Gefährliche Illusionen über den Menschen – eine Kritik der Menschenbilder
Was und wie ist der Mensch?, diese Frage darf nun nicht verwechselt werden mit der der Moral: Wie soll der Mensch sein?, und dann verfügen wir gar noch über das Vermögen des Wünschen, wie wir uns den Menschen wünschen, daß er sein möge.Ein Menschenbild ist in der Regel ein komponiertes Werk, bestehend aus indikativischen, imperativischen und optativischen Elementen: So ist der Mensch, so soll er sein und so ist er wünschenswert.Verhängnisvoll ist es nun, wenn diese drei Aussagemodi nicht klar von einander abgetrennt vermengelt werden. Genauso gravierend ist die damit mitgesetzte Neigung, die Frage, welches Menschenbild sei denn wahr?, zu ersetzen durch die, welches einem denn am meisten zusage?
Aber wie soll dann eine optativische Aussage: „möge der Mensch doch so sein!“, auf seinen Wahrheitsgehalt überprüft werden und wie eine imperativische: „So hat der Mensch zu sein!“ Der Realitätsgehalt indikativischer Aussagen gilt nun als überprüfbar als die Frage: „Stimmt die Aussage mit der Realität des Menschen überein?“,aber schon die Anfrage: „Könnte er nicht auch anders sein, ist er so geworden, hätte er nicht auch anders werden können?“. Das konjunktivische Denken bringt so die simple Antwort, es sei, wie er ist, in eine arge Bedrängnis.
Der Philosoph Peter Sloterdijk bemerkt nun: „Die Menschheit befindet sich heute in einem ungeheuren Durchmischungs- und Mpbilisierungsvorgang,der voller Risiken ist und der mitangetrieben wird von sehr illusorischen Vorstellungen über die Verträglichkeit und Vermischbarkeit von allem mit allem.“1 Wie ist denn nun aber eine illusionäre von einer nichtillusionären zu unterscheiden? Die naivste und somit populärste Version ist nun die, daß jeder die ihm eigene für wahr und alle anderen, dazu sich different verhaltende für unwahr erklärt: „So wie ich den Menschen sehe, so ist er, weil ich ihn so wahrnehme!“ Wäre der Diskurs über den Menschen nur ein Unterhaltungsprogramm,empföhle es sich, Vertreter der verschiedensten Meinungen über den Menschen miteinander öffentlich streiten zu lassen,damit am Ende ein Moderator resümieren kann:“Niemand weiß Gewisses, so laßt uns immer weiter miteinander diskutieren!“
Aber es müssen im politischen Raum Entscheidungen getroffen werden, etwa über die Bejah- und Wünschbarkeit des Projektes der Etablierung multiethnischer und multikultureller Gesellschaften. Ob dies Projekt nun aber als wünschbar und als realisierbar angesehen wird, das hängt entscheidend von der Frage ab, wie der Mensch gesehen wird.Gerade im politischen Diskurs entscheidet die Anthropologie, indem sie eine politische Entscheidung fundiert, wenn denn fundiert entschieden wird.So meint Carl Schmitt: „Man könnte alle Staatstheorien und politischen Ideen auf ihre Anthropologie prüfen und danach einteilen, ob sie, bewußt oder unbewußt einen >von Natur bösen< oder einen > von Natur guten < Menschen voraussetzen.“ 2 Er fügt nun hinzu: „Dennoch bleibt die merkwürdige und für viele sicher beunruhigende Feststellung, daß alle echten politischen Theorien den Menschen als >böse< voraussetzen, d.h als keineswegs unproblematisches, sondern als >gefährliches< und dynamisches Wesen betrachten.“3
Daß der Mensch so gesehen wird, er fügt als Belege u.a. an: Macchiavelli, Hobbes, de Maistre, Donoso Cortes, scheint nun selbst wiederum auf die Entscheidung dieser Philosophen zu basieren. Ein Dezisionismus in der Frage der Anthropologie blldete so das Fundament dieser politischen Theorien. Aber hier herrsche nun doch keine Willkür:So entscheide sich der Pädagoge notwendig für den Glauben an die Erziehbarkeit jedes Menschen, der Theologe sei nur ein Theologe, wenn er den Menschen für erlösungsbedürftig hält, und der Moralist müsse daran glaubt, daß jeder Mensch eine Wahlfreiheit besäße, zwischen Gut und Böse zu wählen.4
Für was für eine Anthropologie soll also im politischen Diskurs sich entschieden werden, wenn eine Vielzahl von Menschenbildern zur Verfügung steht? Ideologisch Gebundene werden hier gemäß ihrer Ideologie sich entscheiden. Es könnte aber auch pragmatisch entschieden werden. Gesetz den Fall, ich entscheide mich falsch, wann entsteht dann bei allen möglichen Fehlentscheidungen der geringste Schaden? Wer urteilt, daß alle Menschen von Natur aus zum Guten neigen und irrt sich dann, wird einen größeren Schaden für die Allgemeinheit verursachen als wer irrtümlich annimmt, daß dem Menschn eine Neigung zum Bösen zu eigen ist und so zur Vorsicht mahnt, Dem könnte mit dem Argument widersprochen werden, daß die moderne Welt von einem humanitaristischen Menschenbild ausginge, daß für alle Diskursteilnehmer des Politischen so auch verpflichtend sei. Aber das ist eine rein ideologische Vorstellung,die nur in dieser Ideologie als eines ihrer Elemente wahr ist – so wie es den 11 Meterfreistoß nur im Fußball und nicht im Handball oder Basketball gibt.
Optimistisch gestimmte Anthropologien könnten sich als gefährliche Illusionen im politischen Diskurs erweisen
Corollarium
Aus theologischer Sicht muß stets für einen starken Staat optiert werden, um die Neigungen des Menschen zum Bösen einzudämmen!
1P.Sloterdikijk, H-H.Heinrichs, Die Sonne und der Tod. Dialogische Untersuchungen, 2001, S.188.
2Carl Schmitt, Der Begriff des Politischen, 1932, Nachdruck 1963, S.59.
3A.a.O. S.61.
4Vgl : A.a.O. S.63.
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