Samstag, 2. März 2019

"Wo sehen Sie die Kirche in 20 Jahren?"

"In der Antwort sind sich die vier Diskutanten auf dem Podium - der Rektor der Jesuitenhochschule Sankt Georgen, Ansgar Wucherpfennig, der Generalvikar des Bistums Essen, Klaus Pfeffer, der Chefredakteur der Zeitschrift "Christ in der Gegenwart", Johannes Röser, und die Dogmatikerin Johanna Rahner aus Tübingen - überraschend einig: Die Gesellschaft komme gut ohne Kirche aus." Katholisch de am 1.3.2019. Die Kirche ist eben irrelevant geworden für die Gesellschaft. Das meint wohl auch die christliche Religion bzw der Glaube. 
Eines ist dabei zu beachten: Die Religion ist nicht zuerst eine Angelegenheit des Individuumes, das sich dann sekundär vergemeinschaftet mit anderen Gleichreligiösen zu einer wie auch immer gearteten Vereinigung. Das Subjekt der Religionspraxis ist ein soziales Gemeinwesen, eine Familie, ein Stamm, eine Stadt. Das Individuum partizipiert an der sozial gelebten Religion ob seiner Zugehörigkeit zu einem Gemeinwesen. Erst wenn sich das öffentliche Leben und die Religion ausdifferenzieren, zu zwei verschiedenen Ordnungen werden, gehört das Individuum nicht mehr qua seiner Mitgliedschaft zu einer Sozialgemeinschaft zur Religion. Aber auch dann noch hat die Religion eine Funktion für die jeweilige Gesellschaft, womit sie sich auch legitimiert. Für die existentiellen Probleme des Gemeinwesens ist die Religion nun mal zuständig: ob die Ernten gelingen, ob Kriege gewonnen werden, aber auch für das Ethos in der Gemeinschaft,daß es durch die Religion fundiert wird.Erst in zweiter Sicht ist dann die primär soziale Religion dann auch für die individuelle Probleme zuständig, ist sie auch eine Privatreligion.
Mit dieser so grob skizzierten sozialen Religion soll es nun in  unserer postmodernen Gesellschaft zu Ende sein.Das soziale Leben käme ohne Religion und ohne die Kirche aus.
Könnte sie dann reduziert auf das reine Privatleben noch eine Lebenskraft sich bewahren? 
Überprüfen wir diese Frage durch eine einfache Frage: Wo ist in der heutigen sozial ausdifferenzierten Welt noch ein Privatlebensraum? Die Sphäre des Berufslebens, der Wirtschaft, ist durch die Eigengesetzlichkeit dieses Raumes bestimmt. Als Konsumenten kaufen wir wohl als Einzelsubjekt ein und nutzen dann auch das Erkaufte, aber der Raum des Konsumes ist selbst ein sozial bestimmter Raum, die die Rolle des Konsumenten wie die des Warenanbieters bestimmt.Der Raum der Politik ist per Definition kein Privatraum. Bleibt da nur noch das Privatleben Zuhause, allein, oder in einer Familie? Schon die Freizeit ist schon so sehr sozial gestaltet daß es schwer fällt, hier noch von einem individuellen Leben zu sprechen. Man denke nur an die Freizeitindustrie, den Tourismus, das Freizeitleben in Vereinen oder vor dem Fernseher. Drängt sich nicht der Eindruck auf, daß das Privatleben am Verschwinden ist, daß es durch das Soziale, das Allgemeine aufgesogen wird? Der Privatraum wäre dann nur noch ein Subsystem der Gesellschaft, der so selbst noch durch das Soziale, seine Umwelt strukturiert ist.
Etwas Einfaches mag dies veranschaulichen: Beliebige Gespräche. Ist es nicht so, daß der Eindruck dabei sich aufdrängt, daß das Einzelgespräch in der Regel nur noch wie eine Kopie des allgemeinen Geredes erscheint? Die Begrüßungsfrage: Wie geht es? wird eben standartmäßig mit: Gut beantwortet, der darauf folgende  smalltalk erweist sich dann ebenso oft als Aneinanderreihung von Phrasen:Man redet, um nichts zu sagen. In Hedwig Courths- Mahler Romanen hieß das: Plaudern, dies nichtssagende Gerede. 
Vielleicht war der Existentialismus der letzte Versuch, irgendwie dem privaten Individuum noch eine Bedeutung zukommen zulassen, indem es als sich selbst Bedeutung geben könnendes Subjekt expliziert wurde.Aber seine Zeit ist vorbei.
Wenn das Private so vom Sozialen aufgelöst wird, wo könnte dann die Religion, reduziert aufs Private noch gelebt werden? Eines ist nicht übersehbar: Daß  meine Privatexistenz einer festen Burg gleicht , klar abgeschieden vom sozialen Leben, und daß dann in dieser Privatssphäre meine individuelle Religion noch gelebt wird, ist wohl eine Vorstellung, die der Vergangenheit angehört. Und die christliche Religion, die sich so aufs Private zurückzöge, wäre auch nur noch eine Schwundstufe dieser Religion, die die Kirche wirklich überflüssig machte.     
          

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen