Sonntag, 30. April 2017

Irritierendes: Will Christus, daß wir hassen?

Nicht nur Papst Franziskus urteilt, daß Glaube und Haß sich ausschließen: Wo der (christliche) Glaube lebendig ist, da kann kein Haß mehr sein. Nur der Psalm 15 könnte uns da etwas irritieren.Heißt es da doch unter der Überschrift: Die Bedingungen für den Eintritt ins Heiligtum (so die angemessne Überschrift dieses Psalmes in der Einheitsübersetzung: "der den Verworfenen verachtet". (15, 4). Es ist der von Gott Verworfene gemeint, denn der Gläubige verachten soll, wenn er des Eintrittes in das Heiligtum Gottes würdig sein will. Aber verachten ist nicht hassen, aber ihn lieben ist damit ausgeschlossen. Und kommt das Verachten dem Hassen nicht nahe?
Heutige Theologen erklären dann einfach, daß das Jesus überwunden haben und sie könnten dann auch nicht unrechtens auf Jesu Bergpredigt verweisen als Jesu Lehre von den Einlaßbedingungen in das Reich Gottes, in der eben nicht mehr die Verachtung der von Gott Verworfenen als Einlaßbedingung in das ewige Leben gefordert wird.Jesus verkündete ja nichts anderes als die bedingungslose Liebe zu jedermann.
Nur, was lesen wir dann aber in Jesu Traktat über die zu erfüllenden Bedingungen für seine Schüler. In Lukas 14, 26 lesen wir zu unserem Entsetzen: "Wenn jemand zu mir kommt, und hasset nicht seinen Vater, und Mutter und Weib, und Kinder, und Brüder,und Schwestern, ja auch sogar sein eigenes Leben, kann nicht mein Jünger sein." (Übersetzung Agustin Arndt, Die Heilige Schrift mit dem Urtext der Vulgata, Dritter Band, 1903). Und ein Blick in den Vulgatatext zeigt uns: Hier wurde richtig übersetzt!  "odit" heißt wirklich hassen! 
Aber es gbt ja die Einheitsübersetzung! Da lesen wir dann statt hassen "gering achtet". Das ist eben Übersetzen im Geiste der Ökumene, indem das Nichtpassende und Anstößige einfach entfernt wird. Aber es ist eben eine bewußte Falschübersetzung, um Leser dieser Stelle nicht zu verschrecken. 
Wenn wir nun dieser manipulativen Übersetzung nicht folgen wollen, weil sie Jesu Christi Aussage verfälscht, was sagen wir dann zu dem hier geforderten Haß? 
Das Problem ist doch offenkundig, daß das christliche Gebot der Nächstenliebe und das der Elternliebe damit nicht kompatibel ist. Setzte hier also Jesus Christus das von ihm selbst gelehrte Gebot der Nächstenliebe für seine Schüler außer Kraft, weil er sie nun zum Hassen auffordert? Und wie kann er gar den Selbsthaß fordern? Darf den ein Geschöpf Gottes sich selbst hassen, wenn es sich als von Gott erschaffen glaubt? 
Da wir nicht davon ausgehen können, daß hier der göttliche Lehrer mal einen "Aussetzer" habend Unsinn geredet hat oder daß er hier das Gebot der Nächstenliebe und der Elternliebe vergaß, mutet uns diese Aussage zu, sie als vereinbar mit dem Gebot der Nächstenliebe zu deuten. Denn Jesus kann doch nicht hier von seinen Nachfolgern etwas fordern, was dem Kern seiner Verkündigung, der Nächstenliebe widerspricht. 
In Anlehung an Gerd Theißens These vom Wanderradicalismus der Jesusbewegung, könnte sich diese Deutung nahelegen: Schüler Jesu heißt hier mit dem Wanderlehrer Jesus von Ort zu Ort zu ziehen um dort jeweils zu lehren und zu heilen. War jemand familiär eingebunden und sagte, daß er wohl Schüler Jesu werden wolle, aber weiterhin in seiner Familie leben und den dortigen moralischen Verpflichtungen nachkommen wolle, dann sagt ihm hier Jesus: Dann kannst Du nicht mein mir nachfolgender Schüler sein, denn das verlangt die Loslösung von allen bisherigen Verbindungen, damit man jetzt mit dem göttlichen Lehrer das Leben eines Wanderpredigers führen kann. 
Wer nun weiterhin sein Familienleben führen will, der muß dann die Auflösung dieses Lebens verneinen. Aus Liebe zur Familie sagt er Nein zur Nachfolge. Nur wer sein Nein zum Familienleben sagt, kann Ja sagen zum Nachfolgeleben in der Gemeinschaft der mit Jesus Wandernden! Dies Neinsagen zum eigenen Familienleben könnte dann als "hassen" gedeutet werden aus Liebe zum neuen Wanderleben in der wörtlichen Nachfolge Jesu. 
Auch und gerade in der Nachfolge des heimatlosen göttlichen Lehrers wird gerade die Nächstenliebe praktiziert, aber um der Nachfolge willen wird das Familienleben verneint.Dies Verneinen ist eben auch ein aggressiver Akt gegen das Familienleben.Man beachte, daß Jesus hier nur Familienangehörige als zu hassende anführt, nicht generell Mitmenschen oder Nächste.
Es liegt nun nahe, in der mönchischen Existenz die Gestaltwerdung dieser radicalen Nachfolgepraxis zu sehen; in ihr prolongiert sich diese Nachfolge Jesu. Wohnt nicht auch in ihr ein feindlicher Akt gegen das Familienleben inne, wenn das Außer-der-Welt-Leben der mönchischen Existenz radical gelebt wird? Könnte dies als Welthaß, als Weltverachtung gedeutet werden? Daß uns Heutigen nachkonziliar die Liebe zur Welt als eine Selbstverständlichkeit des christlichen Lebens vorkommt, zeigt ja nur an, wie wenig uns die Intention klösterlicher Existenz noch nachvollziehbar ist als Auszug aus der Welt. Der Mönch zog aus der Welt wie das Volk Israel aus dem Sklavenhaus Ägyptens.
Auch wenn uns Heutigen die Vorstellung des Hassens immer etwas moralisch Verwerfliches erscheint, so gilt das so wohl nicht für den Sohn Gottes. Für ihn kann es ein legitimes Hassen geben, daß wir, in unserem Gefühlsleben domestiziert als Verneinen uns deuten könnten: Wer nicht um meiner Nachfolge willen bereit ist, sein Familienleben zu verneinen, kann mir nicht nachfolgen. 
Oberflächlich urteilend sagen wir: Wer liebt, kann nicht mehr hassen. Wie nun aber, wenn es stattdessen heißen müßte: Nur wer hassen kann, kann auch lieben? Oder anders gesagt: Gott liebt nur der, der den Teufel haßt. Könnte auch nur ein wenig "Sympathie for the devil" jede Liebe zu Gott zertören!                

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