Man könnte meinen, daß eine Kultur durch den Primat einer bestimmbaren Gruppe von Menschen bestimmt wird, sodaß etwa eine Kultur durch den Primat des Kaufmanns bestimmt sei, wie man es der englischen Kultur nachsagt, der preußischen durch den Primat des Offizieres und Beamten- oder einfacher der bürgerlichen durch den Bürger. Ernst Jünger sah die Zukunft durch den Typus des "Arbeiters" bestimmt, Ernst Niekisch in seinem großen Essay: "Die dritte imperiale Figur" den Industriearbeiter. "Jedes Zeitalter formt ein Urbild gerade jenes Menschen, der ein Organ der zeitgemäßen Tendenzen ist, der in vollem Einklang mit den wirkenden Triebkräften steht. In diesem Urbilde zeigt es sich, wohin das Zeitalter treibt und worin es seine Vollendung sucht. Das Urbild faßt den Gehalt der Zeit gestaltmäßig in sich zusammen; es ist so spannungsreich, so großräumig und so horizontal, wie das zugehörige Zeitalter es ist; es pflegt dessen Gesinnungen, verwendet dessen Wertmaßstäbe und verkörpert dessen Haltung. Seine Probleme sind eben die Probleme seiner Zeit. Das Urbild ist Vorbild, ist Wesensleitbild; es ist der Typus des zeitnotwendigen Menschen." E. Niekisch, Die dritte imperiale Figur, 1935, 38.Kapitel.
Ob unsere Gegenwart vom Leit- und Urbild des Konsumenten her begreifbar sein könnte? Produziert wird und es werden Dienstleistungen angeboten, die alle letztendlich auf den Konsumenten ausgerichtet sind, der als Endverbraucher fungiert. Was wie produziert wird, muß sich so auf den Konsumenten orientieren Damit ist schon eine Grundentscheidung getroffen: die Ökonomie kapriziert sich in ihrer Produktion auf die Nachfrage auf dem Markt- nicht nach dem Bedarf. Ein Armer, der an Hunger leidet, hat wohl einen Bedarf an Lebensmitteln, aber ohne mit Kaufkraft ausgestattet zu sein, kann er seinen Bedarf nicht als Nachfrage auf dem freien Markt zur Sprache bringen und so wird auch nicht für ihn produziert. Daß es in der Welt Hunger gibt, ist so nicht eine Folge eines Mangels an produzierbaren Lebensmitteln sondern einzig die Folge von fehlender Kaufkraft der Hungernden. So könnte man die Nachfrage des Konsumenten als das Zentrum der postmodernen Welt bezeichnen, auf das hin sich alles andere hin orientiert. (Die feinsinnigste Reflexion dieses Zentrums präsentiert wohl Frank Lisson in "Homo absolutus)
Zugleich ist der Konsument der, der von allen Anbietern versucht wird, so zu manipulieren, daß er genau das konsumiert, was er auch konsumieren soll. Nicht er, sondern das Angebot bestimmt ihn. (Hierfür bietet wieder Frank Lisson in "Homo viator" eine sehr feinsinnige Analyse.
Das Urbild des Konsumenten ist so das freie Subjekt, das selbstbesimmt, was es konsumieren will- und das beinhaltet nun nicht nur einzelne Konsumwaren- sondern auch und gerade sein ganzes Leben als Projekt Das existentialistische Pathos des unbestimmten Menschen, der sich in einem Selbstentwurf erst kreiert, (Sartre) reduziert sich dabei auf die Auswahl von einem Lebensstil und dem Dazugehörigen an Ausstattung als kaufbares Gesamtprojekt, von wie kleide ich mich bis: wo verkehre ich mit wem? Gab es in der Moderne noch Werte und Normen der Auswahl, des guten Konsumierens, so ist das Signum der Postmoderne die Entwertung aller den freien Konsum regulierenden Werte: kaufe, was dir gefällt und laß dir von niemanden hier Vorschriften machen. So gibt es für den Bereich der Kunstproduktion keine ästhetischen Maßstäbe mehr außer dem des Erfolges wie gut läßt sich etwas verkaufen. Die Deregulierung des Kunstmarktes setzt so als Gegenpol den einzigen Wert eines Kunstwerkes in seiner Wie-Verkaufbarbeit voraus. Der freie Konsument konstruiert sich so seinen eigenen Stil als Mix aus allem, was ihm gefällt
Und so agiert der postmoderne Konsument auch auf dem freien Markt der Religionsangebote. Kunden haben Konsumwünsche- sie wünschen sich bestimmte kirchliche Dienstleistungen und das Nachkommen nach dieser Nachfrage legitimiert dann die Religionsorganisationen. Der Katholischen Amtskirche wird dann ununterbrochen vorgeworfen, daß sie an der Nachfrage vorbei ihre Dienstleistungen anbietet und deshalb sich der Marktnachfrage besser einzupassen habe. Und in diesem Punkte scheinen sich die Deutsche Bischofskonferenz und das Laien-ZK einig zu sein, nur daß das Laien-ZK sich mehr Reformen als Anpassung an die Nachfrage wünscht, während die Bischöfe eher fürchten, durch ein Zuviel an Anpassung Stammkunden zu verlieren, die eben am Traditionellen hängen.
Der Maßstab für was soll die Kirche lehren und tuen, wird so die Nachfrage und die Konsumwünsche der Konsumenten. Der moderne Maßstab der Wahrheit- die Kirche sei der Wahrheit verpflichtet- verliert so an Bedeutung Selbstredend stand die Kirche mit ihrer Lehrtradition immer im Feuer der modernen Kritik: ist denn das, was die Kirche da lehrt, auch wirklich wahr? Der aufklärerischer Begriff des Wahren war eben nicht einfach kompatibel mit dem, was die Kirche als Kriterien für das Eruieren dessen, was als wahr zu gelten habe. Aber es gab noch ein Forum, das des vernünftigen Denkens, in dem Kirche und Philosophie miteinander reden konnten. Die Postmoderne frägt dagegen im Geiste Nietzsches: warum das Wahre bevorzugen ? Wenn "unwahre" Kunst sich besser verkaufen läßt als wahre, warum soll dann "wahre" produziert werden? Anselm Grüns Religionstraktätchen verkaufen sich halt besser als die Opera eines Thomas von Aqiun! Schließlich schalten auch mehr Zuschauer Rosamunde Pilcherfilme ein als eine Literaturverfilmung eines Klassikers. Und so bestimmt die Einschalt- und Verkaufsquote. "Was ist wahr?" ist somit eine zu vernachlässigende Frage auch bei der Produktion von religiösen Angeboten. Darum eben wünscht jetzt das Laien ZK kirchliche Segnungen für Homosexpaare, weil die Gesellschaft als Summe aller potentiellen Konsumenten das so sich wünscht !
In der Politik erleben wir das selbe Phänomen. Der Begriff des Sachgemäßen ist aus dem politischen Diskurs weitestgehend verschwunden und wird ersetzt durch die Frage: wie kommt das bei den politischen Konsumenten an? Der hysterisch proklamierte Ausstieg aus der Atomenergie ist dafür wohl das Musterbeispiel irrationaler Energiepolitik, die sich eben zum Sklaven von Konsumentenstimmungen macht.
All dem steht aber kontrafaktisch die Wahrheit gegenüber, daß der Konsument durch die Angebote so sehr bestimmt wird, daß kaum noch von freien Entscheidungen gesprochen werden kann. Ein banales Phänomen eine Bundestagswahl- oder eine Landtagswahl. In der Regel sagen die großen Meinungsbefragungsinstitute, bevor noch der erste Stimmzettel ausgefüllt worden ist, das Wahlergebnis so präzise voraus, daß man sagen kann, daß die Wahl schon entschieden ist, bevor der erste freie Konsument seine Wahl treffen wird. Die freien Wähler realisieren dann nur noch das längst schon Entschiedene. Und das gilt fast für alle Konsumentscheidungen! So wenig die Einzelentscheidung voraussehbar ist, so kann jede große Firma voraussagen, daß der Artikel x im nächsten Jahr ungefähr so viel mal verkauft wird und der Artikel y so vielmal- auch wenn dann ab und zu eine Prognose nach oben oder unten verändert werden muß. Das Verhalten der Masse der Konsumenten ist so vorhersagbar, wenn auch nicht die des Einzelentscheiders.Aber in der postmodernen Massengesellschaft zählt nur noch die Masse, wobei sich jeder Einzelne dabei als das ganz Besondere fühlt, der ganz individuell konsumiert. Nie war wohl das Massenkonsumverhalten so homogen, während sich der Einzelkonsument ganz frei in seinem Erwählen und Nichterwählen vorkommt.
So existiert der souveräne Konsument und zugleich ist er ein medialer Konsument, einer, der durch die Aussendungen der Massenkommunikation Bestimmter ist! Er ist permanent auf Empfang und agiert gemäß den empfangenen Aussendungen. Aber dieser so konditionierter Massenkonsument ist nun auch der, nach dem sich wieder die Gesamtproduktion ausrichtet- und die Kirche der Postmoderne will nun diesem Konsumenten nach dem Munde reden- wie auch die Politik oder die Kunst. Findet in diesem doppelgesichtigen Konsumenten die Postmoderne nicht ihr Urbild- im Sinne Niekisch kann so ernsthaft diskutiert werden!
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