Mittwoch, 5. November 2014

Religionsfreiheit-ein Gut?

Der domestizierte Gott- oder ein erster Versuc zum Thema: Religionsfreiheit

Es muß der Una Voce- Korrespondenz ein richtiges Kompliment hier gemacht werden für das hohe theologische Niveau, in der Heinz- Lothar Barth und der Schriftleiter Rudolf Kaschewsky in Una Voce 3 2008 ihre sachliche Kontroverse zum Thema: Religionsfreiheit ausgetragen haben.1 Der Leserschaft noch einmal die Bedeutung dieser theologischen Kontroverse vor Augen zu führen, hieße, Eulen nach Athen zu tragen. Deshalb bedarf es hier nur einer kurzen Problemaufrißskizze:
a) innerkatholisch: in welcher Kontinuität bzw Diskontinuität steht die Affirmation der Religions- und Gewissensfreiheit zur verbindlichen vorkonziliaren Lehrtradition der Kritik dieser Vorstellungen, b) wie verhält sich die Katholische Kirche zum universalpolitischen Konsens der Bejahung der Menschenrechte? (Daß fast kein Staat realpolitisch sie uneingeschränkt praktiziert,sei hier nur en passent erwähnt; wir verbleiben erstmal auf der Ebene der politischen Sonntagsreden.) Verhält die Kirche sich rein negativ zu diesen Idealen der Französischen Revolution und der in ihnen fundierten Moderne oder bildet sie eine Fundamentalopposition zur modernen (sich säkularisierenden) Gesellschaft, in dem sie sich vor- oder postmodern von den Kulturstandards der modernen pluralistisch offenen Gesellschaft distanziert?

Unter Religionsfreiheit wird nach Kaschewsky verstanden: „die Freiheit des Einzelnen zum Wechsel der Religion oder der Weltanschauung sowie die Freiheit, seine Religion oder Weltanschauung einzeln oder in Gemeinschaft mit andern öffentlich oder privat, durch Gottesdienst, Unterricht, durch Ausführung und Beachtung religiöser Gebräuche auszuüben.“2 Daß der Begriff der Religionsfreiheit so ein staatsrechtlicher ist, worauf Kaschewsky dann verweist, soll nicht bestritten werden; kontrovers zu diskutieren ist aber, ob aus Sicht der Katholischen Kirche ein solches positives Staatsrecht als in Einklang mit dem Naturrecht und dem offenbarten Willen Gottes zu beurteilen ist. Die durch die vorkonziliare Kirche erfolgte Verurteilung dieses positiven Staatsrechtes besagt ja, daß ein solches Recht nicht zur guten Ordnung eines Staates gehört. Die Kirche sieht, von dem Apostelfürsten Paulus an, (Römer 13) den Staat als von Gott gesetzte Ordnung an, bejaht den Staat als solche und lehrt nicht nur in der Bulle: Unam sanctam, daß die Ordnung des Staates sich im Einklang befinden soll mit dem offenbarten Willen Gottes. Gott regiert die Welt durch die zwei Schwerter, das geistige der Kirche und das weltliche des Staates und es muß gesagt werden: je mehr der Staat in seiner inneren Ordnung dem Willen Gottes entspricht, desto mehr ist er auch rein innerweltlich geurteilt eine gute Ordnung. Die Frage der Pervertier-barkeit dieser göttlichen Ordnung durch die Sünde und inwieweit auch der pervertierte Staat noch gute Ordnung Gottes, bleibt kann hier nicht erörtert werden. Nun gilt es,distinkt bestimmte Fragen zu unterscheiden:
A) ob es erlaubt sein kann, mit Anwendung oder Androhung von Gewalt die Annahme der katholischen Religion zu erzwingen,
B) ob es erlaubt sein kann, mit Anwendung oder Androhung von Gewalt die Ausübung eines nicht-
katholischen Religion zu verbieten
C) ob der Staat die Aufgabe der Förderung der Katholischen und der Unterbindung der nichtkatholi-schen Religion hat?
Kaschewsky reflektiert nun die erste Frage in seimem Aufsatz und kommt zu dem einsichtigen Ergebnis, daß es um der Freiheit des Glaubens willen nicht legitim sein kann, ihn zu erzwingen. Da der Glaube moralheologisch gesprochen nur ein verdienstliches Werk ist,insofern er freiwillig gesetzt wird, muß er sogar um der Verdienstlichkeit willen freiwillig sein. Und in diesem Punkte gibt es, soweit der Verfasser die Debatte übersieht, keine ernsthafte Kontroverse. Die Kontroverse bezieht sich so allein auf die Punkte B und C.

Wenn es in der Frage der Religion um die Frage des Seelenheiles geht und die eindeutige Lehre der vorkonziliaren Kirche die ist, daß nur durch die christkatholische Religion das Seelenheil erreicht werden kann, so daß die Unterscheidung von wahrer und falscher Religion für das Seelenheil von unbedingter Heilsnotwendigkeit sei, fragt sich, ob es in den Aufgabenbereich des Staates gehört, im Erkennen der Differenz von wahrer und falscher Religion um des Seelenheiles seiner Staatsbürger willen, die falsche um der wahren willen zu diskriminieren.
Es könnte der Standpunkt eingenommen werden, daß a) der Staat nur erkennen kann, daß es eine monotheistsche Religion geben muß im Vermögen der natürlichen Gotteserkenntnis und des Naturrechtes, das dem Staat die Pflege der öffentlichen Religion zuspricht, oder b)daß auch der Staat die wahre Religion von der falschen distinguieren kann, so daß er die unwahren der wahren gegen-über diskriminiert: er behandelt dann Ungleiches verschieden und das ist gerecht.Oder, man urteilt, c) daß der Staat überhaupt nicht zuständig sei für den Bereich des Seelenheiles und sich deshalb allen Religionen und Weltanschauungen gegenüber, sofern sie nicht das politische Gemeinwohl beeinträchtigen, indifferent verhalten soll. Diese Standpunkt impliziert die These, daß der Staat rein weltimmanent ohne Bezug auf die offenbarten Wahrheiten ein guter Staat sein kann, daß also die übernatürlichen Wahrheiten für das weltimmanente Leben mit seinen Zwecken und Zielen nicht von Bedeutung ist.

Wenden wir uns jetzt zur Vereinfachung der Erörterung dieses Problemkomplexes einem einfacheren Gebiete zu:dem des Gesundheitssystemes. Unbestreitbar hat der Staat nicht das Recht, Personen gegen ihren Willen zu Gesundheitsmaßnahmen zu zwingen. Ein Grenzfall könnte eine Verpflichtung von Eltern sein, ihren Kindern bestimmte Schutzimpfungen zukommen zu lassen, ähnlich wie der Staat den Eltern ein Schulpflicht für ihre Kinder auferlegt. Unbestreitbar ist aber auch, daß ein guter Staat nicht jedermann die Ausübung eines ärztlichen Heilberufes und jedem den Verkauf von beliebigen Arzneien erlaubt. Hier nimmt unbestritten der Staat um des hohen Gutes der Gesundheit und isb. der Volksgesundheit willen, ein Kontrollrecht in Anspruch, Menschen zu prüfen, ob sie befähigt sind zu einem ärztlichen Beruf und Medikamente zu prüfen, ob sie als Medizin für den Markt zugelassen werden dürfen. Hier verlangt die Öffentlichkeit vom Staate ein energisches Diskriminieren, um gute von unguter Medizin zu unterscheiden, zum Heilen Befähigte von Nichtbefähigten! Und noch niemand, auch die liberalsten Liberalen haben gefordert, dies ganz allein dem freien Markt und der freien Wahl der Patienten zu überlassen, daß jedermann berechtigt ist den Arztberuf ausübend beliebige Therapien und Medikamentationen frei zu verkaufen um der Konsumentenfreiheit willen.

Die vorkonziliare Kirche ging davon aus, daß genauso im Idealfall der Staat sich zur wahren Religion verhalten solle: er soll die falschen Religionen vom freien Markt fernhalten, damit denMenschen zur freien Annahme nur die gesunde, wahre Religion angeboten wird, die er frei er-wählen oder auch verwerfen kann. Daß dabei das Gut nicht die vergängliche Gesundheit sondern das unvergängliche Gut des ewigen Lebens ist, macht es dann einsichtig, daß das Seelenheil gefährdende Religionen strenger diskriminiert werden als beliebige Quacksalbermedizin. Kann aber um des hohen Gutes des inneren Friedens eines politischen Gemeinwesens willen nicht die falschen Religionen diskriminiert werden, am besten von der öffentlichen Ausübung ausgeschlossen werden, dann müssen sie als kleineres Übel angesichts der Möglichkeit der Zerstörung des inneren Friedens durch einen innerstaatlichen religiösen Bürgerkrieg toleriert werden. Die wahre Religion ist nämlich nach der Lehre vom gerechten Krieg kein legitimer Kriegsgrund. So weit ist der Standpunkt der Kirche klar und so wurde er auch in dem Vorbereitungschema des 2. Vatikanums zur Frage der Verhältnisbestimmung von Kirche und Staat formuliert.3 Warum dieses ganz im Einklang mit der kirchlichen Lehrtradition sich befindende Schema nicht vom Konzil affirmiert worden ist, sondern stattdessen etwas, das bei jedem vorurteilsfreien Leser den Eindruck erweckt,hier lehre die Kirche etwas nicht mit der Lehrtradition Übereinstimmendes, das wird wohl letztlich immer ein Rätsel bleiben.

Die Kirche nahm vorkonziliar, wie Barth und viele überzeugend andemonstriert haben, den Standpunkt ein, daß es kein Recht für den Irrtum geben könne. Wenn heutzutage in Deutschland kein Mensch ob eines versuchten Selbstmordes mehr staatlich bestraft wird, kann dies aus humanitären Gründen auch von der Kirche begrüßt werden, wird dann im Täter mehr das Opfer als eine hybrische Tat wider das Gebot Gottes gesehen; nicht kann und darf die Kirche lehren, daß es ein positives Recht zum Freitod gebe! Und so kann die Kirche auch die öffentliche Ausübung falscher Religionen tolerieren, gerade wenn sie zu der Einsicht kommt, daß staatliche Gewalt kein gutes Mittel zur Bekämpfung falscher Religionen ist, wie eine Androhung von Gefängnisstrafen kein gutes Mittel ist, um Menschen vom Freitod abzuhalten. Wäre es sicher, daß die Androhung von staatlicher Strafe dazu führt, daß niemand mehr sich selbst töten würde, welcher Christ würde nicht für solche staatlichen Strafen plädieren?

Das Nein der traditionalistischen Kreise der Katholischen Kirche beruht einzig darauf, daß der Staat als gute Anordnung Gottes (Römer 13, alle Obrigkeit ist von Gott) nicht etwas als positives Recht setzen kann, was dem Willen Gottes widerspricht, daß Menschen durch die Ausübung falscher Religion zur falschen Religion verführt und so ihres Seelenheiles verlustig gehen. Es gibt und kann kein Recht dazu geben, andere zum Unheil zu verführen. Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob jemand eine falsche Religion so frei ausüben darf, daß nur er durch diese Ausübung geschädigt wird. Man denke dabei an die sehr hitzig, zum Teil fanatisch geführte Debatte um den Nichtraucher-schutz und die weitgehenden Rauchwarenwerbeverbote. Auch hier will der Staat seine Staatsbürger vor Gesundheitsgefährdendem schützen und überläßt nicht alles dem freien Markt, erlaubt aber dem Einzelnen das Rauchen, wenn er dadurch nicht unbeteiligt Dritte in ihrer Gesundheit gefährdet.
Auch hier wäre so eine Unterscheidung von rein privat ausgeübter gesundheitsschädigender Religion und einem uneingeschränkten Recht der Werbung für falsche Religionen zu distinguieren.
Es müßte nun noch erörtert werden, ob des dem Staate zukommt, die wahre Religion zu fördern und falsche zu diskriminieren. Wäre Gott nur für das jenseitige Seelenheil zuständig und verhielte sich die öffentliche Ordnung des Weltlebens zu diesem Jenseitigen völlig indifferent, dann könnte eine rein naturalistische Staats- und Gesellschaftsordnung dem Weltmenschen genügen, der nur in seiner reinen Privatexistenz sich jenseitsorientiert religiös verhielte. Da aber die natürlichen Ordnungen erst in der übernatürlichen Ordnung ihre Vollendung finden,zur Veranschaulichung sei an das Verhältnis von der staatsbürgerlich reinen Zivilehe und die kirchlich sakramentale Ehe erinnert, kann es nicht ein Anliegen der Kirche sein, daß die bürgerliche Ordnung unter völliger Absehung der übernatürlichen Wahrheiten geformt wird: je mehr die weltliche Ordnung der übernatürlichen entspricht, desto mehr wird die weltliche auch gerade dem weltlichen Leben dienlich sein. Das hat die Kirche so immer bis zum Konzil doziert. Deshalb wird es die Kirche immer als ein Glück ansehen, wenn der Kirche ein auf sie hörbereiter Staat ihr gegenübersteht, wie es das Ideal des Thron und Altar- Bündnisses meint, wie es die Kirche in Kaiser Konstantin erleben durfte. Schon vom alttestamentlichen Ideal des guten Königs her liegt der christlichen Religion ein religiös indifferenter Staat völlig fern. Daß das Urchristentum dieses königliche Ideal nicht von Anfang anpropagieren, geschweige denn einfordern konnte, erklärt sich aus dem Embryonalzustand der Anfänge der Kirche, die ihr theologisch angemessene Gestaltung des Verhältnisses zum Staat erst in der konstantinischen Epoche fand.

Praktisch heißt das, daß im Idealfall der Staat die Katholische Religion als Staatsreligion anerkennt und fördert und andere Religionen nur insoweit toleriert, als dies zur Aufrechterhaltung des inneren Friedens des politischen Gemeinwesens nötig ist. Hier wäre an das Kirchenkonkordat des Heiligen Stuhles mit Spanien 1953 zu erinnern, in der vorbildlich das Verhältnis von Kirche und Staat geordnet worden ist. Daß die heutige spanische Regierung von all dem nichts mehr wissen will und vehement die Katholische Kirche bekämpft, schadet nicht in erster Linie der Kirche sondern dem spanischen Volke, dem so die kulturellen Grundlagen seiner bisherigen Existenz zerstört werden!Aber wie kann das alles nun in Frage gestellt werden?

Hier stoßen wir nun auf eine sehr komplexe Veränderung der geistesgeschichtlichen Situation: Die Katholische Kirche sah sich konfrontiert mit der Situation, daß sie im Namen der Wahrheit(des wissenschaftlichen Atheismus oder anderer Religionen) selbst diskriminiert wurde und die darauf apologetisch defensiv reagierte, indem sie die Ideologie der Menschenrechte zur Hilfe nahm,um jede Verfolgung im Namen einer Wahrheit zu verurteilen. „Wir werden so unsere religiösen Rechte gegenüber den kommunistischen Regimen verteidigen können im Namen eines von einer so feierlichen religiösen Versammlung erklärten und bereits durch die UNO und die Freimaurerei anerkannten Rechtes.“4 Es fehlte ihr der Mut zur offensiven Verteidigung, daß die wahre Religion nicht verfolgt werden dürfe ob des Eindruckes, daß auf dem Forum der Vernunft die Wahrheit der Katholischen Religion nicht mehr überzeugend bewiesen werden kann und daß so die Kirche der wahren Religion in den Mißkredit eines nicht legitimierbaren Wahrheitsanspruches kam. Das Versagen der Apologetik führte in die Defensive der Bejahung der Religionsfreiheit, um die durch ideologische oder auch religiöse Wahrheitsansprüche bedrängten Ortskirchen zur Hilfe zu kommen.

Aber der tiefste und erste Grund ist ein anderer: er ist verortet in der Gotteslehre in dem Glauben, daß Gott als die Liebe, der nur noch Liebe ist,letztendlich jeden Menschen liebt, auch wenn er keine oder eine falsche Religion lebt. Die Neigung der postkonziliaren Theologie zur Allversöhnung ist der letzte Quellgrund der Bejahung der Religionsfreiheit. Der zum reinen Liebesgott domestiziertGott Jesu ist einer, von dem nicht mehr aussagbar ist, daß er einen Menschen, bloß weil er nicht Katholischer Christ sei, verdammt. Oder anders formuliert: Daß bürgerliche Ideal, daß niemand ob seiner Religion und Weltanschauung diskriminiert werden darf, weil das zutiefst unmoralisch wäre, wird auch auf Gott selbst appliziert und Gott dieser Menschenrechtsmoral unterworfen: wenn Gott gerecht richtet, dann diskriminiert auch er keinen Menschen ob seiner Religion oder Weltan-schauung. Und das ist der endgültige Triumph des antichristlichen Indifferentismus im Namen des total domestizierten Gottes, der seiner Heiligkeit völlig entkleidet ist.

Ohne diesen Wandel in der Gotteslehre und ohne das Versagen der kirchlichen Apologetik wäre dieses Ja zur Religionsfreiheit nicht möglich gewesen. Daß nicht nur im tiefsten Mittelalter sondern gerade auch im 20. Jahrhundert es möglich ist, das Verhältnis von Kirche und Staat auf dem Fundament der vorkonziliaren Theologie und der Anerkennung der Katholischen Religion als Staatsreligion zum größten Nutzen des Volkes und des öffentlichen Lebens zu gestalten, das demonstriert das spanische Konkordat aus dem Jahre 1953. Und das jetzige Spanien zeigt jedem, was passiert, wenn diese gute Ordnung mutwillig zerstört wird.

1Vgl: Barth, Heinz-Lothar, Die katholische lehre über das Verhältnis von Kirche und Staat, in Una Voce 3/2008
S.241-255; Rudolf Kaschewsky, „Credere non potest nisi volens“, in Una Voce 3/2008 S.256-263.
2Kaschewsky , a.a.O. S.256.
3Vgl: Marcel Lefebvre, Die Biographie von Bernhard Tissier Mallerais 2008 S.326-334, 347-349; Lefebvre, Sie haben ihn entthront, 1988 S.189-212.

4Lefebvre, Sie haben ihn entthront 1988, S.189.

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