Der
Papst und der Islam
Irritationen
und Verwirrungen
Befremdliches
hören und lesen wir. Der hl. Vater sprach in der Türkei in
eigentümlicher Weise über und zum Islam. Da erwähnt er
„Extremisten“ und „Fanatiker“, die Andersgläubige um ihres
Glaubens willen umbringen, aber er erwähnt mit keinem Worte, daß es
islamische „Extremisten“ und „Fanatiker“ sind. Er meinte
damit den Terror des „Islamischen Staates“ und anderer
Islamisten, aber er sagt es nicht. Stattdessen spricht er als
Oberhaupt einer Religion zu den Führern anderer Religionen,
insbesondere des Islam,daß Gewalt kein Mittel der Religion sein
dürfe. Aber wie nun, wenn andere Religionen das anders sehen, wenn
für sie die Gewalt ein legitimes Mittel ist?
Angefangen
haben die Irritationen ja schon mit der konziliaren Erklärung:
„Nostra aetate“ zu den nichtchristlichen Religionen. Mit einem
Paukenschlag beginnt die Darlegung des Verhältnisses der
Katholischen Kirche zur islamischen Religion. „Mit Wertschätzung
betrachtet die Kirche auch die Muslime, die den einzigen Gott
anbeten, den lebendigen und für sich seienden, barmherzigen und
allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde“. (DH 4179)
Eine Frage drängt sich uns hier geradezu gewaltsam auf. Warum
urteilte hier Jesus Christus so völlig anders? Geben wir ihm das
Wort : „Wer
den Sohn nicht ehrt, ehrt auch den Vater nicht, der ihn gesandt hat“.
(Joh.
5, 23b) Eindeutiger kann es der Heiland doch nicht sagen.Es ist nicht
so, daß wir Christen, so wie die beiden anderen monotheistischen
Religionen Gott anbeten und ehren, den Gott Abrahams und dann in
Differenz zu ihnen noch zusätzlich den Sohn und den Hl. Geist, als
Zusatzprogramm, sodaß wir urteilen könnten: in der Sache sind wir
eins, wir wie ihr seid Monotheisten und unser Zusatzprogramm ist
nicht so wichtig. Nein, es ist geradezu ein Herzensanliegen des
Heilandes, klar das Verhältnis der christlichen Gottesverehrung zu
der jüdischen, und damit zu allen anderen rein monotheistischen
Gottesverehrungen zu bestimmen. Sie beten in ihren Synagogen Gott
nicht an, sie ehren ihn da nicht, lautet das eindeutige Urteil des
Lehrers der Wahrheit.
Religionsphänomelogisch
könnten wir das ganz anders sehen: alle Religionen ehren und beten
irgendwie Götter an und damit sind sie immer auch wahr, weil in
ihnen Götter angebetet werden. Wahrer dagegen sind alle
monotheistischen Religionen, weil sie die Erkenntnisstufe, daß es
nur einen Gott gibt, schon erstiegen haben. Die volle Wahrheit wäre
dann erst die christliche Gottesverehrung, aber vom Polytheismus bis
zum Monotheismus gäbe es eben Stufen, die immer näher zur wahren
Gottesverehrung hinaufführten! Aber dies Stufenmodell würde immer
noch die Intention in sich tragen, daß alle, auf welcher Stufe sie
auch sich befinden, daß sie emporsteigen zur höchsten Erkenntnis
Nur in der Vemittelung der höchsten Erkenntnis würde die Mission
immer anknüpfen an dem Erkenntnisstand der schon erreichten Stufe.
Aber nichts davon. Stattdessen lesen wir: „fordert das Hochheilige
Konzil alle auf, daß sie sich,[...]aufrichtig um wechselseitiges
Verstehen mühen und gemeinsam soziale Gerechtigkeit, sittliche Güter
und auch Frieden und Freiheit für alle Menschen schützen und
fördern.“ (DH 4179).
Nicht
das Ringen um die wahre Gotteserkenntnis soll das Ziel und der Inhalt
des Dialoges zwischen dem Islam und dem Christentum sein-nein, man
solle sich darauf beschränken, wechselseitig sich zu verstehen! Und
dann schauen wir auf auf das große Ziel des interreligiösen
Dialoges: Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit und sittliche Güter.
Offenkundig haben diese hehren Ziele mit dem Besonderen der
christlichen Religion nichts zu tun-es reiche die Gemeinsamkeit eines
monotheistischen Glaubens aus, um gemeinsam für Frieden und
Gerechtigkeit und Freiheit zu arbeiten. Das höchste Ziel der
Religionen ist somit der weltliche Friede in Freiheit und
Gerechtigkeit. Und dazu ist die christliche Religion als christliche
eigentlich überflüssig-es reichte ein auf einen einfachen
Monotheismus reduziertes Christentum.
Warum
hat das die Kirche nicht schon immer gewußt, daß das höchste Ziel
die Humanisierung der Welt die Aufgabe der christlichen und aller
nichtchridstlichen Religionen ist und daß man dies hehre Ziel auch
mit Atheisten zusammen erstreben könne, denn das wäre ja das summum
bonum des Menschen.
Ach,
wie wunderbar hätten da doch die Urchristen, statt Juden zu
missionieren sagen können: Wir glauben als Christen und Juden an den
einen Gott und nun wollen wir uns gemeinsam für eine friedliche und
gerechte Lösung des Problemes der Unterdrückung des Volkes Israel
durch die Römer einsetzen-gemeinsam Frieden und Gerechtigkeit hier
erwirken! Und der Apostelfürst Paulus hätte, statt den Gott Jesu
Christi den Athenern zu verkündigen, ausgerufen: Laßt uns
gemeinsam Athen und die Römische Welt humanisieren, auf daß in ihr
Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit erblühe. Was für Sternstunden
gelebter Humanität sind uns entgangen, weil da so „Fundamentalisten“
Jesus Christus als die Wahrheit verkündeten, statt Beiträge zur
Humanisierung der Welt zu liefern, daß jeder in seiner Religion
bleibe und alle gemeinsam die Welt optimieren.
Das
böse Wort der „Weltbeglückiungsökomene“ drängt sich da
unvermeidlich auf! Und mehr hat der hl. Vater in der Türkei über
und zu dem Islam auch nicht zu sagen.Einfacher gesagt: irgendwie
glauben wir doch alle an den selben Gott und jetzt machen wir
„Weltbeglückung“. Seltsam nur, daß der Heiland von diesem
Projekt gar nichts wußte, daß es die vorrangigste Aufgabe der
Kirche sei, in Cooperation mit den allen anderen monotheistischen
Religionen Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit universal zu
verwirklichen! Und daß um dieses großen Zieles willen so
Belanglosigkeiten wie die, daß Jesus Christus die Wahrheit ist,
ruhig bei Seiten gelegt werden kann. Ja, ich frage mich, wozu wir
denn überhaupt die Offenbarung Gottes in Jesus Christus gebrauchen,
wenn es uns als Christen nur noch um so rein weltliche Belange geht,
wie das der Humanisierung der Welt?
Verbildete
eingefleischte Verschwörungstheoretiker würden hier wohl ein oder
das Projekt des Freimeurertums wittern: alle Religionen für
gleichgültig zu erklären und sie, alle Religionen dem großen Ziel
der Welteinheit mit einer Welteinheitsregierung und einer
Welteinheitsreligion unterzuordnen. Aber solche Spekulationen wollen
wir hier auf sich beruhen lassen.Wir wenden uns einfacheren Fragen
zu. Meinen die Oberen der Katholischen Kirche mit ihren Experten für
den interreligiösen Dialog wirklich,was sie da so von sich geben?
Klingt es nicht irgendwie wie eine Lobrede auf den Vegetarismus, von
Schafen vorgetragen im Angesichte hungriger Wölfe, um es mal
bildlich auszudrücken? Daß da nicht eine Realität beschrieben
wird, sondern herbeibeschwört werden soll, könnte die Wahrheit
solcher performativer Sprechakte sein. Der König sagt: „Du bist
mein Minister!“, nicht weil der so Angesprochene es ist, sondern
damit er es durch diesen ausgesprochenen Satz wird! Denn zu
offenkundig ist es doch, daß der Islam seine eigene Vorstellung von
der zukünftigen Weltgetaltung hat, daß eben die ganze Welt
islamisch werden soll. Von diesem Ziel scheint der Islam noch weit
entfernt zu sein, ja er erscheint ja uns eher in Anlehnung von Ernst
Noltes Islamstudie eine reaktive Widerstandsform gegen den westlichen
Imperialismus zu sein, dem unbedingten Willen, die ganze Welt zu
verwestlichen.( Ausdrücklich möchte ich hier auf die sehr
feinsinnige Studie von Ernst Nolte: Dritte radikale
Widerstandsbewegung: der Islamismus verweisen!) Man verwechsele
Verwestlichung nicht mit Verchristlichung der Welt-das war die Idee
des konstantinischen Zeitalters, des Thron-und Altarbündnisses,
theologisch grundgelegt in der Bulle: Unam Sanctam“ Papst
Bonifatius VIII. (DH 870-875).Andere Mächte erstreben jetzt die
Weltherrschaft: bis zur Implosion 1989 der Kommunismus und jetzt der
angloamerikanische Imperialismus in der Gestalt des
Globalisierungskonzeptes .Die Katholische Kirche dagegen gehört zu
den Verlieren: sie versucht nur noch, sich zu bewahren gegen die
Anstürme ihrer vielen Feinde. Dem Islam gegenüber würde so eine
klassische Appeasementpolitik betrieben: nachgeben und nachgeben und
so viel wie möglich zu retten vor dem sich revitalisierenden Islam.
Um
diese komplexe Konzeption mal etwas allgemeiverständlich
auszudrücken:man stelle sich einen Senioren im Zugabteil vor, er hat
gerade mühsam seinen Rollator abgestellt und sich hingesetzt, da
kommen zwei junge Männer, wohl gerade aus dem Fitnesscenter, vor
Kraft kaum noch laufen könnend-sie stecken sich Zigaretten an und
rauchen genüßlich. „Meine Herren, das Rauchen ist in Zügen
nicht mehr erlaubt!“, äußert unser Rentner, vorsichtig und leise.
Die geballte Faust wird ihm darauf entgegengehalten. „Bitte, meine
Herren, Gewalt ist doch keine Art, die Probleme zwischen Rauchern und
Nichtrauchern zu lösen. Wir könnten doch vernünftig drüber
reden!“ Aber was interessiert den Gewaltmenschen die Vernunft? Er
vertraut auf die Durchschlagskraft von durchtrainierten Armen und
Fäusten. „Halts Maul, sonst gibt’s was...“ Zweifelt wer an dem
Ausgang dieses „Dialoges“, daß sich die rohe Gewalt gegen den
akademisch gebildeten Senior durchsetzt und der Klügere nachgibt?
Ist es wirklich eine völlige Fehlsicht, wenn uns der militante Islam
wie diese zwei „Halbstarken“ vorkommt, die sich aber effektiv
gegen das Christentum im vergreisten Seniorenalter durchsetzen? Und
der moralische Protest, daß man doch bitte Konflikte zwischen
Christen und Islamisten nicht per Brachialgewalt lösen möge,
sondern durchs vernünftige Dialogisieren, ist er in den Augen der
Starken nicht nur ein deutliches Symptom der Schwäche der Christen ?
Wir haben die Macht auf unserer Seite!, können sie dann getrost sich
zurufen.
Der
große Schriftsteller Ernst Jünger schrieb einmal etwas, was wir
vielleicht auch auf den radicalen Islam beziehen können:
„ Jede
Haltung, der ein wirkliches Verhältnis zur Macht gegeben ist, läßt
sich auch daran erkennen, daß sie den Menschen nicht als das Ziel,
sondern als ein Mittel, als den Träger sowohl der Macht wie der
Freiheit begreift. Der Mensch entfaltet seine höchste Kraft,
entfaltet Herrschaft überall dort, wo er im Dienste steht. Es
ist
das
Geheimnis
der
echten
Befehlssprache,
daß sie nicht Versprechungen macht, sondern Forderungen stellt. Das
tiefste Glück des Menschen besteht darin,daß er geopfert wird, und
die höchste Befehlskunst besteht darin, Ziele zu zeigen, die des
Opfers würdig sind.“1
(Hervorhebung
durch mich)
Macht
das die Ausstrahlungskraft des Islam gerade für junge Menschen
aus?-während die älter Gewordenen das „Herdenglück“ des
friedlichen Miteinandergrasens auf grünen Auen bevorzugen, um es
nitzscheanisierend zu sagen. Könnte es sein, daß es Menschen gibt,
die lieber ein Raubtier sein wollen, als ein behütetes Schafsleben
zu führen?
Dem
christlich-islamische Dialog hängt so etwas Dunkles an- als wenn der
eine Dialogpartner nur darauf warten würde, daß wenn er stark genug
ist, mit seinen Fäusten zu argumentieren und der andere hofft,
solange mit ihm zu dialogisieren, bis er auch ermüdet von den vielen
Reden für den Frieden in Gerechtigkeit und Humanität votiert, statt
um den Kampf um die Macht anzutreten. Und die Wahrheit geht in diese
diplomatisch geführten Dialogen als erstes unter. Fing das mit dem
2.Vaticanum schon an, die Vorherrschaft der Sprache der Diplomatie?
.
1Jünger,
Ernst, Der Arbeiter. Herrschaft und Gestalt, Erstausgabe 1932 ,
Kapitel 22, Auflage 1982, S.74.
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