Samstag, 8. November 2014

Papst Franziskus und die Lehre der Kirche

Der Papst und die Evangelikalen
oder irrte Pius IX?

Der hl. Vater möchte das Verhältnis zu den Evangelikalen verbessern. Der Generalsekretär der Evangelischen Allianz wurde vom Papst empfangen. Kath net berichtete darüber in den letzten Tagen. Befremdliches und Banales war da zu lesen. Etwa daß die Glaubwürdigkeit und der Erfolg des Christentums unter den Spaltungen leide. Würde zusammengearbeitet, könne man erfolgreicher sein. So lapidar könnte man die Substanz dieses Dialoges erfassen. Der Papst drückte dabei die Hoffnung aus, wenn doch das Christentum die inneren Spannungen überwinden, gemeinsam die Sakramente feiern und den Glauben gemeinsam verkünden könnte! Der Generalsekretär der Evangelikalen verwies schon auf eine gemeinsame Praxis im Kampf gegen den Menschenhandel und des Ringens um Rechte für religiöse Minderheiten.Der hl. Vater antwortete bekanntlich auf die Frage, was die bedrängendsten Probleme jetzt wären in einem Interview am 1.Okt. 2013: das der Jugendarbeitslosigkeit und das der Einsamkeit der älteren Menschen. Vielleicht eine katholisch-evangelikale Initiative zum Abbau von der Jugendarbeitslosigkeit in der Welt?

Was irritiert? Fragen wir: was meint denn die Einheit des Christentums? Meint das die sichtbare Einheit in einer Kirche-oder daß sich die verschiedenen Organisationen des einen Christentums wechselseitig anerkennen und so als eine versöhnte Verschiedenheit das eine Christentum repräsentieren? Die Kirche Jesu Christi, die eine wahre apostolosch-katholische ist nicht in sich gespalten-die Einheit gehört zur unverlierbaren Substanz der Kirche. Es haben sich nur Christen von dieser Einheit abgespalten und als Abgesonderte eigene neue Organisationsformen entwickelt, die einen kirchenähnlicher, die anderen weniger kirchenähnlich. Ist das Christentum also die Einheit der wahren Kirche und der vielen von ihr sich abgespaltet habenden organisierten Christentümer? Dann wäre der Begriff der Einheit des Christentums einer, der in sich die Differenz von wahrem und unwahrem Christentum als für sich gleichgültig betrachtet: Aber die Vorstellungswelt des innerchristlichen Dialogisierens kennt offensichtlich diese Unterscheidung gar nicht mehr. Stattdessen sagt der Papst, daß wir von den Evangelikalen uns inspirieren lassen könnten wie auch umgekehrt sie sich von uns! Vorurteile sollten abgebaut werden und gemeinsame Praxisfelder eröffnet werden. Wenn von Lehrdifferenzen noch die Rede ist, so klingt das nur noch nach identitätsstiftenden Elementen, die aber um der Einheit und der Steigerung der Außeneffektivität willen zurückgestellt werden sollten.
Ja, es wäre schön,könnten Katholiken und Evangelikale gemeinsam die Sakramente feiern und den einen Glauben bekennen in Wort und Tat. Das wird man wohl den Herzenswunsch des Papstes ansehen dürfen. Oder bäckt er hier viel kleinere Brötchen? Dazu später etwas.
Präludiert wird diese „Annäherung“ an die Evangelikalen-wie es leider heuer zum kirchlichen Usus geworden ist- mit einer Schuld-und Vergebungsbitte des hl. Vaters: die Schuld der Kirche an den Evangelikalen. Vorsichtiger wird dann aber gesagt, daß Glieder der Kirche sich fehlverhalten hätten gegen Evangelikale zu Zeiten Mussolinis. Nicht die Abspaltung und Absonderung von der Mutter Kirche wird in das Zentrum gerückt, sondern peripheres Fehlverhalten von Kirchenmitgliedern den Abgesonderten gegenüber. Was soll oder könnte denn nun das Ziel eines solchen Dialogisierens sein? Die Einheit im Glauben? Wenn der Glaube der wahre Glaube sein soll, dann kann diese Einheit nur darin bestehen, daß die Evangelikalen wieder zurückkehren in den wahren Glauben der Kirche, daß sie katholisch werden. Oder aber, es wird eine Einheit im Glauben erstrebt, die faktisch ein Kompromiß wäre zwischen Katholisch und Evangelikal, eine Einheit bestehend zu je 50 % Katholisch und Evangelikal? Hieße das aus katholischer Sicht eine Verdünnung des Glaubens, als wenn man guten Wein mit Wasser verdünnt? Oder würde die Wahrheit des Glaubens kontaminiert, als wenn man in den guten Wein Zucker hineinpanscht? Es drängt sich der Verdacht auf, daß die Differenzen in der Lehre als Streit zwischen „Schultheologen“ angesehen wird, dem der eine Glaube der Christen, egal ob sie nun evangelikal oder katholisch sich nennen, gegenübergestellt wird. Und der wäre nun die Substanz des Christentums im Kontrast zu den intellektualistischen Theologen aller Kirchen, die halt „abgehobenes“ Zeugs denken. Die Katholische Theologie, der Glaube der Kirche wäre dann sozusagen ein intellektualistischer Überbau für Gedankenmenschen, während das den einfachen Gläubigen nichts angehe. Er ist, im Idealfall solchen Ökumenisierens, obgleich theoretisch einer bestimmten Kirche mit bestimmten Lehren angehörend, einfach nur Christ und somit schon wahrhaft ökumenisch gestimmt.
Aber was müßte dann alles als gleichgültig angesehen werden? Alles, was Katholisch von Evangelikal unterscheidet, um dann die Schnittmenge der verschiedenen Glaubensvorstellungen als die eigentliche Substanz des Christentums zu bezeichnen.Das wird aber ein sehr dürftiges Gericht werden! Damit es dann dennoch schmackhaft bleibt, erlaubt man sich dann gegenseitig, daß jeder seine besondere Tradition als folkloristische Ausschmückung dazu serviert-als pures Dekoration der paar spröden Übereinstimmungen in der Fülle der Differenzen. Das spezifisch Katholische müßte so zum überflüssigen Dekor herabqualifiziert werden und nur das vulgäre, allen Gemeine soll noch das Wahre sein. Das ist ein sehr effektives Programm zur Selbstzerstörung des Katholischen Glaubens, indem das, was das Katholische ausmacht, zum Nebensächlichen herabgestuft wird. Wenn Evangelikale nur noch zwei Sakramente kennen und praktizieren und wir Katholiken sieben, dann müssen wir um dieser Einheit willen auch die fünf Sakramente, die die Evangelikalen verleugnen, als unwichtig abtuen! Firmung, Beichte, die letzte Ölung, das Sakrament der Ehe und das Weihesakrament opfert man dann gezwungenermaßen-bzw erklärt diese für das Christsein als die eigentliche Substanz auch des Katholischen für unwichtig.

Pius IX lehrt dagegen völlig anderes im Syllabus. Er verurteilt die Meinung: „Der Protestantismus ist nichts anderes als eine unterschiedliche Form derselben wahren christlichen Religion, in der es ebenso wie in der katholischen Kirche möglich ist, Gott zu gefallen.“1 Es gäbe nach dieser durch den Papst verurteilten Meinung eine Substanz der christlichen Religion und eine Formung dieser Substanz. Die Formung entspräche dem adjektiv: katholisch oder protestantisch, die Substanz wäre das Christliche. Das Christliche wäre dann die Schnittmenge der Gemeinsamkeiten von dem katholisch und dem protestantisch aufgefaßten Christentum und das Spezifische, das Katholische wie das Protestantische wäre dann nur eine dekorative Verpackung des Christentums. Damit würde das eigentlich Katholische vollkommen entwertet.Noch eines muß uns dabei auffallen. Das Katholische wird nun nicht mehr als eine organische Einheit verstanden sondern eher als eine große Lagerhalle, in der dies und das deponiert ist. Es gelte nun, daß Wichtige und für ein ökomenisches Christentum Brauchbare herauszusortieren, um das dann als die Substanz des Christlichen zu bezeichnen, die das nur sein kann, wenn das auch in den protestantischen Lagerbeständen vorgefunden wird. Das andere bliebe dann als Sperrmüll aus nostalgischen Gründen im Lager liegen-vielleicht für andere Zeiten. Papst Pius IX begreift dagegen die Lehre der Kirche als ein organisch Ganzes, in dem alles mit allem eine Einheit bildet. Das Dialogisieren löst notwendig diese organische Einheit auf, löst es auf zu einem Buffet verschiedenster Vorstellungsangeboten, aus denen der Konsument das Passende sich erwählt, also der Dialogkatholik das zum Dialog Passende.
Denken wir nun an die Meinung des hl. Vaters, daß das bedrängendste Problem der Gegenwart die Jugendarbeitslosigkeit und das Problem defizitärer Sozialkontakte von Senioren ist, dann können wir uns die Zusammenarbeit von der Katholischen Kirche und Evangelikalen gut vorstellen. Wir stoßen da auf eine eigentümliche Vorstellung des Verhältnisses von Lehre und Praxis. Die Lehre scheint für die Praxis der Kirchen weitestgehend irrelevant zu sein. So könne man, so scheint es ja die Meinung des Papstes sein, die Praxis des Umganges mit „Geschieden-Wiederverheirateten“ und des Umganges mit Homosexuellen pastoralpraktisch ändern ohne daß die Lehre geändert würde. Man könne um einer gemeinsamen Praxis mit den Evangelikalen willen die Lehrdifferenzen als Lehrdifferenzen stehen lassen und trotzdem eine gemeinsame Praxis vollziehen, die nicht nur im Kampfe gegen die Jugendarbeitslosigkeit bestehen müßte-im Idealfall könne man auch Sakramente gemeinsam feiern und den einen Glauben gemeinsam bezeugen! Was wird dann nur aus der Katholischen Lehre! Es wäre der Triumph des Indifferentismus über den wahren Katholischen Glauben.

Aber nicht ganz unerlaubt dürfte es wohl sein, wenn als Idee hinter dieser päpstlichen Annäherung an die Evangelikalen ein spezifisch lateinamerikanisches Problem steht. Überall, wo die Kirche in Lateinamerika auf die mehr oder weniger stark marxistisch geprägte Befreiungstheologie gesetzt hat, da verliert sie nach dem Ende des real existierenden Sozialismus Gläubige an Evangelikale. Sie „werben“ erfolgreich Katholiken ab und wachsen so. So darf wohl vermutet werden, daß der Papst aus einer defensiven Lage den Evangelikalen gegenüber eine Art Burgfrieden im Auge hat, einem wechselseitigen Verzicht auf Missionsversuche, oder wie man das heuer politisch korrekt sagt: auf Prosylitenmacherei. Um den Verzicht der Katholischen Kirche auf eine Mission unter Evangelikalen zu legitimieren, muß nun auch diese Abart des Protestantismus als eine wahre Form des Christentums von Rom anerkannt werden, in der man Gott wohlgefällig leben könne-gegen das Urteil des Piuspapstes-und das nur, damit die Evangelikalen nicht weiterhin so erfolgreich Katholiken „abwerben“. Daß der hl. Vater gleichzeitig einen profilierten Kritiker befreiungstheologischer Kirchenkonzepte als Bischof absetzte, zeigt die Kehrseite dieses Konzeptes des Dialoges mit den Evangelikalen. Mit den Evangelikalen wird der Dialog und eine gemeinsame Praxis erstrebt, um gerade die katholischen Bistümer Lateinamerikas vor den evangelikalen Abwerbungen zu schützen und die etablierten Bischöfe schützt man vor dem Willen zu einer Kurskorrektur weg von befreiungstheologischen Konzepten, indem man einen bischöflichen Kritiker dieses Kurses eliminiert-ohne jeden Dialog. Daß es einen Opus Dei Bischof traf, erfreut natürlich jeden politisch Korrekten besonders und tröstet dann darüber hinweg, daß auch Evangelikale, mit den der Papst dialogisiert, im Rufe stehen, nicht immer ganz politisch korrekt zu sein.Aber das werden die wohl noch abstreifen, damit mit ihnen weiterhin dialogisiert wird.
Aber der Preis für diesen Dialog ist hoch: die Wahrheit des Katholischen Glaubens wird geopfert hoffend auf einen Verzicht evangelikaler „Abwerbungen“.



1Pius IX, Syllabus, in DH 40. Auflage, 2918.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen