Montag, 16. März 2015

Über einen Versuch, die Unauflöslichkeit der Ehe zu ergründen

Es wird noch geheiratet in deutschen Landen, standesamtlich und auch kirchlich-aber ein Mißton klingt da mit. Es versprechen sich Mann und Frau die eheliche Treue, bis daß der Tod die Ehe scheide, aber mit einem manchmal vorher untereinander ausgesprochenen , manchmal auch nur im Geheimen gesetzten Vorbehalt: es sei denn, daß die Ehe total scheitert und man sich dann scheidet.
Wie kann die Unauflöslichkeit der Ehe angesichts dieser Tendenz, daß man eine Ehe auflösen könne wie einen Arbeits-oder Mitvertrag, begründet werden? Und aktueller: welche Argumente gibt es gegen die zumindest subkutane Tendenz, angesichts der Problematik von "Geschieden-Wiederverheirateten" nun doch die Unauflösbarkeit der Ehe zur Disposition zu stellen? 
Professor Kampowski versucht eine Antwort, in Una Voce, 1/2015, S.10-34 unter dem Titel: "Was ist und was bewirkt ein Versprechen? Zum "ontologischen" Status des Ehebandes". Eines fällt sofort auf: die Unauflösbarkeit der Ehe soll aus der Besonderheit des Eheversprechens abgeleitet werden und dazu wird zuerst das Wesen des Versprechens bestimmt, nach einer kritischen Würdigung von Hume, Hobbes, Kant und Nietzsche in den Denkbahnen personalistischer Philosophie. Robert Spaemann und Gabriel Marcel werden dazu besonders gewürdigt. Nur das Problem! Nach Katholischer Lehre ist nur die sakramentale Ehe unauflöslich: Can 1141 heißt es dazu: "Die gültige und vollzogene Ehe zwischen Getauften kann durch keine menschliche Gewalt und aus keinem Grunde, außer durch Tod, aufgelöst werden." Dagegen kann eine von zwei Ungetauften geschlossene Ehe (Can 1142) gelöst werden. Das nennt man das paulinische Privileg. Gemeint ist damit der Fall, daß einer der Eheleute Christ wurde, getauft wurde, und wenn es ihm der Ehepartner nicht möglich macht, den Glauben zu leben, daß dann die Ehe um des Glaubens willen gelöst werden kann. Auch Ungetaufte geben sich das Eheversprechen, aber das ist nach dem Kirchenrecht der Kirche ein unter bestimmten Bedingungen auflösbares Eheversprechen.Also schafft das Eheversprechen nicht schon die Unauflöslichkeit, sondern erst die Sakramentalität der Ehe! Aber das vergaß Kampowski in diesem Beitrag. Trotz dieses offenkundigen Grundlagenirrtumes sollen nun doch die Ausführungen hier kurz gewürdigt werden. 
Warum muß überhaupt ein Versprechen gehalten werden? Früge man das einen Wahlkampfredner, würde er, wäre er ehrlich, respondieren: ob ich ein Wahlkampfversprechen halten werde, das ist für mich eine Ermessensfrage nach der gewonnenen  Wahl, vorher verspreche ich selbstverständlich die Einhaltung! Aber die konsultierten Philosophen kannten eben noch keine demokratischen Wahlversprechen, Bismarck wohl auch nicht: nie wird so viel gelogen, wie vor der Wahl, im Kriege und nach der Jagd, und halten-kontrafaktisch an dem Zuhalten von Versprechen fest! Aber wieso? Der referierte Standpunkt Humes überzeugt ad hoc ob seiner schlichten Nützlichkeitserwägung. Ich verspreche dir, dir in einer Angelegenheit zu helfen und du versprichst mir, daß du mir dann in einer anderen Angelegenheit hilfst. Hielte der Versprecher sein Versprechen nicht, müßte er davon ausgehen, daß dann niemand ihm mehr traute, ein Versprechen einzuhalten und das würde dem Untreuen zum Nachteil gereichen. Typisch für diesen Moralansatz ist eben sein Fundament des vernünftig gelebten Eigennutzes. Um des Eigennutzes willen halte ich meine Versprechen. Die implizite Voraussetzung dieses einsichtigen Konzeptes ist eine zumindest dreigliedrige Kommunikationsbeziehung, in der einer dem anderen verspricht, hilfst du mir, dann helfe ich dir und daß er das einhält, das dann helfe ich dir, damit der andere dann auch ihm wieder hilft. Wäre der Versprecher nur auf eine einmalige Hilfe angewiesen, ohne ein Interesse an einer Wiederholung, könnte er rein eigennützig auf das Verhalten des Versprochenen verzichten. Sagte jemand, helfe mir beim Renovieren und dann helfe ich dir auch beim Hausbau, dann kann der das so verspricht, sein Versprechen brechen, wenn er sicher ist, fernerhin nicht auf eine Hilfe dessen angewiesen zu sein, dem er die Hilfe versprach, damit er ihm jetzt hilft. Ohne daß diese Schwäche dieses Ansatzes so reflektiert wird, wird dann Hobbes als Ergänzung und auch als Korrektur dieses Ansatzes diskutiert, der feststellt: "Verträge ohne das Schwert[damit ist der Staat gemeint] sind bloße Worte und besitzen nicht die Kraft, einem Menschen auch nur die geringste Sicherheit zu bieten." Das ist wahr. Wenn ich verspreche, sende mir diese Ware, und ich verspreche, sie zu bezahlen, kann ich, wenn ich die Ware besitze, die Bezahlung verweigern und welche Möglichkeit hat dann noch der Warenverkäufer, seine ihm zustehende Bezahlung zu bekommen, wenn er nicht mit dem Kaufvertrag vor ein staatliches Gericht gehen kann? Hume würde nun respondieren, und so auch Kant: wenn das publik wird, daß ich georderte Waren nicht bezahle, dann wird mir niemand mehr etwas verkaufen, setzt voraus, daß ich an weiteren Ankäufen dieser Art interessiert bin und daß das überhaupt publik wird. Das macht die Unsicherheit dieser Konzeption aus!  
Nietzsche denkt hier anders: es ist eine Manifestation der Stärke meines Willens, daß ich halte, was ich verspreche. Versprechen halten, heißt, um es etwas pathetisch zu sagen, Herr im eigenen Hause zu sein. 
Kampowski sieht aber die grundlegende Schwäche dieser Konstruktion darin, daß die Person, der man etwas verspricht, und warum man es ihr verspricht, außer acht gelassen wird. Und nun wird es phantastisch und weltfremd: aus Liebe zum Anderen, mache man ihm das Versprechen und halte es dann auch aus Liebe! So lehrte das der hl. Thomas! Dies evoziert nun sofort die Anfrage: was, wenn man wem was verspricht, dem man nicht liebt? Daß der Idealmensch jeden Mitmenschen im Sinne der Nächstenliebe liebt und so dann das Versprochene auch einhält, leuchtet ein- aber da wir nun mal auf Erden Versprechen machen und nicht im Himmel, wo alle in Liebe zueinander leben, verzichten wir auf diese Idealmenschphantasie! Wenn der hl. Thomas dazu zitiert wird, daß es "für alle Menschen natürlich [sei], einander zu lieben" (S.20), so kann das selbstverständlich nur auf den prälapsarischen Menschen bezogen sein, der Mensch nach dem Fall liebt nicht mehr natürlich alle Menschen, sondern im Regelfall nur sich selbst. Das macht eben den wohltuenden Realismus des Philosophen Hobbes aus! Man denke an sein von realistischer Menschenkenntnis erfülltes Votum, daß der Mensch des Menschen Wolf ist. Dieser Realismus ist selbstredend immer mit dem idealistischen Menschenbild zu konfrontieren, denn zum Menschsein gehört nun auch und gerade die Differenz vom realen Menschen und seiner Idee, wie er in Gott ist als normative Idee-aber wenn es um das reale Leben geht, muß eben auch vom realen Menschen ausgegangen werden.   
Aber die Liebe zum Anderen, so wenig das die Grundlage von Versprechen postlapsarischer Menschen ist,so sehr soll das doch die Grundlage des Eheversprechens sein! Weil ich dich liebe, verspreche ich dir die Liebe bis zu meinem oder deinem Tode. Nun evoziert dies natürlich eine Rückfrage: und was, wenn nicht aus Liebe, sondern aus Vernunftgründen geheiratet wird? Die Vernunftehe (man denke an Fürstensöhne, die nach politischen Erwägungen  oder an Bauernsöhne, die nach agrarökonomischen Gesichtspunkten heirateten) ist nach Katholischer Ehelehre eine legitime Ehe! Soll dann nur die Liebesheirat legitim sein und ist dann nur sie unauflöslich? Wenn der Grund des Einhaltens des Versprechens die Liebe zum Anderen ist, dem man die eheliche Treue verspricht, dann stellt sich zudem aufs dringlichste die Frage, was, wenn der Eheversprecher dann den Geheirateten nicht mehr liebt? Fällt dann mit dem Grund der Liebe nicht auch die Pflicht zum Einhalten des Versprechens? Wenn ich sage: weil ich dich liebe, halte ich mein Eheversprechen dir gegenüber, was liegt dann nicht näher als zu urteilen, daß wenn ich dich nicht mehr liebe, ich dann auch das Versprechen nicht mehr halten, besonders dann, wenn der Partner mich auch nicht mehr liebt? 
Brechen wir die Besprechung hier ab! Der gute Wille ist erkennbar, aber die Durchführung scheitert kläglich! Die Unauflöslichkeit der Ehe kann nicht-wider die Lehre der Kirche -aus dem Eheversprechen, auch wenn dies aus Liebe zum zukünftigen Ehepartner gesprochen wird,abgeleitet werden, denn nur die sakramentale Ehe ist unauflöslich, nicht die zwischen zwei Ungetauften, auch wenn sie sich das Eheversprechen aus Liebe gaben. Und auch eine Ehe ohne den Grund wechselseitiger Liebe ist, wenn sie zwischen zwei Getauften geschlossen wird, unauflöslich! Zudem scheitert der Versuch, den Grund der Unauflösbarkeit der´Ehe in der Liebe zum Anderen zu sehen, notwendig daran, daß dann, wenn die Ehepartner sich nicht mehr wechselseitig lieben, es nicht einsichtig gemacht werden kann, warum sie sich dann nicht wechselseitig vom Eheversprechen dispensieren könnten. 
Und noch ein Mißton: Spaemann wird so zitiert: "Im Eheversprechen verbinden  zwei Personen ihre Schicksale miteinander auf eine der Intention des Versprechens nach unwiderruflichen Weise." (S.28f, Fußnote 69) Die Philosophie des Personalismus unter Berücksichtigung, daß "lieben" nun núr noch bedeuten soll: einander Gutes wünschen (S.26)führt -unbeabsichtigt-dazu, daß dann auch eine Homosexehe legitim wäre, beruhte sie auf dem Versprechen von Person zu Person, sich wechselseitig Gutes zu wünschen, bis daß der Tod diese personale Schicksalsgemeinschaft des wechselseitigen sich gut Tuens  beenden würde! Grundlegender ist der Verdacht, daß im Vorstellungsraum personalistischen Denkens es wohl nicht möglich ist, Institutionen gerecht zu werden, wie die Ordnung der Ehe und des Staates, weil diese transindividuellen Charakter haben und nicht aus dem Personsein deduzierbar sind, so wie es auch keine Privatsprache gibt, aus der sich dann durch Interaktionen eine bestimmte gemeinsame Sprache generiert.  
Wenn Kardinal Kasper anfangs so zitiert wird: "Man darf dies Band [das unauflösliche Eheband]jedoch nicht als eine Art metaphysischer Hypostase neben oder über der personalen Liebe der Eheleute verstehen", (S.10), so muß das genau bestritten werden und es wäre die theologische Aufgabe, die Entstehung dieser metaphysischen Hypostase aus dem Getauftsein der Eheschließenden zu rekonstruieren! Denn das Getauftsein macht erst das Eheband zum unauflöslichen und nicht die personale Liebe und auch eine Ehe ohne personale Liebe, die reine Vernunftehe ist eine unauflösliche, wenn es eine gültig geschlossene  zwischen zwei Getauften ist!                     
                  

1 Kommentar:

  1. Irgendwie habe ich das Gefühl, hier reden Menschen von der Ehe, die von der Ehe nicht den blassesten Schimmer haben, schlimmer noch, haben dürfen.
    Dementsprechend die ganze Würgerei um die tief und fest geglaubte Unauflöslichkeit der Ehe. Ich bin gespannt, ob das kirchliche Lehramt hier einen Weg findet, von dem Haken, an dem es sich selbst aufgehängt hat, herunter zu kommen. Wenn das nämlich, wider mein Erwarten, nicht klappen sollte, ists endgültig vorbei mit der, immer noch gefühlten, Volkskirche. Dann kann die katholische Hierarchie bald auf Augenhöhe mit den Zeugen Jehovas parlieren.

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