Wird nach einem Spezificum der abendländischen Kultur gefragt, es müßte dann auch dieser Herrschaftsauftrag expliziert werden: "et replete terram, et subjicite eam"=und erfüllet die Erde, und machet sie euch unterthan, 1.Mose,1,28. Es liegt nun nahe, dies so zu verstehen, daß der Mensch, der Erde gegenüberstehend hier zur Unterwerfung der Erde durch Gott beauftragt wird. Das lateinische "subjicite" meint die Subjektivierung der Welt durch den Mensch als dem Subjekt, das der Erde gegenübersteht. Nicht erst das viel geschmähte: "Ich denke, also bin ich" Descartes setzte so aus sich heraus die Geschichte der Unterwerfung der Natur durch den Menschen. Es ist eben kein Zufall, daß das Abendland ob dieser religiösen Fundierung zu dem Ort des technischen Fortschrittes und noch gewichtiger des Fortschrittsglaubens wurde.
Ein Aspekt wird dabei aber leicht überlesen, daß der Mensch selbst einerseits als aus der Erde geschaffen zur Erde gehört und daß er andererseits als Seele, von Gott ihm eingehaucht, nichtirdisch ist: die materielle Welt, die Erde kann nicht aus sich heraus die Seele als rein Geistiges hervorbringen. Somit muß konsequenterweise der Mensch, insofern er körperlich-irdisch ist, sich selbst auch zum Objekt seines Unterwerfens werden: Er subjektiviert sich selbst.
Als erstes ist da an die Tugend der Selbstbeherrschung zu denken, aber damit erschöpft sich dieses Sichselbstunterwerfen nicht. Es fängt ganz unmerklich an, daß Menschen künstliche Zähne in ihrem Munde tragen, daß künstliche Hüften eingesetzt werden und dann auch künstliche Herzen, wo immer Defekte des natürlichen Körpers solche künstlichen Implantate verlangen zur Aufrechterhaltung der Gesundheit.
Gibt es nun eine Grenze der Verkünstlichung des Menschen, daß eben nicht der ganze natürliche Körper durch einen Kunstkörper ersetzt werden darf, indem dann die menschliche Seele wohnte, wie einst im natürlichen Körper?Ein anderer Weg ist der der künstlichen Erzeugung und die Möglichkeit, schon pränatal eventuell gar in die DNA einzuwirken um entweder Erbkrankheiten vorzubeugen oder um nun doch den natürlichen Menschen zu "optimieren". Bisher war dies Optimieren nur etwas Äußerliches, wenn etwa die natürliche Seekraft durch Ferngläser oder Mikroskope verbessert wird, daß so das menschliche Auge sehen kann, was es rein natürlich nicht könnte Wie nun aber, wenn dies Äußerliche zum Innerlichen des Menschen wird, daß er sich besser Implantate einsetzen ließe, so daß er besser als allein mit den natürlichen Augen sehen könnte.
Ist, um es abstrakter zu formulieren, der Mensch, der sich zum Cyborg umbildet, noch eine legitime Option im Rahmen dieses Unterwerfungsauftrages? Eines ist sicher: Unterwerfen meint nicht, was heutige Ökoconservative proklamieren, daß der Mensch die Natur so zu erhalten habe, wie sie ist. Gott hat dem Menschen eher eine große Baustelle vorgelegt mit dem Auftrage, nun daraus etwas dem Menschen Gemäßes zu machen, daß die Natur zu kultivieren ist. Das Gutsein der Natur ist dann die Gestaltbarkeit der Natur durch das Subjekt Mensch. Er kann die Natur subjektivieren, weil sie dazu erschaffen worden ist.
Es drängt sich so der Eindruck auf, daß der Untergang des Abendlandes auch sich in dem Mißtrauen gegnüber dem Willen und den Möglichkeiten der Unterwerfung der Natur manifestiert: Der postmoderne Mensch fängt an seiner Berufung zur Naturbeherrschung zu zweifeln.Ihm erscheint das als Willküranmaßung einer alles dominieren wollenden Subjektivität. Als Alternative bietet sich da die Vorstellung einer Reintegration des Menschen in die Natur an, daß er nur noch natürlich leben will und die Kultivierung der Natur, das ist seine Beherrschung als Irrweg perhorresziert. Aber so entseelt sich der Mensch in dem Willen,nur noch natürlich sein zu wollen. Als Seele ist er immer auch das ganz Andere der Natur gegenüber. So kann er nicht in ihr heimisch werden, ohne daß er die Natur für sich verkultiviert. Das ist die Subjektivierung der Erde durch den Menschen, die immer auch die Selbstkultivierung des Menschen inkludiert. Es ist aber eine offene Frage, wie sehr er sich selbst kultivieren will, ob es ihm gut täte, sich zu einer Cyborgexistenz zu kultivieren. Aber eine Tendenz zur Selbstcyborgisierung ist nicht verkennbar.
Verständlich wird diese Tendenz aber nur im Wissen um die dualistische Konzeption des Menschen als Seele-Leib- Wesen, dem so sein Leib selbst Objekt seines Beherrschen- und Gestaltenwollens wird. Dieser Dualismus setzt den Menschen erst als Gegenüber zur Welt, die er dann für sich gestalten will.
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