Donnerstag, 7. Februar 2019

"jeder that, was ihm recht schien" Moral und Staat

"In jenen Tagen war kein König in Israel, sondern jeder that, was ihm recht schien".(Richter 17,6 Vulgatatext) Nach der Erfahrung totalitärer Staaten und dem Faktum, daß (fast?) in allen demokratisch regierten Ländern die Tötung von Menschen im Mutterleibe erlaubt ist, euphemistisch: Abreibung genannt, könnte ewidert werden, daß wenn es eine Staatsgewalt gibt, die es dann noch schlimmer triebe, daß dann die Staaten Unrecht tuen, dies als Recht tuen bezeichnend. 
Trotz dieses Einwandes ist aber die humanisierende Kraft der Staatsgewalt nicht zu unterschätzen. Denn dort, wo es kein Gewaltmonopol des Staates gibt, da herrscht das Recht des Stärkeren, das Recht der Faust. Daß die Bürger auf das Mittel der Gewalt verzichten, um sich oder ihre Anliegen durchzusetzen, weil allein dem Staate das Recht zur Gewaltausübung zugesprochen wird, ist kulturell gesehen ein Akt der Versittlichung.  
Nun wird gern von Wirtschaftsliberalen geurteilt: Je weniger Staat, desto mehr Freiheit, desto besser entwickele sich die Wirtschaft. Was nun aber, wenn eine Firma eine Ware an den Käufer verschickt und der sie dann nicht bezahlt? Was, wenn ein Käufer zuvörderst zu bezahlen hat, damit ihm die Ware zugesandt wird, also Vorkasse und nach dem Bezahlen kommt dann die Ware nicht? Abstrakter formuliert: Funktionierte auch nur eine einzige ökonomische Handlung, das Bezahlen von Rechnungen etwa, wenn nicht auch hier die Staatsgewalt im Hintergrund steht, um Regelverstöße zu ahnen? Würde nur eine Moral die Bürger zum rechten Tuen auffordern, könnte da nicht jeder, wenn das moralisch Geforderte ihm nicht paßt, es unterlassen?
Wer daraufhin die letzten Kapitel des Buches der Richter, Kapitel 17- 19isb.nachliest, der bekommt vor Augen geführt, was es heißt, daß "jeder that, was ihm recht schien."
Nur stellt sich uns aktuell dazu ein gravierendes Problem: Wie, wenn gesellschaftlich relevante Gruppen das Gewaltmonopol des Staates nicht anerkennen wollen, wenn sie sich das Recht zusprechen, Gewalt selbst ausüben zu dürfen. Nach dem Attentat auf einen AfD Politiker wurde eine Umfrage durchgeführt, in wieweit Parteianhänger welcher Parteien Gewalt gegen Politiker der AfD befürworten. Das Ergebnis muß erschrecken: 12 Prozent der SPD Wähler hätten Verständnis dafür,daß gegen Politiker der AfD körperliche Gewalt appliziert wird, bei den Grünen und der Linkspartei je 10 Prozent und bei der Union 7.  
Im politischen wie auch im religiösen Raum unter Muslimen findet eine Abkehr von der Anerkennung des Gewaltmonopoles des Staates statt. Die politische Moral oder die religiöse erlaubt da, selbst gegen "Feinde" gewaltsam vorzugehen. Eine Religion dürfe nicht Gewaltanwendungen legitimieren, verkündet Papst Franziskus, aber er übersieht dabei, daß gerade Religionen Gewaltanwendungen legitimieren durch ihr Credo, daß Gott mehr zu gehorchen ist als Menschen und dem weltlichen Staate. Politische Ideologien als Surrogate für Religionen legitimieren nun ebeno Gewaltanwendungen gegen den "Feind".So war der Antifaschismus immer militant, Gewaltanwendungen bejahend  in seinem Kampfe gegen Rechts. Jetzt, wo dieser Kampf zur Staatsideologie avanciert ist, kann es dann nicht mehr verblüffen, daß auch Nichtlinksextremisten Gewalt gegen Rechts befürworten: SPD, Grüne, Linke.  
Die christliche Religion ist durch die innerchristlichen Kriege des 17. Jahrhundertes pazifiziert worden, aber das ist eben nur eine Sonderentwickelung in dem Raume der Religionen. Dort, wo eine solche Pazifizierung nicht stattfand, da ist in jeder Religion ein beachtliches Gewaltpotential, das sich gerade in Heiligen Kriegen aktualisiert. Wie politische Weltanschauungen zu Gewaltexzessen führen kann, wie etwa in der Weimarer Republik zwischen Kommunisten und Nationalsozialisten, so können auch Religionen zu Gewaltausbrüchen motivieren. Die einzige Kraft, die das realiter verhindern kann ist die Staatsgewalt. Das erkannt zu haben, ist das große Verdienst des Philosophen Hobbes, der darum nicht genug gefeiert werden kann.   

 
:

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen