Samstag, 8. April 2017

Irritierendes: Berufspolitiker

Beruf, das impliziert doch stets auch die Vorstellung einer Berufsausbildung als Einheit von theoretischer und praktischer Ausbildung. Ob ich den Beruf des Metzgers, des Friseurs oder Chirugen ausüben will, jeder setzt eine solche Ausbildung voraus. Die zukünftige Friseuse darf eben noch nicht am ersten Ausbildungstag Haare schneiden und keinen unausgebildeten Chirugen läßt man eine Operation durchführen. 
Berufung ist noch mehr. Es ist ein religiöser Begriff: von Gott zu etwas berufen zu sein. Luther entwertete den Priesterberuf, indem er jeden Beruf als Berufung durch Gott qualifizierte und wertete damit den weltlichen Beruf auf, denn nun lebt der Christ gerade in seinem Berufsleben die Nachfolge Christi. Das Opus Dei trug dies Berufsverständnis dann in die Katholische Kirche ein.Daß wir heute kaum noch von Berufen reden, sondern von "Jobs", ist nicht nur ein weiterer Beleg für die Veramerikanisierung unserer Deutschen Sprache, sondern zeigt in erster Linie die Säkularisierung an: Es gibt keine Berufung von Gott zu einem Beruf mehr, sondern Arbeitsplatzsuchende nehmen eine Anstellung an, um so ihren Lebensunterhalt sich zu verdienen.
Was qualifiziert nun Politiker in einem demokratischen Staatswesen zum Regieren? Qulifziert schon das Ereignis, daß sie von mehr Wahlberechtigten als den Kokurrenzbewerbern gewählt worden sind, zum Regierenkönnen?  Kandidaten zu Wahlen werden von politischen Parteien aufgestellt. Qualifiziert ihr Gewähltwordensein durch eine Mehrheit von Parteimitgliedern ihre Geeignetheit zum Regierenkönnen?
Keine modebewußte Frau traut ihre Haare einem Lehrmädchen an, kein schwer Erkrankter  läßt sich von irgendwem operieren, sondern er frägt nach dem Titel und der Qualifikation. Selbstredend macht die theoretische Ausbildung für sich allein weder schon einen guten Autofahrer noch Metzger, aber ohne Theorie geht es auch nicht. Und bevor jemand selbstständig seinen Beruf ausübt, praktiziert er unter Aufsicht eines Berufserfahrenen. Oder kann sich irgendwer vorstellen, daß dem Chirug bei seiner ersten Operation der Chefarzt einfach sagt: "Nun legen Sie mal los-"?
Läge es da nicht nahe, ein Studium der Politikwissenschaft als notwendige Berufsausbildung zu fordern? Oder sollte das Regieren wirklich eine so leichte Berufstätigkeit sein, daß es dazu weder einer Berufsausbildung noch eines Anlernens bedarf? 
Lenin schrieb einst in: "Staat und Revolution", daß das Geschäft des Regierns nach der Revolution so leicht wäre, daß es von jedem Arbeiterrat ausgeführt werden könnte. Das beruhte aber auf der Illusion eines Absterbens des Staates, weil es dann den Primat der Ökonomie gäbe, der politisches Handeln nach und nach unrelevant werden ließe. Dem steckte ein technokratisches Moment inne. 
Nein, die Ordnung des Staates  verschwindet nicht, weil es Völker  gibt, die durch den Staat ihr Leben gestalten. Und darum muß es auch Politik geben, wenn unter Politik die Kunst des Regierens verstanden wird. 
Es könnte nun stattdessen ein emphatischer Begriff von Politik vertreten werden. Dann gäbe es Politik erst nach der Säkularisirung bzw. Aufhebung der Religion, daß nun das, was in der Religion von Gott erhofft wurde, das Heil der Welt, nun als Aufgabe des Menschen verstanden wird und das ist dann die Politik im eigentlichen Sinne! Das verlangt nach einer politischen  Erzählung vom Ursprung des Unheiles in der Welt und eine Konzeption der Überwindung des Unheilszustandes. (Erzählung : vgl. Lyotard, Das postmoderne Wissen -über die Krise der großen Erzählungen) Hier kann nur der ein guter Politiker sein, der Schüler oder gar Meister dieser Weltanschauung, der großen Erzählung ist.
Die heutige Politik in Deutschland verzichtet auf eine Explikation ihrer weltanschaulichen Grundlagen, weil alle Parteien Parteien der Ideologie des Liberalismus sind und diese Ideologie somit unhinterfragt als wahr gilt.  Aber auch der Liberalismus war ein Produkt der Säkularisierung der christlichen Religion mit ihrer Reich Gottes Hoffnung.      

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen