Wo
sind Himmel und Hölle?
Naturwissenschaft und Glaube-oder widerspricht Mariae Himmelfahrt dem modernen Weltbild?
Wer hat das noch nicht am
Festtage der Feier Mariä Himmelfahrt erlebt, daß der Prediger sich
weit und breit dafür entschuldigt, daß in Zeiten der Ökomene die
Aufnahme Mariä noch in der Katholischen Kirche gefeiert würde.Sei
das nicht ein Affront gegen unsere protestantischen Mitchristen? Und
subkutan klingt da noch mit Nietzsches Aufruf zur Treue zur Erde,
Heinrich Heines Votum, den Himmel überlassen wir den Spatzen und
überhaupt: ist nicht der Himmel als Vorstellung eines Ortes, wo Gott
samt den Engeln und Heiligen thront tiefstes Mittelalter. Mariä
leibliche Aufnahme in den Himmel, das hieße dann, zeitgeistgemäß
übersetzt, daß Gott den ganzen Menschen in seiner Einheit von Leib
und Seele bejahe. Das und nur das besage auch dies Fest der Aufnahme
Mariä in den Himmel und diese Umformung wäre auch für
protestantische Ohren zumutbar, alles andere tiefstes Mittelalter.
Daß Kopernikus das
Mittelalter mit seiner Vorstellung von der Erde als Scheibe,
dadrunter die Hölle und dadrüber der Himmel und somit auch die
christliche Vorstellung von Himmel- und Höllenfahrt ein für alle
mal erledigt hätte, das wußte schon A. Rosenberg in seinem „Mythos
des 20. Jahrhunderts“ zu verkünden: „Noch immer aber haben es
Millionen nicht begriffen,daß Kopernikus, der am die Stelle des
statischen Weltbildes von der unbeweglichen Erdenscheibe mit dem
Himmel oben und der Hölle unten das dynamische der ewig kreisenden
der Sonnensysteme setzte, unsere gesamte kirchliche
Zwangsglaubenlehre restlos überwunden, ein für allemal erledigt
hat.“1
Viele stimmen heuer dem zu selbst in der Kirche. Es sei hier als
Extrembeispiel des Jesuiten Lenaers erinnert, der sogar neben den
Glauben an Himmel und Hölle den Glauben an einen welttranszenden
Gott verwirft, weil es für ihn nach Kopernikus nur ein Universum
gibt, außer dem nichts ist, so daß es keinen Gott über uns und
keine Hölle unter uns geben könnte. Ist Gott aber nur in der Welt,
dann liegt es nahe, Gott pantheistisch aufzulösen.Das Werk dieses
Jesuiten, „Der Traum des Nebukadnezars“ in der Intention, das
Mittelalter in der Kirche zu überwinden, kommt dem dann auch
erschreckend nahe.
Der schlichten Parole,
die Kirche dürfe nicht etwas als verbindliche Lehre erklären, was
den Erkenntnissen der Naturwissenschaft widerspräche, ist aber nicht
zu widersprechen: nach katholischem Verständnis kann keine Wahrheit
des Glaubens Ergebnissen der Naturwissenschaft widersprechen. Wenn
sie ortslos wären in der von Gott geschaffenen Welt, dann könnten
sie nicht weiter Bestandteil des Glaubens sein. Wo sind Himmel und
Hölle, wenn das nicht einfach nur Symbole für positive oder
negative Erfahrungen des Erdendaseins sein sollen? Wo wurde Maria
aufgenommen, wenn sie in den Himmel aufgenommen wurde? Der
Katechismus weiß darauf nur zweierlei zu respondieren: der Himmel
sei der Ort Gottes und der geistigen Geschöpfe bezeichne die
endzeitliche Herrlichkeit.2Von
der Hölle heißt es: daß die Hölle den Zustand der endgültigen
Selbstausschließung von der Gemeinschaft mit Gott meint.3
Himmel und Hölle werden so reduziert auf eine bloße Relationsgröße,
bei oder entfernt sein von Gott, ohne zu fragen, ob nicht die
Vorstellung von einem Bei-oder Abgesondertsein von Gott notwendig die
Vorstellung eines Selbststandes des Menschen präsumiert, der nah
oder fern von Gott ist und um dieses Seins willen ein Sein eines
Raumes präsumiert, damit eine Relation zu Gott sein kann. Aber die
Glaubenswahrheit der leiblichen Auferstehung verlangt, daß die
Vorstellung einer Relation Gottes zum Menschen auch im ewigen Leben
eine räumliche Dimension besitzt, denn Körprerlichkeit verlangt
nach Räumlichkeit.
Wir könnten es uns
einfach machen, und Himmel und Hölle einfach reduzieren auf die
Vorstellung von: einem In -Gott-Sein oder Getrennt-von Gott-Sein.
Aber damit reprodiziert sich von selbst wieder die Vorstellung des
Raumes als des Ermöglichungsgrundes von einer solchen Relation.Würde
von Maria gelehrt, daß sie, wie alle Menschen gestorben wäre, so
daß nur ihr Leib begraben, ihre Seele aber zu Gott aufgenommen
worden wäre, dann könnte man sich eine Relation ihrer Seele zu Gott
raumlos vorstellen, aber ob ihrer leiblichen Auferstehung verbietet
sich dies.
Alle biblischen
Vorstellungen von einem himmlischen Gottesdienst, dessen Abbild der
irdische ist, gar die Vorstellung von einem himmlischen Gastmahl
inkludieren die Vorstellung einer Raümlichkeit des Himmels- keine
Auflösung in einem In -Gott- Sein, wie etwa ein Regentropfen aufgeht
in einem Meer.
Könnte es für uns nach
Kopernikus noch eine Möglichkeit geben, Himmel und Hölle als etwas
Räumliches zu denken, wobei dieser Raum nicht ein Element des uns
bekannten Raumes, des Kosmos wäre?
Da menschliche
Vorstellungen sehr zeitgeistbedingt sind, soll hier nun eine Anleihe
in einer Wissenschaft gesucht werden, die im Rufe steht im Vergleich
zu anderen, ewigen Wahrheiten näher als andere Wissenschaften zu
kommen: die Mathematik. Zwei parallele unbegrenzte Linien haben
keinen gemeinsamen Schnittpunkt, obgleich sie Element einer
unbegrenzt großen Fläche sein können.So können auch zwei
unendlich große Flächen parallel zueinander in einem Raum sein.ohne
gemeinsame Elemente. Was für eindimenmsionale Gebilde in einer
zweidimensionalen Fläche, was für zweidimensionale Flächen in
einem dreidimensionalen Raum gilt, das gilt ebenso für zwei
dreidimensionale unendlich große Räume in einem „Hyperraum“: in
ihm lägen zwei dreidimensionale unendliche Räume so parallel zu
einander, daß sie keinen gemeinsamen Punkt aufwiesen. Räume sind
als von Gott geschaffene Ermöglichungsbedingungen eines Miteinanders
von Geschöpfen zu denken, die auch ein Zusammensein mit dem
Schöpfergott ermöglichen. Weil Gott Menschen und Engel schuf als
von ihm verschiedene Wesen und die Beziehung Gottes zu ihnen ihr
kreatürliches Sein nicht einfach nichtet, ist die Vorstellung eines
Raumes adäquat , damit darin eine Geschichte einer Beziehung von
Gott und seinen Geschöpfen möglich ist.
Die Frage, wo ist dann
„oben“ und wo ist dann „unten“, ließe sich mit diesem der
Mathematik entnommenen Gedanken dann beantworten: es ist ein von dem
uns bekannten Raum abgetrennter Raum, der uns nicht zugänglich ist,
weil die Räume von Himmel und Erde und Hölle durch ihr Sein in dem
übergeordeneten Hyperraum getrennt voneinander sind.
Man mag auf solche
Vorstellungen verzichten, weil sie einem zu spekultiv klingen. Aber
bevor man sich dafür entscheidet, muß konzidiert werden, daß
religiöse Vorstellungen, etwa von einem jenseitigen Himmel und einer
unterirdischen Hölle verblassen und aus dem religiösen Bewußtsein
verschwinden,wenn man sich bei diesen Vorstellungen nichts mehr
denken kann. Wenn sie einmal an die anschauliche Vorstellung vom
überirdischen Himmel und der unterirdischen Hölle verbunden waren,
wobei der Stand der Erde oben von unten unterschied und das geht nur,
wenn die Erde als Scheibe vorgestellt wird- für eine Kugel gibt es
kein „Oben“ und „Unten“- dann muß der Gedanke eines Himmels
und einer Hölle von dieser Anschauung emanzipiert werden, will man
nicht dem heutigen Christen zumuten, in seinem religiösen Denken vor
Kopernikus zu leben oder aber diesen ganzen Vorstellungskomplex
aufzugeben.
Nur, was bleibt dann? Wer
aufmerksam heutigen Beerdigungsansprachen zuhört, wird auffallen,
daß das Gerede vom: „Nun ruht der Verstorbene im ewigen Frieden
Gottes“ und seiner unendlich vielen Variationen kaum noch
unterscheidbar ist von der Aussage, daß der Verstorbene einfach tot
in der Erde liegt im Sinne von Epikur, daß mein Tod nie sein kann,
weil wenn ich bin, mein Tod nicht ist und wenn mein Tod ist, ich
nicht bin, sodaß mein Tod nie eintreten kann. Daß das Leben nach
dem Tode das wahre ist, zu dem sich unser irdisches höchstens wie
ein Vorspiel verhält, davon ist nichts mehr zu hören. Das wahre und
eigentliche ist uns das Erdendasein geworden, als wären wir alle
Nietzschejünger , und daß danach: nur noch ein blasses : In-
Gott-Ruhen,von einem bloßen Nichtsein kaum unterscheidbar.
Wie anders denkt und
glaubt die Kirche, wenn sie Mariä leibliche Aufnahne in den Himmel
lehrt. Für sie endet das Leben nicht mit dieser Aufnahme in den
Himmel, es ist nicht der wohlgeformte Endpunkt eines Gott
wohlgefälligen Lebens sondern der Anfang ihrer Regentschaft im
Himmel.Sie wird zur Königin des Himmels und somit auch der Erde. Es
ist ein arger Mißbrauch der Intention der Ökomene, wenn unter ihrer
Flagge vermeintlich Unzeitgemäßes um des Wohlwollens der
Protestanten willen aus der Lehre der Kirche entfernt wird.
Für Rosenberg und viele
andere ist das ganz einfach: Im Mittelalter und davor hatten die
Menschen primitive Vorstellungen von Erde, Himmel und Hölle.
Genußvoll weißt Rosenberg darauf hin, daß so mancher an den
Konzilien und den dortigen Entscheidungen, den Dogmen Beteiligter
nicht mal lesen und schreiben konnte, um die Unzeitgemäßheit dieser
Dogmen herauszustreichen. Die Sachgemäßheit der Dogmen immer wieder
aufs neue zu ergründen und zur Anschauung zu bringen, ist so eine
bleibende Aufgabe der Theologie. Gelingt das nicht, dann darf man
sich nicht wundern, daß immer mehr Teile des Glaubensgutes des
Kirche erst zu unverstandenen Formeln werden, die dann Schritt für
Schritt aus dem Glaubensbewußtsein verschwinden. Erst so werden sie
dann zu leichten Opfern der Reformer: nicht mehr zeitgemäß!
.
Uwe C. Lay
1Rosenberg,
S. 133.
2Katechismus
Nr. 326.
3Katechismus
Nr. 1033.
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