Wir sollten die pharisäische Praxis der Sabbatheiligung nicht schlechter machen, als sie war, zumal das Licht der Welt, um zu leuchten, keine schwarz gemalten Pharisäer bedarf. Am Sabbat sollte der Jude arbeitsfrei haben, damit er sich dann auf das Wesentliche, auf Gott ausrichten konnte. Wer arbeitet, der ist eben um des erfolgreichen Arbeitens willen auf die Arbeit kapriziert. Aber bestimmte Arbeiten müssen nun mal auch am Sabbat verrichtet werden, weil sie notwendig und unaufschiebbar sind. Oder was sollte man von einer Feuerwehr halten, die, wenn es an einem Sabbat brennt, die Löscharbeiten nicht aufnähme mit der Begründung, daß auch für sie der Sabbat ein arbeitsfreier Tag sei?
Die Sabbatorthopraxie der Pharisäer versuchte nun (und versucht es heute immer noch), das religiöse Anliegen der Sabbatheiligung mit den Notwendigen des Lebens auch am Sabbat in Enklang zu bringen. Wenn nun Jesus Christus am Sabbat einen chronisch Kranken, etwa einen Blinden oder Gelähmten heilt, dann urteilten sie, daß er nun a) als Arzt arbeite und b) Krankheiten heile, deren Heilung getrost auf den nachfolgenden Tag verschiebbar wären, auch ohne dem Erkranken so Unzumutbares aufzubürden- daß etwa ein von Geburt an Blinder eben noch einen Tag länger sein Blindsein zu ertragen hätte mit der Zusage, morgen dann geheilt zu werden.
Jesus revolutionierte diese Praxis mit einer einfachen Frage: "Ist es erlaubt, am Sabbat Gutes zu tuen?"Jede Heilung ist etwas Gutes, und verlangt nicht das Gesetz Gottes von uns, daß wir unserem Nächsten Gutes tuen? Jesus Christus heilte so am Sabbat, weil er gerade an diesem Tage Menschen etwas Gutes tuen wollte. Aber aus Sicht der Pharisäer arbeitete er dabei als Arzt.
Blenden wir um zu unserer christlichen Sonntagspraxis. Arbeiten am Sonntag alle Ärzte, weil sie gerade am Sonntag ihren Mitmenschen Gutes tuen wollen? Werden an Sonntagen alle Operationen durchgeführt, die man auch an jedem Werktage durchführen könnte, oder werden an den Sonntagen nur wirklich wichtige und nicht aufschiebbare Operationen realisiert?
Was anderes: Wenn ein Bäcker Semmeln bäckt, tut er doch wirklich etwas Gutes, wenn man an die zufriedenen Kunden denkt, genießen sie frische Semmeln. Darf dann ein Bäcker am Sonntag nicht backen, keine Semmeln produzieren, obgleich das doch ein gutes Tuen für viele Kunden wäre? Ja, wer dürfte überhaupt am Sonntag seine Arbeit einstellen, wenn man davon ausgeht, daß in jeder Arbeit etwas für Mitmenschen Nützliches und so Gutes hervorgebracht wird?
Meine man, daß die Produktion von Autos etwas Gutes ist, denn wie viele sind auf ein PKW angewiesen, um auf ihre Arbeit fahren zu können, dann dürften an Sonntagen nicht einmal die Fließbänder in Autowerken still stehen.
Der Sonntag wäre damit ausgelöscht, nur weil jeder nun in seinem Berufe Gutes für Mitmenschen wirken wollte. Soll so der Sonntag nicht völlig entkernt werden, muß also wieder zwischen am Sonntag notwendig zu verrichtender Arbeit und verschiebbarer distinguiert werden. Die notwendige ist dann zu leisten, die andere ist auf den Montag zu verschieben. So hat immer eine Apotheke offen zu haben für die Ausgabe von Medikamenten, aber kein Friseursalon braucht an Sonntagen einen Notdienst zu leisten. Nur, wie viele Frauen urteilen, daß gerade eine neue Frisur ihnen etwas besonders Gutes ist!
Die Preisfrage lautet nun: Praktizieren wir so nicht den Sonntag, wie die Pharisäer den Sabbat halten lernten? Nur, geht das denn anders, angesichts der Erfordernissen des Lebens und des Willens zur Sonntagsheiligung?
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