Montag, 2. November 2015

Moral und staatliches Recht angesichts der Debatte um eine Beihilfe zum Suizid

Die Kunst des Unterscheidens ist in dieser Causa eine unbedingte Notwendigkeit. Es gibt Handlungen, die nach dem Urteil der Katholischen Morallehre als sündig zu beurteilen sind, wie zum Beispiel Ehebruch oder das Nichtnachkommen der Sonntagspflicht zur Teilnahme an einer Sonntagsmesse, die aber nicht vom Staat als unerlaubtes und so strafrechtlich relevantes Vergehen eingestuft werden. Würden diese beiden Handlungen auch vom Staat als unerlaubte beurteilt, dann dürfte, ja müßte der Staat sogar Menschen durch die Androhung von Strafen (Geld- oder Gefängnisstrafen) versuchen, von diesem Tun abzuhalten und wenn sie es doch tuen, sie auch bestrafen. Solange diese beiden Handlungen aber nur von der Morallehre der Kirche als sündig qualifiziert werden,aber nicht vom Staate als unerlaubte, kann und darf die Kirche nur durch einen moralischen Appell einfordern, daß die Gläubigen zur Sonntagsmesse gehen und keinen Ehebruch begehen.
Es gibt nun Handlungen, die die katholische Morallehre als sündig ansieht und der Staat als Verbrechen, etwa den Mord. Hier herrscht also in der Sache Eintracht, und beide sorgen dann auf ihre Weise dafür, daß der Mord als eine nicht erlaubte Handlung angesehen wird und bestraft wird.
Es gibt nun Handlungen, die der Staat verbietet, aber die Kirche als erlaubt ansieht. Ein Beispiel dafür ist, daß Kirchengemeinden Menschen ein Kirchenasyl gewähren, deren Antrag auf Asyl nach einer rechtsstaatlichen Prüfung als unbegründet abgelehnt worden ist. Die Kirchengemeinde ermöglicht so abgelehnten Antragstellern auf Asyl ein Weiterleben in Deutschland. Das ist sicher ein sehr problematischer Fall, denn es ist dabei völlig unklar, woher eine Kirchengemeinde sich die Kompetenz anmaßt, besser als die Gerichte beurteilen zu können,ob hier der Asylantrag anzunehmen ist. 
Eines ist klar: der Fall, daß die kirchliche Morallehre und das staatliche Recht materialiter in eins fallen könnten ist ausgeschlossen, denn wie sollte etwa ein Staat einen Mangel an praktizierter Nächstenliebe strafrechtlich verfolgen! Eine völlige Trennung des staatlichen Rechtes von der kirchlichen Morallehre ist streng genommen auch nicht vorstellbar. Die Gebote, du sollst nicht morden, du sollst nicht stehlen, werden in jedem Staate prinzipiell gelten, auch wenn der Staat dann Ausnahmen zubilligt, etwa daß straffrei ungeborene Kinder getötet werden dürfen oder daß der Mundraub erlaubt wird! 
Was bedeutet dies nun für die Causa der Erlaubbarkeit enier Beihilfe zum Freitod? Zuvörderst: nur wenn ein freiwillig beabsichtigter Freitod vorliegt, kann eine Beihilfe erlaubbar sein. Wenn der begründete Verdacht vorliegt, daß der den Wunsch zur Beihilfe zur Selbsttötung Äußernde nicht Herr über sein Wollen ist, (etwa alkoholisiert oder in Folge einer psychischen Erkrankung), gilt die Mutmaßung, daß, wenn er wieder Herr über seinen Willen sein wird, er die jetzt gewollte Selbsttötung nicht mehr will, sodaß jetzt ihm die gewünschte Beihilfe zu verweigern ist. In Deutschland ist der Freitod keine unerlaubte strafbare Handlung und so kann eine Beihilfe zu einer nichtstrafbaren Handlung nicht eine strafbare sein. Moraltheologisch gilt dagegen der Freitod als Todsünde und so ist auch eine Beihilfe zum Freitod eine Sünde. Das gilt aber nur für die Morallehre der Kirche und nicht für das staatliche Gesetz. 
Für das staatliche Gesetz gilt aber, daß das, was im Prinzip keine strafbare Handlung ist, für bestimmte Peronengruppen doch eine strafbare Handlung ist.  Dafür könnte meines Wissens das Problem intimer Beziehungen mit Abhängigen stehen, etwa wenn ein Lehrer eine Intimbeziehung zu einer seiner Schülerin unterhält. Eine Intimbeziehung zu einer 16 Jährigen kann moralisch gesehen als sehr problematisch angesehen werden, nicht nur, weil sie vorehelich ist, aber wenn das Mädchen dann sich in einem Abhänigigkeitsverhältnis zu dem Mann befindet, etwa als Auszubildende oder Schülerin, dann besteht der Verdacht eines Mißbrauches eines Abhängigkeitsberhältnisses, und der ist strafbar. Und so ist auch der Gruppe der Ärzten und dem Pflegepersonal in Hinsicht auf ihre Patienten eine Beihilfe zum Freitod unerlaubt- es besteht der prinzipielle Verdacht eines Mißbrauches dieses besonderen Verhältnisses von dem Arzt zu seinen Patienten. Wer nun weiter daran festhalten will, daß Ärzte und ihnen subordinierte Berufsgruppen (Pfleger etc) keine Beihilfe zum Freitod leisten dürfen, darf dann nicht das Kind mit dem Wasser ausschütten und jetzt allen Bürgern eine Beihilfe zum Freitod verbieten.                
Zu fragen ist aber, ob wirklich jede Beihilfe zum Freitod durch Ärzte und ihnen subordiniertes Personal weiterhin eine strafbare Handlung sein muß. Es muß dabei unbedingt unterschieden werden zwischen der moraltheologischen Frage der Erlaubbarkeit einer solchen Beihilfe und der, ob eine Beihilfe strafrechtlich verfolgt werden soll! Das grundsätzliche Problem läßt sich so bestimmen: wenn der Freitod keine strafrechtlich geurteilt Handlung ist, mit welchen Recht wird dann einer Person, die den Freitod realisieren will, ihn aber nicht ohne eine fremde Beihilfe realisieren kann, diese Beihilfe verweigert, wenn die Beihilfe von einem Arzt oder einer ihm subordinierten Personengruppe erwünscht wird. Zur Veranschaulichung: man stelle sich einen Gelähmten vor, der ohne eine Beihilfe ein in Wasser aufgelöstes tödliches Gift nicht zu sich nehmen kann. Wäre er nicht gelähmt, könnte er es selbstständig einnehmen, nun bittet er aber ein Pflegepersonal, ihm das Glas mit dem Gift zum Trinken zum Munde zu führen, damit er es dann trinken kann. Darf es so sein, daß stark Mobilitätsbeeinträchtigte die Möglichkeit zum Freitod verwehrt wird, indem ihnen jede Beihilfe zum Freitod verboten wird oder nur die ärztliche. Es drängt sich der Eindruck einer Diskriminierung von Mobilitätsbeeinträchtigen auf, also konkreto von Menschen, die nicht mehr in der Lage sind, ihren Freitod ohne eine Beihilfe zu realisieren. Gravierender ist dabei das prinzipielle Problem, ob Menschen durch eine Unterlassung einer solchen Beihilfe gegen ihren Willen zum Weiterleben gezwungen werden dürfen. Es geht hier ja nicht um ein seelsorgerliches Gespräch, in dem der Suizidwillige von seinem Vorhaben abgebracht werden soll, sondern um ein Erzwingen des Weiterlebens gegen den Willen und ohne die Zustimmung des Patienten! Wenn dann noch eine Schmerztherapie von Nöten ist, weil der Patient nur durch starke Drogen schmerzfrei gehalten werden kann, stellt sich die Frage: darf gegen den Willen des Patienten er so mit Drogen behandelt werden?  Es ist der elementare Unterschied zwischen einer Seelsorge an den Freitod Wollenden, die auf das freie Ja des Patienten zu einem Weiterleben ausgerichtet ist und einer Erzwingung des Weiterlebens des Patienten ohne und gegen den Willen des Patienten. Ist es wirklich human, Menschen gegen ihren ausdrücklichen Willen zu einem Weiterleben zu zwingen- auf diese Frage asntworten die Befürworter eines Verbotes jeder Art von Beihilfe zum Freitod nicht. Aber das ist die Kernfrage des Unterchiedes von einer moralischen Verurteilung einer Beihilfe zum Freitod von der einer strafrechtlichen Beurteilung als verbotene Handlung! Zudem muß, wenn jede Beihilfe zum Freitod strafrechtlich unerlaubt sein soll , unbedingt der Freitod wieder als Straftat gelten, sodaß ein gescheiterter Freitod dann auch wieder durch den Staat bestraft wird, dann wohl mit einer Gefängnisstrafe.     

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