Gott
ist die Liebe-der Untergang der Religion?
Über
ein gravierendes Mißverständnis einiger modernistiscer
Theologieansätze
Liebe, was ist das? „Das
Wort „Liebe“ ist im Laufe seiner Geschichte entsetzlich
mißbraucht, verflacht und inflationär entwertet worden. Aber es
gibt kein besseres Wort für den biblischen Gott.“urteilt Menke.1
Was sollen wir nun unter der Aussage, Gott ist die Liebe, nach Menke
verstehen? Liebe bedeutet in der Bibel: „die unbedingte Anerkennung
des Anderen.“2
Für den Menschen heißt dies die Erfahrung des unbedingten
Geliebtwerdens durch Gott: „Ignatius erfährt eine ungeheure
Befreiung, weil er sich unbedingt (ohne Bedingung oder Voraussetzung)
geliebt weiß.“3
Der Mensch Jesus ist der, dem der trinitarische Gott die unbedingte
Anerkennung des Anderen als des Anderen mitgeteilt hat und der diese
unbedingte Liebe nun selbst weitervermittelt.4
Warum sich mit dieser auf
den ersten Blick recht eigenwillig daherkommenden Definition von der
Liebe Gottes beschäftigen? wird jetzt so mancher Leser sich nicht zu
Unrecht fragen. Zumal dieses Verständnis von der Liebe Gottes in der
heutigen Zeit nicht singulär ist. So kann P. Platzbecker Gottes
Offenbarung so bestimmen: „Offenbarung aber, so wurde oben
ausgeführt, ist notwendig ein Geschehen. Sofern in jedem Geschehen
unbedingter Liebe der Liebende selbst und als er selbst anwesend ist
und in seinem unbedingten Entschluss für den anderen nicht
irgendetwas, sondern eben sich selbst ihm mitteilt, kann man ein
solches Geschehen als Selbtoffenbarung charakterisieren,
sind Subjekt und Inhalt der Mitteilung identisch.“5
Triumphierend konstatiertPlatzbecker: „Damit ist das traditionell-
instruktionstheoretische Offenbarungsmodell schon im Ansatz
überwunden.“6
Weil Gott die Liebe ist, die unbedingt den Menschen als Menschen (das
Andere von Gott) anerkennt und Gottes Offenbarung und Offenbaren nur
dies zum Inhalt hat, daß Gott die den Menschen unbedingt Anerkennung
ist, hat die Offenbarung Gottes keinen anderen
Inhalt
als den der unbedingten Anerkennung als Liebe. Mit dieser anfänglich
so harmlos daherkommenden Definition der Liebe Gottes soll somit die
gesamte vorkonziliare Theologie, die Gottes Offenbaren als
Offenbarung von übernatürlichen Wahrheiten verstand, eskamotiert
werdenzugunsten eines psychologisch fundierten
Offenbarungsverständnisses: was Erikson noch unter dem Begriff des
Urvertrauens explizierte wird hier im Gewande moderner
Intersubjektivitätsphilosophie als die wechselseitige unbedingte
Anerkennung des Anderen als Anderen expliziert. Unter dem Terminus
der Anerkennung des Anderen als Anderen ist dabei zu verstehen, daß
damit ausgeschlossen werden soll, daß der Mitmensch nur dann
anzuerkennen ist, wenn er sich dem,Anerkennenden anähnelt, wenn er
ihm zum Bruder wird; nein, er soll, so wie er ist ohne einen Aufruf
zur Veränderung und Umkehr gerade in seiner Differenz zum
Anerkennenden bejaht werden. Gott erkennt jeden Menschen so an, wie
er ist und diese Anerkennung gilt dem Menschen objektiv, unabhängig
davon, wie er sich selbst noch einmal kontingent zu ihr verhält.
Und
spätestens jetzt gilt es, aufzumerken: nicht nur wird so das
traditionelle Offenbarungsverständnis eskamotiert, daß Gott
übernatürliche Wahrheiten offenbart und nicht nurdie Erkenntnis
Gottes sondern auch den ordo salutis als etwas von der
Gotteserkenntnis Verschiedenes, sondern nun wird auch die gesamte
katholische Gnadenlehre liquidiert! Es ist kein Zufall, daß Menke
gleich nach seiner Ignatiusinterpretation auf M.Luther verweist, um
die prinzipielle Gleichheit beider in ihrer Erfahrung der unbedingten
Liebe Gottes zu betonen!7
Es
soll nun im folgenden die Verdachtsthese expliziert werden, daß
faktisch unabhängig von den offiziellem Dialog zwischen der
Katholischen Kirche und dem Protestantismus über die Frage eines
Konsenses in der Frage der umstrittenen Rechtfertigungslehre, es
jetzt eine ökumenische Einheitsrechtfertigungslehre gibt, deren
Zentralbegriff (in unendlichen Variationen dargereicht) derder
unbedingten Anerkennung des Anderen ist, traditioneller formuliert,
der Begriff der unbedingten Liebe. Dieser Begriff wird weder der
Katholischen noch der Reformatorischen Lehre gerecht und ist
eigentlich als radical naturalistischer Pelagianismus zu begreifen.
Und diese fatale Verständnis der Liebe Gottes destruiert die
christliche Religion vollkommen, indem de facto ein dem Menschen
gleichgültig gegenüberstehender Gott verkündigt wird. Anders
gesagt: in diesem Verständnis triumphiert der Indifferentismus, der
Glaube an die Gleich-Gültigkeit aller Religion. Selbstredend hat das
Folgen für die Liturgie: einem gleichgültigen Gott kann kein
Gottesdienst gefeiert werden und das hat zur Konsequenz, daß der
gottesdienstliche Kult zu einer bloßen Veranstaltung zugunsten der
Gemeinde wird und er seines theozentrischen Gehaltes so beraubt wird.
Wird aber die Hl. Messe anthropzentristisch verstanden, ist es
gleichgültig, ob die alte oder die neue Messe gefeiert wird, wenn
nur noch gefragt wird, in welcher man sich besser fühle, sich besser
einbringen könne etc.
Aber langsam,
Schritt für Schritt.
Im katholischen
Gesangbuch, Gottesdienst des Jahres 1950 war noch unter der
Überschrift: „Grund-
wahrheiten
unseres Glaubens“ als vierte und fünfte zu lesen: „Gott belohnt
das Gute und bestraft das Böse. Ewige Seligkeit oder ewige
Verdammnis wird das endgültige Geschick der unsterblichen Seele
sein.“8
Wie verhalten sich nun diese zwei letzten Grundwahrheiten des
Katholischen Glaubens zur Vorstellung, daß Gott den Menschen
unbedingt liebt? Es fällt auf, daß im jetzt gültigen Katechismus
in der Explikation der Aussage: „Gott ist Liebe“ die
Näherbestimmung dergöttlichen Liebe als „unbedingte“ nicht
anzutreffen ist.9
Auch findet sich diese Näherbestimmung in keinem der im DH
aufgeführten verbindlichen Texte der Kirche. Nicht, die Aussage, daß
Gott die Liebe ist, ist etwas Neues, oder wieder neu Entdecktes,
sondern die Bestimmung als unbedingte Liebe ist das Problematische.
Kann
von einer unbedingten Liebe noch prädiziert werden, daß sie das
Gute belohnt und das Böse bestraft? Zu fokusieren ist dabei diese
Frage auf dieses Problem: kann von Gott als unbedingte Liebe noch
ausgesagt werden, daß er den Sünder bestraft? Wenn Liebe zu einem
Menschen ein ihn bestrafen nicht grundsätzlich ausschließt, denn es
wird wohl niemand behaupten wollen, daß jedeelterliche Strafe dem
Kinde gegenüber unvereinbar sei mit ihrer Liebe zum eigen Kind, so
schließt eine unbedingte Liebe die ewige Bestrafung aus. Man kann
nicht sagen, daß Gott den ewig Verurteilten liebt und ihn doch ewig
vom Reich Gottes ausschließt. In der Aussage, daß Gott unbedingt
liebt, ist somit eine Tendenz zur Allversöhnung mitgesetzt. Eine
Liebe, die differenziert zwischen gut und böse und den Guten mit dem
ewigen Leben und den Bösen mit der ewigen Bestrafung belohnt ist
somit durch die Qualifizierung der Liebe als unbe-dingte
ausgeschlossen. Ihre Unbedingtheit verbietet so eine Differenz und
somit wird es fragwürdig,ob, wenn Liebe und Strafe sich nicht
wechselseitig ausschließen, die unbedingte Liebe noch diese
Differenzierung zuläßt, daß Gottes Liebe das Gute belohnt und das
Böse bestraft.
Lassen
wir uns zur Veranschaulichung einen (wie immer hinkenden) Vergleich
wagen: Gott liebt wie die Sonne ihr Licht ausstrahlt. Das Unbedingte
der Liebe wäre dann, daß die Liebe Gottes sichüber alle Menschen
ausgösse wie das Sonnenlicht über alle Menschen. Licht und Liebe
machten keinen Unterschied zwischen guten und bösen Menschen. Das
göttliche Licht gibt jedem Liebe, unabhängig davon, wie er sich zur
Liebe Gottes verhält. Dieser so gedachten göttlichen Liebe wohnt so
ein Indifferentismus inne.
Traditionell
wird der Gedanke Gottes inertrinitarisch gedeutet als das
Selbstverhältnis Gottes und in der ökonomischen Trinität als der
universale Heilswille Gottes. Gottes Liebe zu den Menschen ist, daß
er das Heil aller will als Partizipation der Menschen an der Liebe
Gottes. Der universale Heilswille schließt die Setzung von
Konditionen, welche Bedingungen muß ein Mensch erfüllen,(unabhängig
davon, ob er selbst als Hervorbringer dieser Konditionen beansprucht
wird oder ob sie als Gnadengaben Gottes expliziert werden), nicht
aus, sondern ein: Gottes Liebe äußert sich gerade in dem Offenbaren
des Weges zum Heil, auf dem der Mensch sein Ziel erreichen kann. Der
Ordo Salutis ist so gelesen integraler Bestandteil der göttlichen
Gnadenoffenbarung im Kontrast zum Verständnis der Offenbarung als
reiner Selbstoffenbarung Gottes, in der Gott sich selbst nur noch als
die Liebe offenbart und heilsgenügsam selbst vermittelt.
Die
Ablehnung des instruktionstheoretischen Offenbarungsverständnisses
verbunden mit der These,daß Gott sich selbst als unbedingte Liebe
dem Empfänger der Offenbarung vermittelt, läßt so
die
Offenbarungslehre und die Soteriologie in einsfallen. Die Lehre von
der unbedingten göttlichen Liebe, die sich im Offenbarungsgeschehen
selbst vermittelt macht so jede Soteriologie als selbstständige
Disziplin überflüssig. Den Prototyp dieser Konzeption ist in Karl
Barths heilsobjektivistischen Kirchlichen Dogmatik entfaltet und hat
von dort aus verhängnisvoll in die Katholische Theologie eingewirkt.
Gaudium
et spes sagt in verdächtiger Nähe zur Allversöhnung: Denn er, der
Sohn Gottes, hat sich in seiner Fleischwerdung gewissermaßen mit
jedem Menschen vereinigt.“10Papst
Johannes Paul II in seiner Weihnachtsansprache vom 22.Dez. 1986
führte das so aus: Christus „habe sich in seinerMenschwerdung
gewissermaßen mit jedem Menschen vereinigt, auch wenn dieser sich
dessen nicht bewußt ist.“11
Papst Johannes XXIII hatte gesagt: „Alle Menschen, die geboren
werden, sind auch ihrerseits durch das Blut Christi erlöst.“12
Treffend kommentiert dies Barth: „Jegliche Differenzierung zwischen
Suffizienz und Effizienz, zwischen Angebot und Wirksamkeit der
Erlösung für den einzelnen Menschen unterbleibt hier.“13
Bei
Karl Rahner liest sich das so: „Dadurch, dass das Wort Gottes
Mensch geworden ist, ist realontologisch die Menschheit auch schon im
voraus zur faktisch gnadenhaften Heiligung der einzelnen Menschen,
zum Volk der Kinder Gottes geworden.“14
Hier soll nun nicht diese Aussage von Gaudium et spes und ihre
Rezeptionsgeschichte diskutiert werden, sondern es soll sich
fokusiert werden auf das Gemeinsame des Theologumenas einer
unbedingten Liebe Gottes und der Vorstellung einer objektiv schon in
Christus geschehenen Versöhnung des Menschen. Barth führt als Folge
eines objektivistisch verstandenen Heiles: „Missionsarbeit heißt
daher im wesentlichen, die Tatsache des Erlöstseins den Menschen
bewußt zu machen, nicht etwa sie überhaupt erst zu ihrem Heil zu
führen.“15
Das gilt aber für das gesamte Tun der Kirche: Sie vermittelt kein
Heil, sondern sie stellt nur da, was objektiv allen gilt, das Heil
für alle. Nicht vereinzelte Stimmen sondern dem Eindrucke nach, ein
ganzes Herr von Theologen scheint auf den Pfaden der
Allversöhnungslehre zu wandeln und kommen ihr dabei bedenklich nahe.
Das
Theorem der unbedingten Liebe, bzw. unbedingten Anerkennung des
Anderen als Anderen ist so gelesen die einfachste Fassung eines
reinen Heilsobjektivismuses, die die Notwendung jeder Art von
Vermittlung des Heiles durch Wort und Sakrament ausschließt. Denn
auch ein Nichtwissen um das objektive Heil schließt nicht von diesem
Heile aus: der Unwissende weiß eben nicht, daß erschon längst
erlöst ist.
Platon
eruiert drei Bedingungen für eine lebendige Religion. Es muß
geglaubt werden, daß Gott ist,daß er nicht indifferent sich zu den
Menschen verhält und daß es nicht leicht ist, die Gunst Gottes für
sich zu gewinnen16.
Offenkundig sagt hiermit der Philosoph das, was einst ein
Katholisches Gesangbuch als sie Grundwahrheiten des Glaubens
beurteilte. Wenn Gott vorgestellt wird als unbedingt Liebender, dann
ist es dem Menschen gar nicht mehr möglich, Gottes Gunst zu
verlieren.Gilt, daß Gott jeden Menschen unbedingt liebt, kann nicht
ausgesagt werden, daß ein Mensch, wenn er eine bestimmte Bedingung
erfüllt, nicht mehr von Gott geliebt wird.
In
den „Betrachtungen über die Todsünde“ in dem mariologischen
Erbauungsbuch: „Maria, meineZuflucht“ hieß es 1919 noch: „Arme
Seele, weißt du es denn nicht, wer nun dein Feind ist? -Gott selber!
Weißt du, wessen Kind du nun bist?- Des Teufels.“17
Hier hat die Todsünde reale Folgen fürdas Gottesverhältnis, weil
das Verhalten Gottes zu den Menschen kein unbedingtes ist, sondern
eines, das kontingent auf das Verhalten des Menschen reagieren kann.
Unbedingte Liebe heißt dagegen, daß die Liebe Gottes zum Menschen
sich indifferent zum Verhalten des Menschen zur unbedingten Liebe
Gottes sich verhält. Der Mensch kann sündigen so viel er will, nie
hört er auf, nie kann er aufhören, das Objekt der göttlichen Liebe
zu sein. Der Katholische Katechismus sagt noch aus: „Wir können
nicht mit Gott vereint werden, wenn wir uns nicht freiwillig dazu
entscheiden, ihn zu lieben.“18
Genau diese Notwendigkeit der freien Annahme der Liebe Gottes wird
bestritten in dem Heilsobjektivismus. Wenn es aber gar nicht mehr
vorstellbar ist, daß der Mensch Gottes Liebe verlieren kann, dann
ist die Aussage, Gott ist die unbedingte Liebe nicht mehr von einem
indifferent sich den Menschen gegenüber verhaltenen Gott
unterscheidbar. Denn es gilt nun: Gott liebt immer, egal wie der
Mensch sich verhält,ob er gut oder böse lebt. So verrückt es
klingt: aber das Urteil: ist kein Gott, ist Alles erlaubt und das
Urteil: Gott ist die unbedingte Liebe,deshalb ist Alles erlaubt,
führen beide in den selben Abgrund des Nihilismuses! Und ein solcher
Nihilismus ist das Ende jeder Religion.
H.-L.Barth
beschreibt in seinem Papstbuch Johannes Paul II die Negativfolgen
dieser Tendenz zur Allerlösungslehre im Pontifikat dieses Papstes.19
Daß der theologische Hintergrund des interreligiösen Dialoges mit
seinem Höhepunkt, dem Treffen zu Assisi eine Neigung zu einer
Allerlösungslehre ist, ist unbestreitbar20
Aus dem: kein Heil außerhalb der Kirche wird zusehens die Meinung,
daß alle Religionen Wege zum Heil sind. Kardinal Ratzinger
konstatierte schon 1966:„Was die großen Missionare zu Beginn der
Neuzeit in die Welt hinausgetrieben hat und sie mit heiliger Unruhe
erfüllte, war das Bewußtsein, daß nur in Christus Heil ist und daß
die unermeßlichen Millionen von Menschen, die plötzlich vor dem
Horizont aus unbekannten Welten aufgetaucht waren, rettungslos ewigem
Verderben preisgegeben seien ohne die Botschaft, die als ein heiliges
Muß auf den Gläubigen lastet... Inzwischen hat sich immer mehr eine
Vorstellung durchgesetzt, die vordem nur als seltene Ausnahme
angesehen worden war, daß nämlich Gott außerhalb der Kirche,
wenngleich nicht letztlich ohne sie, retten will und kann. Dazu wird
neuerdings ein optimistisches Verständnis der Weltreligionen
vorgetragen, dessen Betrachtung freilich wieder einmal deutlich
machen kann, daß nicht alle Lieblingsgedanken der modernen Theologie
auch biblisch geprägt sind.“21
Exemplarisch sei dies an Schlettes Verhältnisbestimmungder
Religionen zur Katholischen Kirche veranschaulicht: „Wenn die
Religionen die Heilswege der allgemeinen Heilsgeschichte sind, dann
sind sie die allgemeinen Heilswege, und wenn gegenüber der
allgemeinen Heilsgeschichte die Kirche -wie wir sahen- als specialis
dispositio auf der Seite der speziellen Heilsgeschichte steht, dann
darf man den Weg der Religionen als den ordentlichen und den
Weg der Kirche als den außerordentlichen Heilsweg
bezeichnen.“22
Hier wird nicht nur die Gleichwertigkeit aller nichtchristlichen
Religionen mit der Kirche doziert, sondern den nichtchristlichen
Religionen sogar das Privilegium zugesprochen, der von Gott gewollte
ordentliche Heilsweg zu sein. Jede Religion kann ihren Anhängern
Heil vermitteln und so ist die Kirche streng genommen für das Heil
der Menschen überflüssig.
Es
führen also verschiedene Wege zur modernistischen Vorliebe zur
Allversöhnung. Bekannt ist der der Nivilierung aller Religionen im
religiösen Indifferentismus. Alle Religionen sind Wege in den
Himmel, wäre die Parole dieser religiösen Nivilierung. Den
Hintergrund bildet die Spannungzwischen dem Heilsuniversalismus
Gottes und die Partikularität der wahren Religion. Diese Spannung,
daß Gott das Heil aller will, daß aber nicht alle Glieder der
wahren Kirche sind, soll entspannt werden durch die These, daß
faktisch jede Religion ein Weg zu Gott ist und daß selbst ein
Atheist, lebt er gemäß seinem Gewissen, auf dem rechten Weg zu Gott
sein kann. Daraus kann dann die Theorie des anonymen Christen
generiert werden, daß faktisch jeder sittlich Lebende schon ein
Christ ist, der so unbewußt zwar der wahren Kirche angehört und so
ein Kandidat des ewigen Lebens ist.
Weniger
bekannt ist nun der Weg der Revision der Gotteslehre. Gott ist liebe
wird ausgelegt als:Gott liebt unbedingt jeden. Diese unbedingte Liebe
kann nun als die notwendige und hinreichende Bedingung für das Heil
des Menschen verstanden werden. Die christliche Religion vermittelt
somit nur eine Erkenntnis, die unabhängig davon, ob sie angenommen
oder verneint wird, wahr ist. Das Heil, das ewige wird zu einer
objektiven Tatsache, die zwar nur partikular geglaubt wird, die aber
universal wahr ist. Jetzt löst sich die Spannung zwischen dem
Heilsuniversalismus und der Partikularität des Glaubens durch den
theozentrischen Begriff der unbedingten Liebe: objektiv ist der
Heilsuniversalismus Gottes und partikular ist nur die zum Heil nicht
notwendige Erkenntnis des Heilsuniversalismuses Gottes.
Platon
urteilt: „Wer den Gesetzen gemäß glaubt, daß die Götter sind,
beging nie wieder eine gottlose Handlung freiwillig noch ließe er
eine gesetzwidrige Rede vernehmen, sondern nur wenn von den dreien
eines ihm begegnete, daß er entweder das, was ich jetzt sagte, nicht
glaubt, oder zweitens, daß die Götter sind, aber sich nicht um die
Menschen kümmern,oder drittens, sie seien leicht, durch Opfer und
Gebete gewonnen, zu beschwichtigen.“23
Der Glaube, daß Gott ist und sich different zu den Menschen verhält,
kirchlicher ausgedrückt, daß er das Gute belohnt und das Böse
bestraft, ist nach Platon die Grundlage der Sittlichkeit. Erst von
daher wird verständlich, warum derAtheismus in den Verruf geriet,
mit Amoralität in eins zu gehen. Wenn Gott nicht ist, dann ist alles
erlaubt. De Sade literarisches Werk, in antirousseauischer Intention
geschrieben, veranschaulicht dies in gröbster und radicalster Weise.
Was aber nicht so offenkundig ist, ist das Phänomen, daß die
Reduktion Gottes auf einen reinen Liebesgott, der nur noch unbedingte
Liebe ist und sonst nichts, selbst aus sich heraus eine Tendenz zum
Amoralismus freisetzt! Amerio konstatiert treffend: Wenn nämlich die
Apokatastasis- Theorie des Origenes stimmen würde, wären
Jungfräulichkeit und Prostitition dasselbe; wäre die Vergangenheit
gleichsam annulliert, denn dann spielte nicht eine Rolle, was wir
waren, sondern was wir sein werden.“24
Die Lehre von der Allversöhnung nichtet alle Differenzen, auch und
gerade die zwischen Gut und Böse.
Scharf
pointiert gefragt: kann ein Zusammenhang bestehen zwischen dem
Phänomen, daß viele Katholiken Abtreibung nicht nur theoretisch
bejahen sondern sie auch praktizieren, ja das die Organisation: Donum
vitae fast ausschließlich aus Katholiken besteht, und der Lehre,
Gott ist nur Liebe, unbedingte Liebe bestehen? Untergräbt selbst
innerkirchlich der auf reine Liebe reduzierte Gott die katholische
Moral? Einfacher gefragt: wenn Gott nie aufhört, den Menschen zu
lieben, dann mag der Gläubige sich noch so sehr zu einem sittlichen
Leben verpflichtet wissen, er kann doch darauf vertrauen, daß keine
von ihm begangene Sünde ernsthafte Folgen für ihn haben kann! Er
bleibt immer in der Liebe Gottes. Nicht, daß unmittelbar aus dem
reinen Liebesgott ein unmoralischer Lebenswandel entspränge, nein,
aber der Sittlichkeit wird der tiefe Ernst genommen. Das unsittliche
Handeln kann zwar noch negative Folgen für den Täter oder auch für
Opfer zur Folge haben, das Gottesverhältnis wird aber nicht tangiert
und das macht die Sünde leicht. Die leeren Beichtstühle sind die
erste Folge solcher Gottesverkündigung.
Zur
Veranschaulichung soll so eine kleine Episode aus einer
Religionsstunde an einem Gymnasium
in
einer höheren Klasse erzählt werden. Der Religionslehrer hatte just
in gut liberaler Manier den Gott der unbedingten Liebe den Schülern
vorgetragen. Gott sagt immer zu dir ja, auch wenn du versagst oder
schuldig wirst. Nie hört er auf, dich zu lieben. Ein Schülerin
frug: Wenn das wahr ist, ist es dann Gott nicht gleichgültig, wie
ich lebe, sittlich oder unsittlich? Der irritierte Lehrer
respondierte, daß der von Gott sich geliebt Wissende selbst zu einem
seinen Nächsten Liebenden würde. Aber wenn er das nicht wird, macht
es auch nichts, denn Gott liebt ihn ja unbedingt, wußtedie Schülerin
zu antworten. Und sie zog eine erstaunliche Konsequenz: wenn ich
überlege, wie ich mich in einer bestimmten Situation zu verhalten
habe, brauche ich auf Gott keine Rücksicht zu nehmen, weil ihm mein
sittliches Verhalten gleichgültig ist! Ich kann tun, was ich will,
immer wird er mich lieben. Das war das faktische Ende einer
Religionsunterichtsstunde und auch der christlichen Religion. Arthur
Moeller van den Brucks bekanntes Votum: „Am Liberalismus gehen die
Völker zu Grunde“ abändernd kann gesagt werden: am liberalistisch
gedachten Gott der unbedingten Liebe geht die Religion und jede
Sittlichkeit zu Grunde. Ein kleiner Irrtum am Anfang und seine
fatalen Folgen. .
1Menke,
K-H., Handelt Gott, wenn ich ihn bitte? 2001 2.Auflage S.17.
2a.a.O.
S.17f.
3a.a.O.
S.63.
4Vgl:
Menke, K.H. Die Einzigkeit Jesu Christi im Horizont der Sinnfrage
1995 S.169.
5Platzbecker,
P. Radikale Autonomie vor Gott denken 2003 S.118.
6a.a.O.
S.118.
7Vgl:
Menke, K-H., Handelt Gott, wenn ich ihn bitte? 2001 2.Auflage S.63.
8Gottesdienst,
Gebets- und Gesangbuch für das Erzbistum München und Freising
München 1950 S.15.
9Vgl:
Katechismus der Katholischen Kirche 1993 Nr. 218- 221.
10DH
40.Auflage 4322.
11Zitiert
nach: Ökumene gegen Herz Mariä Weihe 2004 S.79.
12Zitiert
nach: Barth, H.-L.,Keine Einheit ohne Wahrheit 1999 S.125.
13Barth,
H.L.,Keine Einheit ohne Wahrheit 1999 S.125.
14Zitiert
nach: Barth, H-L, Rahners Theorie vom „anonymen Christentun“,
„Gaudium et spes“ 22 des II Vatikanums und die Lehre Papst
Johannes Pauls II. In: Karl Rahner Kritische Annäherungen 2004
S.390.
15Barth,H-L.,
Papst Johannes Paul II 2007 S.60.
16Platon;
Nomoi X, 885b.
17Sintzel,
M., Maria, meine Zuflucht 1919 S.675.
18Katechismus
der Katholischen Kirche 1993 1033.
19Vgl:
Barth, H.-L. Papst Johannes Paul II 2007 S.62- 67.
20Vgl:
Barth, H.-L.Papst Johannes Paul II S. 105- 134.
21Zitiert
nach: Barth, H.-L. Papst Johannes Paul II S.132f.
22Schlette,
H.R., Die Religionen als Thema der Theologie. Überlegungen zu einer
Theologie der Religionen QD 1964
22 S.85.
23Platon
Sämtliche Werke 6 Nomoi 1984, Übersetzung Hieronymus Müller
S.245.
24Amerio,
Romano Joto Unum 2000 S.684.
Die Apokatastasis ist ein s ü ß e s Gift für den Gottesglauben. So etwas kann nur einer brauen: der Vater der Lüge... :-( - Danke für den Beitrag. Gruß. Windlicht
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