Der
Papst und die Evangelikalen
oder
irrte Pius IX?
Der
hl. Vater möchte das Verhältnis zu den Evangelikalen verbessern.
Der Generalsekretär der Evangelischen Allianz wurde vom Papst
empfangen. Kath net berichtete darüber in den letzten Tagen.
Befremdliches und Banales war da zu lesen. Etwa daß die
Glaubwürdigkeit und der Erfolg des Christentums unter den Spaltungen
leide. Würde zusammengearbeitet, könne man erfolgreicher sein. So
lapidar könnte man die Substanz dieses Dialoges erfassen. Der
Papst drückte dabei die Hoffnung aus, wenn doch das Christentum die
inneren Spannungen überwinden, gemeinsam die Sakramente feiern und
den Glauben gemeinsam verkünden könnte! Der Generalsekretär der
Evangelikalen verwies schon auf eine gemeinsame Praxis im Kampf gegen
den Menschenhandel und des Ringens um Rechte für religiöse
Minderheiten.Der hl. Vater antwortete bekanntlich auf die Frage, was
die bedrängendsten Probleme jetzt wären in einem Interview am
1.Okt. 2013: das der Jugendarbeitslosigkeit und das der Einsamkeit
der älteren Menschen. Vielleicht eine katholisch-evangelikale
Initiative zum Abbau von der Jugendarbeitslosigkeit in der Welt?
Was
irritiert? Fragen wir: was meint denn die Einheit des Christentums?
Meint das die sichtbare Einheit in einer Kirche-oder daß sich die
verschiedenen Organisationen des einen Christentums wechselseitig
anerkennen und so als eine versöhnte Verschiedenheit das eine
Christentum repräsentieren? Die Kirche Jesu Christi, die eine wahre
apostolosch-katholische ist nicht in sich gespalten-die Einheit
gehört zur unverlierbaren Substanz der Kirche. Es haben sich nur
Christen von dieser Einheit abgespalten und als Abgesonderte eigene
neue Organisationsformen entwickelt, die einen kirchenähnlicher, die
anderen weniger kirchenähnlich. Ist das Christentum also die Einheit
der wahren Kirche und der vielen von ihr sich abgespaltet habenden
organisierten Christentümer? Dann wäre der Begriff der Einheit des
Christentums einer, der in sich die Differenz von wahrem und unwahrem
Christentum als für sich gleichgültig betrachtet: Aber die
Vorstellungswelt des innerchristlichen Dialogisierens kennt
offensichtlich diese Unterscheidung gar nicht mehr. Stattdessen sagt
der Papst, daß wir von den Evangelikalen uns inspirieren lassen
könnten wie auch umgekehrt sie sich von uns! Vorurteile sollten
abgebaut werden und gemeinsame Praxisfelder eröffnet werden. Wenn
von Lehrdifferenzen noch die Rede ist, so klingt das nur noch nach
identitätsstiftenden Elementen, die aber um der Einheit und der
Steigerung der Außeneffektivität willen zurückgestellt werden
sollten.
Ja,
es wäre schön,könnten Katholiken und Evangelikale gemeinsam die
Sakramente feiern und den einen Glauben bekennen in Wort und Tat. Das
wird man wohl den Herzenswunsch des Papstes ansehen dürfen. Oder
bäckt er hier viel kleinere Brötchen? Dazu später etwas.
Präludiert
wird diese „Annäherung“ an die Evangelikalen-wie es leider heuer
zum kirchlichen Usus geworden ist- mit einer Schuld-und
Vergebungsbitte des hl. Vaters: die Schuld der Kirche an den
Evangelikalen. Vorsichtiger wird dann aber gesagt, daß Glieder der
Kirche sich fehlverhalten hätten gegen Evangelikale zu Zeiten
Mussolinis. Nicht die Abspaltung und Absonderung von der Mutter
Kirche wird in das Zentrum gerückt, sondern peripheres Fehlverhalten
von Kirchenmitgliedern den Abgesonderten gegenüber. Was soll oder
könnte denn nun das Ziel eines solchen Dialogisierens sein? Die
Einheit im Glauben? Wenn der Glaube der wahre Glaube sein soll, dann
kann diese Einheit nur darin bestehen, daß die Evangelikalen wieder
zurückkehren in den wahren Glauben der Kirche, daß sie katholisch
werden. Oder aber, es wird eine Einheit im Glauben erstrebt, die
faktisch ein Kompromiß wäre zwischen Katholisch und Evangelikal,
eine Einheit bestehend zu je 50 % Katholisch und Evangelikal? Hieße
das aus katholischer Sicht eine Verdünnung des Glaubens, als wenn
man guten Wein mit Wasser verdünnt? Oder würde die Wahrheit des
Glaubens kontaminiert, als wenn man in den guten Wein Zucker
hineinpanscht? Es drängt sich der Verdacht auf, daß die Differenzen
in der Lehre als Streit zwischen „Schultheologen“ angesehen wird,
dem der eine Glaube der Christen, egal ob sie nun evangelikal oder
katholisch sich nennen, gegenübergestellt wird. Und der wäre nun
die Substanz des Christentums im Kontrast zu den
intellektualistischen Theologen aller Kirchen, die halt „abgehobenes“
Zeugs denken. Die Katholische Theologie, der Glaube der Kirche wäre
dann sozusagen ein intellektualistischer Überbau für
Gedankenmenschen, während das den einfachen Gläubigen nichts
angehe. Er ist, im Idealfall solchen Ökumenisierens, obgleich
theoretisch einer bestimmten Kirche mit bestimmten Lehren angehörend,
einfach nur Christ und somit schon wahrhaft ökumenisch gestimmt.
Aber
was müßte dann alles als gleichgültig angesehen werden? Alles, was
Katholisch von Evangelikal unterscheidet, um dann die Schnittmenge
der verschiedenen Glaubensvorstellungen als die eigentliche Substanz
des Christentums zu bezeichnen.Das wird aber ein sehr dürftiges
Gericht werden! Damit es dann dennoch schmackhaft bleibt, erlaubt man
sich dann gegenseitig, daß jeder seine besondere Tradition als
folkloristische Ausschmückung dazu serviert-als pures Dekoration der
paar spröden Übereinstimmungen in der Fülle der Differenzen. Das
spezifisch Katholische müßte so zum überflüssigen Dekor
herabqualifiziert werden und nur das vulgäre, allen Gemeine soll
noch das Wahre sein. Das ist ein sehr effektives Programm zur
Selbstzerstörung des Katholischen Glaubens, indem das, was das
Katholische ausmacht, zum Nebensächlichen herabgestuft wird. Wenn
Evangelikale nur noch zwei Sakramente kennen und praktizieren und wir
Katholiken sieben, dann müssen wir um dieser Einheit willen auch die
fünf Sakramente, die die Evangelikalen verleugnen, als unwichtig
abtuen! Firmung, Beichte, die letzte Ölung, das Sakrament der Ehe
und das Weihesakrament opfert man dann gezwungenermaßen-bzw erklärt
diese für das Christsein als die eigentliche Substanz auch des
Katholischen für unwichtig.
Pius
IX lehrt dagegen völlig anderes im Syllabus. Er verurteilt die
Meinung: „Der Protestantismus ist nichts anderes als eine
unterschiedliche Form derselben wahren christlichen Religion, in der
es ebenso wie in der katholischen Kirche möglich ist, Gott zu
gefallen.“1
Es gäbe nach dieser durch den Papst verurteilten Meinung eine
Substanz der christlichen Religion und eine Formung dieser Substanz.
Die Formung entspräche dem adjektiv: katholisch oder
protestantisch, die Substanz wäre das Christliche. Das Christliche
wäre dann die Schnittmenge der Gemeinsamkeiten von dem katholisch
und dem protestantisch aufgefaßten Christentum und das Spezifische,
das Katholische wie das Protestantische wäre dann nur eine
dekorative Verpackung des Christentums. Damit würde das eigentlich
Katholische vollkommen entwertet.Noch eines muß uns dabei auffallen.
Das Katholische wird nun nicht mehr als eine organische Einheit
verstanden sondern eher als eine große Lagerhalle, in der dies und
das deponiert ist. Es gelte nun, daß Wichtige und für ein
ökomenisches Christentum Brauchbare herauszusortieren, um das dann
als die Substanz des Christlichen zu bezeichnen, die das nur sein
kann, wenn das auch in den protestantischen Lagerbeständen
vorgefunden wird. Das andere bliebe dann als Sperrmüll aus
nostalgischen Gründen im Lager liegen-vielleicht für andere Zeiten.
Papst Pius IX begreift dagegen die Lehre der Kirche als ein organisch
Ganzes, in dem alles mit allem eine Einheit bildet. Das Dialogisieren
löst notwendig diese organische Einheit auf, löst es auf zu einem
Buffet verschiedenster Vorstellungsangeboten, aus denen der Konsument
das Passende sich erwählt, also der Dialogkatholik das zum Dialog
Passende.
Denken
wir nun an die Meinung des hl. Vaters, daß das bedrängendste
Problem der Gegenwart die Jugendarbeitslosigkeit und das Problem
defizitärer Sozialkontakte von Senioren ist, dann können wir uns
die Zusammenarbeit von der Katholischen Kirche und Evangelikalen gut
vorstellen. Wir stoßen da auf eine eigentümliche Vorstellung des
Verhältnisses von Lehre und Praxis. Die Lehre scheint für die
Praxis der Kirchen weitestgehend irrelevant zu sein. So könne man,
so scheint es ja die Meinung des Papstes sein, die Praxis des
Umganges mit „Geschieden-Wiederverheirateten“ und des Umganges
mit Homosexuellen pastoralpraktisch ändern ohne daß die Lehre
geändert würde. Man könne um einer gemeinsamen Praxis mit den
Evangelikalen willen die Lehrdifferenzen als Lehrdifferenzen stehen
lassen und trotzdem eine gemeinsame Praxis vollziehen, die nicht nur
im Kampfe gegen die Jugendarbeitslosigkeit bestehen müßte-im
Idealfall könne man auch Sakramente gemeinsam feiern und den einen
Glauben gemeinsam bezeugen! Was wird dann nur aus der Katholischen
Lehre! Es wäre der Triumph des Indifferentismus über den wahren
Katholischen Glauben.
Aber
nicht ganz unerlaubt dürfte es wohl sein, wenn als Idee hinter
dieser päpstlichen Annäherung an die Evangelikalen ein spezifisch
lateinamerikanisches Problem steht. Überall, wo die Kirche in
Lateinamerika auf die mehr oder weniger stark marxistisch geprägte
Befreiungstheologie gesetzt hat, da verliert sie nach dem Ende des
real existierenden Sozialismus Gläubige an Evangelikale. Sie
„werben“ erfolgreich Katholiken ab und wachsen so. So darf wohl
vermutet werden, daß der Papst aus einer defensiven Lage den
Evangelikalen gegenüber eine Art Burgfrieden im Auge hat, einem
wechselseitigen Verzicht auf Missionsversuche, oder wie man das heuer
politisch korrekt sagt: auf Prosylitenmacherei. Um den Verzicht der
Katholischen Kirche auf eine Mission unter Evangelikalen zu
legitimieren, muß nun auch diese Abart des Protestantismus als eine
wahre Form des Christentums von Rom anerkannt werden, in der man Gott
wohlgefällig leben könne-gegen das Urteil des Piuspapstes-und das
nur, damit die Evangelikalen nicht weiterhin so erfolgreich
Katholiken „abwerben“. Daß der hl. Vater gleichzeitig einen
profilierten Kritiker befreiungstheologischer Kirchenkonzepte als
Bischof absetzte, zeigt die Kehrseite dieses Konzeptes des Dialoges
mit den Evangelikalen. Mit den Evangelikalen wird der Dialog und
eine gemeinsame Praxis erstrebt, um gerade die katholischen Bistümer
Lateinamerikas vor den evangelikalen Abwerbungen zu schützen und die
etablierten Bischöfe schützt man vor dem Willen zu einer
Kurskorrektur weg von befreiungstheologischen Konzepten, indem man
einen bischöflichen Kritiker dieses Kurses eliminiert-ohne jeden
Dialog. Daß es einen Opus Dei Bischof traf, erfreut natürlich jeden
politisch Korrekten besonders und tröstet dann darüber hinweg, daß
auch Evangelikale, mit den der Papst dialogisiert, im Rufe stehen,
nicht immer ganz politisch korrekt zu sein.Aber das werden die wohl
noch abstreifen, damit mit ihnen weiterhin dialogisiert wird.
Aber
der Preis für diesen Dialog ist hoch: die Wahrheit des Katholischen
Glaubens wird geopfert hoffend auf einen Verzicht evangelikaler
„Abwerbungen“.
1Pius
IX, Syllabus, in DH 40. Auflage, 2918.
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