Sonntag, 23. November 2014

Eine kleine Anfrage an die Moral-oder über einen subkutanen Text

Christa Meves: „Ic habe ein Problem“-Lebensfragen junger Menschen
Es geht mal wieder um die Sexualmorallehre

Frau Meves schreibt in ihrem Buch: „Ich habe ein Problem“1 unter der Überschrift:“Der einzelne und die Gruppe“ eine so tiefsinnige Geschichte, daß ich sie hier auszugsweise zitieren möchte. Da ist ein Oberflächentext, der sich dem Lesenden auf den ersten Blick erschließt und jedem Conservativen gefallen wird, eine heroische Geschichte vom Einzelnen, der es wagt, wider den Strom zu schwimmen, dafür mißachtet und gedemütigt zu werden von Allen, der aber doch daran festhält, daß er auf dem rechten Wege ist. Ja, gerade weil er dies gar nicht hervorhebt, sondern nur als das Opfer der Intoleranz der Anderen erscheint, gewinnt das Opfer die Sympathie der Leser. Es ist eine Geschichte von der Lebenskunst des Nein-Sagen Könnens in und wider die Fluten der Mitläufer.
Geben wir Frau Meves das Wort2: „Karsten ist mit einer Jugendgruppe in den Skiurlaub gefahren. Er kommt davon verstört zurück. Er kann nicht mehr schlafen, sich nicht mehr konzentrieren, möchte nur noch heulen.“ Der dramatische Auftakt-was war mit Karsten geschehen?. In der Sprechstunde enthüllt er sein Leiden:
Bereits am zweiten Tag [der Skifreizeit]hätten die meist 18-20 jährigen beiderlei Geschlechts beschlossen, sich gegenseitig in den Schlafräumen zu besuchen und Bett und Schlafsack miteinander zu teilen...Die meisten Mädchen seien damit einverstanden gewesen, und so hätte ein ziemlich geräuschvolles nächtliches Treiben begonnen. Karsten (Hervorbegung durch mich) hatte schon bei der anfänglichen Diskussion über diesen Punkt erklärt, daß er da nicht mitmachen würde. Er hätte eine andere Auffassung über Liebe und Sexualität,[...]“.Die Jungens wollten also...und die meisten Mädchen sagten dann: Ja-also die klassische Rollenverteilung des Mannes, der will und der Frau, die dann „nachgibt“. Aber da ist einer, der nicht mitschwimmt. Defensiv gestimmt kündigt er den Gruppenkonsens, der gerade idealtypisch „demokratisch“ erstellt worden ist-als hätten unsere Buben und Madels Habermas „herrschaftsfreien Diskurs zuvor studiert- es wurde diskutiert, argumentiert und basisdemokrstisch die Norm für das Wie des Mitinanderumgehens zwischen Frauen und Männern festgelegt. Er sagt nicht: was ihr da wollt, ist nicht in Ordnung-nur für mich ist es nicht.
Das reicht, um sich ihn in die Rolle des Außenseiters zu kapultieren.
Einer hatte erwidert, das sei dann eben sein Bier“ Das ist die praktiziere Toleranz Dissidenten gegenüber-aber eine seltene Praxis in von Menschen als wichtig angesehenen Fragen-nur in unwichtigen, uns unwichtig erscheinenden schätzen wir die Toleranz- aber: „Die anderen“ [das sind alle Anderen]hatten dazu gelacht und ein paar dreckige Bemerkungen gemacht.“ Das ist der Hordentrieb in Reinkuktur, das ist, daß der Herdeninstinkt jedes abweichende Verhalten als Gefährdung der Einheit der Herde wahrnimmt und so den Abweichler anfängt zu diskriminieren. Daran sehen wir schon, wie treffend Meves diese Geschichte mit dem Titel: „Der einzelne und die Gruppe“ überschrieben hat. Der Titel trifft hier des Pudels Kern!
Das Leiden des Außenseiters beginnt nun: „Aber es wäre ihm nicht möglich gewesen,in einer der folgenden Nächte auch nur ein Auge zuzutun.“
Der Außenseiter reagiert: „Eines Morgens habe er wütend gesagt, daß das doch so nicht weitergehe. Er wolle auch mal seine Ruhe haben.“
Die „Lösung“-die Geschichte spielt noch in den Zeiten des Glaubens an die Demokratie-daß alle vorgegebenen Ordnungen und Regeln im demokratischen Pro-und Contra-Argumentieren in Frage gestellt und durch neue Regeln ersetzbar seien, die sich dann durch ihr demokratisches Zustandegekommensein legitimierten-statt daß sie einfach autorotativ als ewige Norm proklamiert würden.
Die demokratische „Lösung“: „Die Gruppe hätte daraufhin beschlossen, nicht mehr im Jungenschlafraum, sondern den der Mädchen zum Treffpunkt zu machen. „damit Baby auch genug Schlaf bekommt.“, hatte es feixend geheißen. Seitdem sei er faktisch allein im Schlafraum zurückgeblieben und auch sonst in eine verhöhnte Isolation gefallen.“
Das ist wahrlich eine Geschichte wahren Bekennertums-da tritt jemand-auch wenn er es nicht explizite ausdrückt-aber der kundige Leser weiß es sofort-für die christliche Sexualmorallehre ein und wird darum von den Weltkindern verachtet-denn er lebt nicht so wie sie, denn er ist nicht aus der Welt wie sie. Und damit wäre diese Geschichte doch schon zu Ende erzählt-fast eine Märtyrergeschichte,
Nur eines-eine kleine Störung-eine Erinnerung aus meinem Leben: da sitzen Männer und Frauen,jüngere beisammen im Jugendtreff-alle rauchen. Da sagt ein Bub: mich stört das Rauchen! Betretendes Schweigen...bis einer sagt: „Da gibt es nen Nebenraum.da kannst du ungestört vom Tabakqualm deinen Kaffee trinken.“ Der empfindsame Nichtraucher saß dann-allein-ganz allein-im separierten Nichtraucherzimmer. Das hielt er nicht lange aus, er kam zurück und setzte sich wieder zu den rauchenden Freunden. Es ist wohl eine bittere Lebenswahrheit: will ich mit Anderen zusammenleben,muß ich auch Zugeständnisse und Abstriche machen: ich kann nicht von allen verlangen, daß sie auf ihren Tabakgenuß verzichten, bloß weil es mich stört. Und wenn mir der Tabakqualm wirklich so zuwider ist, dann muß ich eben auf die Geselligkeit mit Rauchern verzichten-denn nur allein kann ich leben, wie ich es möchte.
Aber in Christa Meves Erzählung geht es ja um etwas anderes: daß nämlich der Dissident im moralischen Recht ist, weil er Nein zur vorehelichen Liebe und dem voreheliche Sex sagt und daß es bewunderswert ist, daß er an seinem Glauben festhält, der der wahre ist. Trotz der Verachtung der Welt bewahrt er seinen wahren Glauben!. Denn wenn es nur um Karstens subjektive Abneigung gegen die auf dieser Freizeit praktizierten Liebe ginge, dann dürfte er sich doch über die „demokratische“ Lösung nicht mokieren: er kann schlafen, wie er es möchte und alle anderen schlafen -Beischlaf praktizierend-wie sie es möchten. Und er ist isoliert, weil nur er „allein“schlafen möchte und so schläft er dann auch „allein“ im Jungenschlafsaal.

Aber eine kleine Dissonanz bleibt doch: wenn ich so ganz anders leben will als alle anderen, darf ich mich da wundern, wenn die anderen dann auch nicht mehr mit mir zusammenleben wollen? Ist es nicht das Schicksal aller Karstens, als Dissidenten und Steppenwölfe-außerhalb der Herde leben zu müssen, den Massen der Ja-Sager und Mitläufer? Darf man sich darüber beklagen?

Jetzt lesen wir: „Auf der Rückfahrt in der Bahn hätte schließlich auch keins der Mädchen mehr ein Wort mit ihm [dem Dissidenten]gesprochen.“ Seltsam-als ich diesen Satz zum ersten male las, stockte ich-las ihn noch mal und noch mal-immer irritierter werdend...Das gibt es nicht: ein Bub, ein junger Mann, der Nein! sagt, ich will nicht mit Madels intim sein, den ziehen junge Frauen an wie das Kerzenlicht die Motten! Ob frau den nicht erobern und verführen kann? Ja, die Männer, die mit jeder ins Bett gehen, die ...aber so einer, der Nein sagt-Frauen „erobern“ anders als Männer- aber auch sie wissen zu „verführen“! Und keine wollte es mit ihm versuchen? Das kann ich mir nicht vorstellen!
Ein Verdacht entsteht in mir und ich lese die Geschichte noch einmal! Ich zitiere jetzt den Nebensatz,den ich bisher ausgelassen habe, der, der diese ganze Geschichte zum Einstürzen bringt! Oder zeitgenössischer, den Text dekonstruiert und uns eine ganz andere Geschichte erzählt, den subkutanen Text unter dem Oberflächentext!
er hätte auch keine Freundin unter den Mädchen dieser Gruppe.“ (hervorgehoben von mir).
Jeder junge Mann dieser Freizeit hatte ein Madel für die intimen Liebesnächte und jedes Madel einen Buben für die nächtliche Liebe-nur Einer nicht. „Dich will ich nicht!“ sagte zu ihm jede der jungen Frauen. Keine wollte ihn!
Wir denken jetzt an die Klugheit des Fuches: da sitzt er unter dem Kirschbaum, lieblich leuchten die süßen Kirchen, eine appetitlicher als die andere und die Vögel des Himmels delektieren sich an ihnen-nur für den Fuchs hängen die Früchte zu hoch-viel zu hoch-unerreichbar hoch. Da wendet er sich ab zum Fallobst, das da unter dem Baum herumliegt, faulig und angebissen und er ruft aus: Das sind die wahren Genüsse des Lebens-das faulige Fallobst! Plumper Selbstbetrug-oder die Kunst, mit dem, was man erreichen kann, sich zufrieden zu geben:
Hat Karsten von der Klugheit der Füchse gelernt: ich mag die süßen Trauben nicht-ich habe andere Vorstellungen vom Essen-ich bevorzuge das Fallobst?
Die schöne Moral gerät so unter einen Generalverdacht: es ist die (Sexual)Moral der Ewig.Zukurzkommer! Weil keine junge Frau mit ihm wollte, betrügt er sich selbst mit der Moral: ich habe eine moralische Vorstellung von der Liebe -und deshalb will ich gar nicht eine Frau so wie es jetzt hier all die anderen Männer wollen! Boshaft polemisch überspitzt: die einen Männer liebten in der Nacht ihr Madel und Karsten nahm die Moral unter seine Bettdecke. Und auf der Heimfahrt: noch immer wollte kein Mädchen ihn: „Du nicht!“ Das schmerzt-das ist eine schwere Wunde-und der Text erzählt von dieser Herzensverwundung Karstens: „Er kann nicht mehr schlafen, sich nicht mehr konzentrieren, möchte immerzu heulen“. Das „geräuschvolle Treiben“ jener Liebesnächte der Freizeit in den Ohren-jede Nacht nach dieser Freizeit -und er allein mit seiner Moral- jede Nacht. So wird der Text plötzlich-ganz gegen die Intention der Verfasserin zu einer ganz anderen Geschichte: der eines Außenseiters, des „Schmuddelkindes der Klasse, mit dem Niemand will, der sich dann mit der „Moral“ des: ich mag die süßen Trauben ja gar nicht-sie schmecken mir nicht.hinwegzutäuschen versucht und der doch daran scheitert-Nacht für Nacht, in denen auch er von den süßen aber für ihn zu hohen Kirschen träumt.

Und so enthüllt un+ dieser von Frau Meve+ gescriebene Text-fast wie eine freudsce Fehlleistung- eine Gescicte, die ganz und gar der Intention der Autorin zuwiderläuft, al+ Wahrheit dieser Gescicte unterhalb de+ Oberfläcentexte+! Und dieser Tiefentext ist gerade für un+ Conservative auc eine wirklice Anfrage: könnte die cristlice Moral nict auc mißbraucbar sein-oder enthält sie vielleict gar Aussagen, die denen de+ Fuce+ gleicen: weil ic die Kirscen nict bekommen kann, de+halb erkläre ic sie für unmoralisc? Ist da+ nict auc die Anfrage Nietzsce+ an un+ Christen, an unsere Moral, daß sie nur der Vertröstung der „Verlierer“ dient? Man mace e+ sic hier nict zu leict mit dem Nein-Sagen. Gersade weil die hier von Frau Meve+ so gut erzählte Gescicte -gegen ihre Intention-diese bittere Wahrheit selbst au+sprict, sprict da+ für die Wahrheit dieser Anfrage,
So haben wir jetzt ein Problrem mit Frau Meve+!
1Meves, Christa, Ich habe ein Problem. Lebensfragen junger Menschen,1978.

2Meves, Christa, a.a.O. S.25.

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