nah an der Wirklichkeit dran, dieses binäre Denkmuster.

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