Ein
Versuch über die Krise der Kirche als Folge einer „problematischen“
Theologie
Oder:
Die Lust am Skeptizismus; Wahrheit war gestern und
Wahrheitserkenntnis führt zum Fundamentalismus.
These:
Das Unbehagen der Postmoderne an der Vorstellung einer erkennbaren
und erkannten Wahrheit als Bedrohung von Freiheit ist die Luft, in
der wir Heutigen leben und atmen- diese Luft ist tödlich für die
Theologie und die Kirche.
Den
Emergenzpunkt bildet die Erfahrung des innerchristlichen
Religionskrieges des 17. Jahrhundertes- für Deutschland der 30
jährige Krieg. Die philiosophische Aufklärung, deren Höhepunkt wir
in Kant vor Augen haben, stellt den Versuch der Domestikation der
christlichen Religion durch die Vernunft dar, indem alle
kontroverstheologischen Fragen zwischen den christlichen Konfessionen als gegenstandslos entwertet werden durch den Glauben an die drei
Postulate der Praktischen Vernunft: Gott, Seele, Freiheit.Alles andere
wird einer ekenntnistheoretischen Kritik unterzogen, um als nicht
glaubwürdig und irrelevant ausgelöscht zu werden. Religion wird so
auf die natürlich-vernünftige Religion reduziert, und die positiven
Religionen aufgefordert, sic auf das Vernünftige -Natürliche zu
reduzieren. Die theoretische Vernunft wird dabei in ihrem Vermögen
auf Wahrheitserkenntnis radical reduziert, damit es der praktischen
Vernunft vorbehalten bleibt, die denknotwendigen drei Postulate als Konsens aller positiven Religionen zu ergründen. Das ist sozusagen
eine radicale Konsensökumene mit dem Ziel der Beseitigung aller
Religionskontroversen.
Die
Glaubensinhalte jeder positiven Religionen sollen dabei als aus erkenntnistheoretischer Sicht nicht legitiemierbare und nicht
glaubwürdige Inhalte entwertet werden, damit nur diese drei
Postulate der praktischen Vernunft übrigbleiben. Wahrheit soll nicht
mehr erkennbar sein, damit nicht Wahrheiten als erkannte als Argument
zum Konflikt mit den Andersgläubigen genutzt werden können. Das Cristentum wird so pazifiziert, indem all seine spezifiscen
Glaubensinhalte als unglaubwürdige desavoiert werden. Das Übervernünftige wird zum Unglaubwürdigen. Ob der Erfahrung
konkurrierender Wahrheitsansprüche mit ihrem Konfliktpotential wird
die Vorstellung einer erlennbaren absoluten Wahrheit zur Bedrohung
der Freiheit und des Friedens.
Wenn
die Wahrheit erkennbar wäre, wie könnte dann ein Mensch noch anderes wollen als die Wahrheit. Wird seit dem Nominalismus Freiheit
verstanden als Willkürwahl des So oder So-Nicht-Wollens, so
verunmöglichte eine erkannte Freiheit diese Willkürfreiheit des beliebigen Auswählens. Und so urteilt dann auch Kunze: erst wenn es keine erkannte Wahrheit mehr gibt, wird es Freiheit geben „Wenn die
letzte Wahrheit aus dem Felde geschlagen und die Illusion der
Erkennbarkeit von irgend etwas zwischenmensclich endgültigem Wahrem
begraben wird,werden wir frei sein.“1
Wenn
die Theologie eine auf Wahrheitserkenntnis ausgerichtete Wissenschaft
ist, so steht sie damit der philosophischen Aufklärung und der
Postmoderne diamentral entgegengesetzt, weil sie als wahr ergründet,
den Glauben der Kirche, die Glaubensinhalte, die aus Sicht der
Aufklärung und der Postmoderne als nicht wahrheitsfähige zu
dysqualifizieren sind. Die Postmoderne ist in dieser Hinsict zu
deuten als Radicalisierung der Aufklärung, indem nun alle
behaupteten erkannten Wahrheiten als freiheitsbedrohend kritisiert
werden und als Negation der Aufklärung ob ihres erkenntnistheoretischen Agnostizismuses Nietzsche darf wohl als geistiger Urheber der Postmoderne angesehen werden mit seinem Urteil,
daß uns vor lauter Interpretationen der Interpretation die Wahrheit
als Urtext verstanden entschwunden ist. Jeder Wahrheitsanspruch ist so
nur ein Produkt des Willens zur Macht und ein Mittel im Kampfe um
Macht.
.
These:
die wissenscaftlice Theologie verbindet sich so mit philosophiscen
Erkenntnistheorien, die prinzipiell eine Erkenntnis des Übernatürlichen, der geoffenbarten Wahrheiten für unmöglich beurteilt, um a) einen Beliebigkeitspluralismus in der Kirche zu
ermöglichen und um b) so alle Geltungsansprüce der Theologie
aufzulösen, sie so zu pazifizieren, weil dem postmodernen Denken
Wahrheitsansprüche nur Manifestationen eines Willen+ zur Macht sind.
Mustergültig
exerziert dies der Präses der EKD, wenn er in Anlehnung an Bonhoefer
erklärt, daß das urchristlice Bekenntnis, Jesus ist der Christus um
des Neins zur Judenmission wegen in Frage zu stellen sei. Es sei
möglich, daß Jesus nicht der Messias sei, sondern daß Juden und
Christen gemeinsam auf einen anderen warten und hoffen! Wäre Jesus als Christus erkennbar, dann könnte schwerlic auf die Judenmission
verzichtet werden, weil er so ihr Messias sei.Aber die historisch-
kritische Methode zeige, daß die Identifikation von Jesus mit dem
Messias eher eine nachösterlice Gemeindebildung sei und so nicht für
uns verbindlich. Um des Friedens mit den Juden willen soll nun das Bekenntnis, Jesus sei der Christus revoziert werden-ja, es ist gut,
daß Jesus nicht eindeutig erkennbar sei, denn so bleibe uns die
Freiheit, diese Frage offenzuhalten-ja selbst im Himmel sollten wir
nicht wissen wollen, ob wir Christen oder die Juden recht gehabt hätten
um des himmlischen Friedens willen. Träte Jesus im Himmel zu einem
Christen und Juden und sagte, er wolle nun offenbaren, ob er der
Messias sei oder auch nicht, sollte der Christ mit dem Juden zusammen
erklären: auf Erden wußten wir es nicht und lebten deshalb gut
miteinander, so wollen wir es auch nicht im Himmel wissen; merke:
Unwissenheit macht frei, Erkenntnis bedroht die Freiheit, so der
Präses der EKD!
Es ist so kein Zufall, sondern Absicht, wenn die nachkonziliare Theologie,
dem Geiste des Modernismus folgend alle
skeptizistisch-agnostizistiscen philosophischen Lehren ihr Gehör
verleiht und alle anderen als nicht mehr zeitgemäß-nicht als nicht
sachgemäß- verurteilt.Das Kriterium der Zeitgemäßheit hat das der
Sachgemäßheit ersetzt.
These:
Zu wenig Beachtung ist bisher in der Theologie der These P.
Sloterdijks geschenkt worden, daß die heutige Theologieproduktion
gemäß den Gesetzen des freien Marktes sich gestaltet, weil die Kirche
nicht mehr ein „Monopolbetrieb“ sei, wie es das Christentum in der
Konstantiniscen Epoche (von Kaiser Konstantin bis Kaiser Wilhelm)
war. Marktwirtscaftlich heißt: die Verkaufbarkeit bestimmt, was gelehrt und produziert wird, nicht der Sachwert, also der
Wahrheitsgehalt. Damit zum einzigen Kriterium des: Was hat die Kirche
heute zu sagen der Verkaufswert werden kann, muß die traditionelle
Theologie ihres Wahrheitsanspruches enthoben werden, um ganz
aufzugehen in der Frage: was kommt heute an? Marktanalyse und
Kundenbefragung, was glauben die Heutigen?, ersetzt dann die
theologisce Wahrheitssuche.
Als vorzüglichstes Mittel zur Desavoierung aller Geltungsansprüche
erweist sic die dabei die historisch-kritische Methode.
Die
schlicte Tatsace, daß jede theologische Aussage in einer bestimmten
Zeit an einem bestimmten Ort getätigt worden ist, wird zur Kritik,
daß diese Aussage so zeit-und raumbedingt ist, daß sie der Ausdruck
dieser Zeit sei, aber keinen Sachgehalt enthält: Theologie
manifestiere nur in wissenschaftlich abgehobener Sprache die
Frömmigkeitsvorstellungen eines Individuumes, einer sozialen Gruppe
oder einer Epoche, aber sind keine Sachaussagen über Gott oder
Übernatürliches.Gott und alles Übernastürliche wird dabei zum
prinzipiell Unbegreifbaren und das soll dann auch das Wesen Gottes ausmachen. Ein begriffener und erkannter Gott wäre kein Gott, so die
Vulgärmeinung. Die höchste Einsicht wäre die in die Unbegreifbarkeit
Gottes. Statt Erkenntnis gibt es dann nur noch subjektive
Gotteserfahrungen, die nur Geltung für das Subjekt, der
diese Erfahrung gemacht hat, hat- jede Universaliisierung dieser
Erfahrung zur Erkenntnis wäre so schon ein Mißbrauch der eigenen
Erfahrung.
Die
historisch-kritische Methode in der Exegese ist das legitime Kind der
reformatorischen Infragestellung der Geltungs- und Wahrheitsansprüche
der kirchlichen Tradition im Namen der alleinigen Autorität der hl.
Scrift. Ihre Negativfunktion, die der Dysqualifizierung aller
kirchlichen Traditionen überträgt nun diese Methode auf die hl.Scrift
selbst, indem nun selbst in ihr zwischen dem ursprünglichsten Text und
seiner Übermalung durch zweite Hände unterschieden wird. Der
Generalverdact wider die Kirche erhebt sich nun wider die Schrift
selber, daß sie das ursprünglich Jesuanische (absichtlich /unabsichtlich)
verfälscht habe, so daß nur noch der zu eruierende Urtext
Wahrheitsansprüche gelten machen darf. Für Nietzsche ist so Paulus der
Verfälscher, für Luther Jakobus; alle Wunder Jesu seien nachösterliche
Gemeindeerfindungen usw. Ja, Jesus war selbstredend erst nur ein
Mensch, seine Vergöttlichung bis zu seinem Karrierehöhepunkt im
Avancieren zur 2.Person der Trinität nur eine nachösterliche
(Fehl)Entwicklung). Überhaupt sei die Kirchengeschichte.in Gänze nur
ein Abfall vom Ursprünglichen: Jesus verkündete das Reich Gottes, es kam aber die Kirche und der verdogmatisierte Christus- so die
linksliberale Exegese, die konservativere versucht diese Entwicklung
dann irgendwie als zeit-und sachbedingt zu rechtfertigen trotz der
offenkundigen Differenz von Jesus zum verkündigten Christus der
Kirche.
In
philosophischer Hinsicht ist das die Frucht der Bejahung eines prinzipiellen erkenntnistheoretischen Skeptizismusses, daß der Mensch wie scon Pilatus es andemonstriert, bei der unbeantwortbaren Frage:
Was ist Wahrheit?, stehen bleiben muß.
Konterkarriet
wird dieser Agnostizismus aber durch den Einfluß der Ideologie der
politischen Korrektheit: nach ihr muß und darf von Gott nur ausgesagt
werden, daß Gott als Liebe ein Gott der Gleichgültigkeit ist. Ihm
ist jede Religion gleich-gültig und auch den Atheisten liebt er,
sofern der politisch korrekt lebt. Woher sic aber diese
Gotteserkenntnis begründet, bleibt unerklärlich, wenn man den Grund
dieser Gotteserkenntnis nicht erkennt in ihrer Funktionalität zur
Ermöglichung einer multikulturellen-multiethniscen Gesellschaft.
Diese Gottesvorstellung ist die der Ideologie der
Multikultigesellschaft und ist die Gottesvorstellung der Theologie,
die sic der Ideologie der politischen Korrektheit unterwirft.
Die
politische Korrektheit im Verbund mit der Holocaustreligion ist die
öffentliche Religion der Postmoderne, die als Privatreligionen,
vereinsmäßig organisiert, nur die anerkennt, die den Primat der
öffentlich-politischen anerkennen. Unter der Parole, wider jede Art
von „Integralismus“ verteidigt die zeitgenössische Theologie
ihren Rückzug in eine Privatexistenz bei gleichzeitiger Anerkennung
des Primates der politischen Religion der politischen Korrektheit. Als so anerkannte Privatreligion darf sie dann als Gegenleistung am
öffentlichen Diskurs teilnehmen als eine beliebige Meinung neben
anderen.Die Affaire: Williamson demonstrierte dabei, daß von allen
Christen, wollen sie weiter legitime Teilhaber des öffentlichen
Diskurses sein, die Vorgaben der politischen Korrektheit zu bejahen
sind und daß auch nur Kirchenmitglied sein darf, wer diese Ideologie
bejaht. Der Skandal eines reformierten Pfarrers in den Niederlanden,
der predigte: Gott gibt es nicht! , und der trotzdem nach einem
Synodenbeschluß der dortigen Kirche weiter Pfarrer sein kann, weil
dessen gepredigter Atheismus nicht die Glaubensgrundlagen der Kirche
beeinträchtigt, zeigt, daß für diese Kirche der letzte Maßstab der
Zugehörigkeit zur Kirche nur noch die Anerkennung der Religion der
politischen Korrektheit ist. Gott darf man leugnen, nicht aber reden
wie Bischof Williamson! Die EKD erwägt, politisch Rechtsstehende
auszuschließen, bzw. kirchenrechtlich zu fundieren, daß Recte
ausgeschlossen werden können, weil sie politisch rechts sind. Die
politische Gesinnung ist wichtiger als der Glaube. So ist der Verzicht
auf die Judenmission wie auch der faktische Verzicht der Kirche auf jede
Mission unter Andersgläubigen ein Zugeständnis der Kirche und der
Theologie an die öffentliche Religion der Multikulturellen
Gesellschaft. Mission mit ihrem Willen zur Einheit in der wahren
Religion und in der einen Kirche wird als Angriff auf das Ideal der
Multikulturalität gesehen und so verurteilt.
Daß
die Kirche faktisch auf jede Art von Mission verzichtet und sie durch die
Sozialdiakonie und Individualdiakonie ersetzt hat, war aber auch nur
möglich, weil in der Fundamentaltheologie der Erweis der Wahrheit der
christkatholischen Religion als nicht mehr erbringbar angesehen wird und
weil man de facto davon ausgeht, daß im Prinzip jeder Mensch von Gott
unabhängig von seiner Religion geliebt wird.
Die
Menschenrechtsideologie, daß Niemand ob seiner Religion diskriminiert
werden dürfe, wird dabei einfach auf Gott übertragen: was kein Staat
darf, Menschen ob ihrer Religion diskriminieren, das darf und kann
Gott auch nicht. Die Anerkennung der Religionsfreiheit läuft so auf
die Anerkennung aller Religionen und des humanistisch sich gebenden
Atheismus als gleich-gültig hinaus. Woher man aber weiß, daß Alles gleichgültig ist, wenn man doch zugleich dem Skeptizismus applaudiert
ist völlig unbegreiflich, wenn man die theoretische Vernunft befrägt,
aber wird verständlich, wenn man es als ein Postulat der notwendigen
Voraussetzungen der multikulturellen Kommunikationsgesellschaft
begreift.
(
in Anlehnung an Habermas Kommunikationstheorie) „Wie müssen wir
Gott denken, damit die Gottesvorstellung nicht dysfunktionsal wird für
das Funktionieren dieser Gesellschaft?“
Das ist zusagen der Alternativgott zu Platons Gottesvorstellung nach den
Gesetzen: Wie ist Gott um der Moral willen zu glauben: daß er ist,
daß er sich nicht indiffferent zum menschlicen Verhalten verhält und
daß seine Gunst nicht leicht erringbar sei.
1Kunze,
Klaus, Mut zur Freiheit-Ruf zur Ordnung. Der schmale Pfad zwischen
Fundamentalismus und Nihilismus, 1995, S.144.
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