Sonntag, 20. Juli 2025

Über die Verwandelbarkeit der Religion in einen Moralismus – oder der Tod der christlichen Religion

 

Über die Verwandelbarkeit der Religion in einen Moralismus – oder der Tod der christlichen Religion


Ein Theologe hört auf,Theologe zu sein wenn er die Menschen nicht mehr für sündhaft oder erlösungsbedürftig hält und Erlöste von Nicht-Erlösten,Auserwählte von Nicht-Auserwählten nicht mehr unterscheidet,1 während der Moralist eine Wahlfreiheit zwischen Gut und Böse voraussetzt.“2So distinguiert Carl Schmitt das Eigentümliche der Religion von dem Moralischen.Ich möchte nun diese antithetische Gegenüberstellung als ein Verwandelungs-verhältnis interpretieren, daß in der Religion selbst die Möglichkeit zur Verwandelung in einen puren Moralismus innewohnt.

Der Moralismus, wie ihn hier Schmitt erfaßt, hat zu seinem Zentrum den Glauben, daß der Mensch a) von sich aus erkennen kann, was das Gute und das Böse sei und daß er b) auch die Kraft besäße, gemäß dieser Erkenntnis dann sein Leben zu führen. Wenn Gott in einem Moralsystem noch eine Rolle spielen kann, dann reduziert die sich auf zwei Funktionen, daß er a) der Grund dafür ist, daß der Mensch aus sich heraus das Gute erkennen und dann auch realisieren könne, so habe er den Menschen erschaffen und daß er b) dann auch den moralisch gelebt habenden Menschen mit dem ewigen Leben belohne. Denn Gott könne von dem Menschen nichts anderes verlangen, als was jeder Mensch kraft seiner Eigennatur auch selbst aus sich heraus realisieren könne.

Die Religion, präziser wäre es, spräche man im Sinne Carl Schmitts von der Erlösungsreligion glaubt den Menschen nicht nur als einen erlösungsbedürftigen sondern auch als allein von Gott auch erlösbaren. Da Gott der ist, der erlöst, ist auch er der erwählt, wen er erlösen will und wen nicht.Er setzt die Differenz der Erwählten zu den Nichterwählten. Gott mutet uns zu, das Volk Israel als das eine Volk zu glauben, das er erwählt hatte und der damit alle anderen Völker nicht erwählt hat und der im Neuen Bund zwischen den Erwählten, dem Volke Gottes und den Nichtdazugehörigen unterscheidet, daß er nicht alle erwählt hat, zum Volke Gottes zu gehören.

Aber nun bringt eine Erlösungsreligion auch aus sich selbst heraus einen sie am Ende selbst destruierenden Gedanken:Wenn nun Gott als seine Geschöpfe, die Menschen liebender geglaubt wird, dann müsse er doch als jeden Menschen liebender geglaubt werden. Dann könne er doch auch von einem von ihm Geliebten nicht mehr verlangen, als das, wozu er als Gottes Geschöpf fähig und befähigt ist. Das ist der Kerngedanke des Pelagianismus, daß so jeder Mensch, wenn er nur das an Gutem erkennt und realisiert, was ihm auch möglich ist,so lebt, wie Gott es von ihm verlangt. Wenn der Mensch das an Gutem ihm so mögliche realisiert, dann reiche das aus, daß Gott ihn dafür auf Erden und dann im Jenseits mit dem ewigen Leben belohnen wird. So transformiert sich eine Religion des Typus der Erlösungsreligion in einen schlichten Moralismus, der für die Morallehre ganz auf Gott verzichten kann, sie braucht ihn nur noch als einen Belohner für das moralisch gut geführte Leben.

Dieser Vorstellungskomplex, das pelagianistische System ist so die jeder Erlösungsreligion innewohnende Möglichkeit zur Selbstauflösung in einen puren Moralismus, der dann gar ganz auf Gott verzichten kann, wenn das moralisch gute Leben als ein sich selbst belohnendes gedacht wird, daß das gute Leben im moralischen Sinne auch schon das gute ist im Sinne von dem sich lohnenden Leben. Das pelagianistische System gefällt, weil es dem Menschen ermöglicht, an sich selbst als zum Guten Befähigtem zu glauben. Und es gibt uns ein Gottesbild, das unserem Gerechtigkeitsempfinden entspricht: Gott könne doch nur von uns etwas verlangen, was wir auch aus uns selbst heraus ohne die Mithilfe der göttlichen Gnade vermögen. Der Mensch wird hier als so vermögend gedacht, daß er Gottes Gnade zum Guten nicht bedürfe, weder daß Gott ihm offenbaren müßte, was das Gute und somit das Böse sei noch daß er der Gnade bedürfte,das als gut Erkannte zu realisieren.

Jede Religion, jede Art von Offenbarung ist so überflüssig, es reiche aus, daß der Mensch vernünftig lebe. Aber das ist nicht einfach die Antithese zur Erlösungsreligion, sondern etwas, das sich selbst aus der Erlösungsreligion herausentwickelt hat: dafür steht Pelagius, nicht jetzt als eine konkrete Gestalt der Kirchengeschichte, sondern als der Typus,der die christliche Erlösungsreligion aus sich selbst heraus destruiert durch den Glauben an seine eigene moralische Selbstperfektionierbarkeit! 

Corollarium

Die Kaprizierung der Kirche auf die Menschenrechte ist eine besondere Version der Transformation der christlichen Erlösungsreligion in einen  Moralismus.

1Da manchem Leser die Vorstellung von nicht von Gott Erwählten als sehr anstößig empfunden werden könnte und das nicht unrechtens, dem sei die eheliche Liebe zum Bedenken empfohlen: Nur eine Frau liebt der Ehemann und die vielen anderen nicht. So liebt Gott auch nur die von ihm erwählte, die Kirche als seine Braut..

2Carl Schmitt, Der Begriff des Politischen, 6.Auflage, 4.Nachdruck der Ausgabe von 1963, S.63.

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