Wer kannt nicht die Lebensweisheit: man darf alles, nur sich nicht erwischen lassen!In Giovanni Boccaccios Dekameron liest sich das am 3.Tag in der ersten Erzählung so: "Masetto aus Lamporecchio stellt sich stumm und wird Gärtner in einem Frauenkloster, dessen Nonnen alle um die Wette mit ihn schlafen wollen." ( Das Dekameron Bd.1,Aufbau Verlag 1980, S.196)Die Nonnen erörterten die "Gefahr" schwanger werden zu können. Aber: "Willst du schon vom Unglück reden, bevor es eingetroffen ist? Wenn es wirklich soweit käme, dann würde sich auch ein Rat finden. Da gibt es tausend Möglichkeiten, daß niemand etwas davon erfährt, wenn wir selber nur schön den Mund halten." (S.200).Und so geschah es denn auch. Resümierend stellt der Erzähler fest:"Obwohl er[Masetto]fortan viele kleine Mönchlein zeugte, wurde alles so diskret betrieben, daß vor dem Tode der Abtissin nicht davon lautbar wurde."(S.202).Alles ist erlaubt, wenn es nur Niemand bemerkt-nach dieser Devise lebten so die Nonnen und die Äbtissin dieses Klosters. Und Gott? "Weißt du nicht mehr, daß wir unsere Jungfräulichkeit dem Herrgott versprochen haben?"-"Ach",fuhr die erste fort,"wie viele Versprechungen werden ihm nicht täglich gemacht, die niemand hält!Wenn wir es ihm auch gelobt haben...Es wird sich schon eine oder die andre finden,die ihr Versprechen hält."(S.200)So einfach sind diese Nonnen Gott und ihr Versprechen an ihm los.
Hier gilt nur noch: Moral ist etwas Zwischenmenschliches. Es bindet den Menschen nur, weil er Sanktionen von seinen Mitmenschen zu befürchten hat, wenn ein Verstoß publik wird. Kann man sich aber sicher sein, daß der Verstoß gegen die Moral verborgen bleibt, dann kann man machen, was man will.Und warum wollen die Nonnen nun so sündigen? Zuerst ist da ihre Klage über ihre Enthaltsamkeit, daß sie so streng gehalten werden (S.199)und: "Ich habe oft von den Frauen vernommen, die uns besuchten, daß alle Freuden der Welt nichts sind gegen die Lust, die Mann und Frau einander schenken." (S.200).Auch hier muß eines auffallen: diese Klosterfrauen kennen als Lebensraum nur noch diese Welt und sie haben dann aus zuverlässiger Quelle, von anderen Frauen, gehört, daß sie in ihrem Klosterleben auf das summum bonum des Lebens, die Lust der geschlechtlichen Liebe verzichteten. Das schönste wird ihnen so vorenthalten. Aber sie könnten das auch erleben, wenn sie es nur heimlich praktizieren, sodaß es nicht publik wird.
Szenenwechsel: Ein Heiliger besucht in cognito eine Prostituierte, um sie von ihrem Lebenswandel abzubringen. Er frägt sie, ob sie denn hier auch unbemerkt von allen anderen Menschen seien. Gewiß- "Nur Gottes Auge: sonst kann niemand uns hier sehen." "Weißt du denn, fuhr der heilige Mann fort, "daß es einen Gott gibt, der allsehend ist?" "Wer weiß das nicht?" antwortete Thais [die Prostituierte]. "Ich weiß, daß ein Gott lebt, daß er die Guten belohnt und die Bösen bestraft." -Nun fragte sie Paphynuntius: "Sag mir, wie konntest du, wenn du das glaubst, vor den Augen Gottes so viele Seelen verführen und ins Verderben stürzen?-Wie kannst du deiner Seele solche Verantwortung, solche Verdammnis zuziehen?" (M. Sintzl, Maria. meine Zuflucht und mein Trost, Neue verbesserte Auflage 1019, S. 693f)
Der Unterschied: Nonnen und eine Prostituierte sündigen im Verborgenen-aber in dem Augenblick, wo der Prostituierten Gott vergegenwärtigt wird, daß es für ihn kein Sündigen im Verborgenen gibt und daß er die Sünde strafen wird, da kehrt sie um. (S.694)
Die Nonnen und die Äbtissin, sie sind sich sicher, daß Gott es ihnen nicht nachteilig anrechnen wird, daß sie ihr Gelübde Gott gegenüber brechen-das tuen ja so viele. Und so gibt es für sie nur noch die Öffentlichkeit, die sie zu fürchten haben. Wenn es also gelingt, heimlich im Verborgenen zu sündigen, daß es nicht publik wird, dann können sie ruhig sündigen. Die Enthaltsamkeit wird so zu einer äußerlichen Tugend der Nonnen, die sie innerlich ruhig ablegen können, wenn es nur die Öffentlichkeit nicht bemerkt.
1.Wo Gott nicht mehr als Allsehender geglaubt wird, der dann auch und gerade die im Verborgen getane Sünde gerecht bestraft, da verliert die christliche Moral ihre Verbindlichkeit.
2. Zudem, wo die Welt, das irdische Leben als alleiniger Lebensraum vorgestellt wird, da wird die Suche nach der höchsten Lust auf Erden den Menschen immer auf die Sexualität als die Antwort stoßen lassen. Moralisten mögen dann anderes als die höchste irdische Lust bezeichnen, aber für den natürlich-sinnlichen Menschen wird es immer die Sexualität sein.
Nur, wenn der Zusammenhang zwischen dem Wie lebe ich auf Erden? und dem Erreichen des ewigen Lebens im Auge behalten bleibt, werden Menschen auf unerlaubte Lustgewinne auf Erden zu verzichten bereit sein, um des Zieles des ewigen Lebens willen.
3. Wenn aber das Erreichen des Zieles des ewigen Lebens als unabhängig von dem: Wie lebe ich auf Erden? erscheint, dann wird gewiß der Erdenmensch hier auf der Suche nach dem Erdenglück auf die Sexualität stoßen! Schon die Nonnen des Dekamerons fanden darin und nur darin ihre tiefste Befriedigung- und die heutigen auch so. Und: "Das Dekameron" ist schon sehr lange vor der Sexrevolution der 68er verfaßt worden!
4. Die Verbindlichkeit der Katholischen Morallehre ergibt sich nicht aus ihrer Immanenz, sondern daraus, daß Gott als endzeitlicher Richter geglaubt wird, der uns Menschen danach beurteilen wird, ob und inwieweit wir gemäß seinen Geboten gelebt haben! Wo das ausgeblendet wird, verwandelt sich auch die Katholische Moral in etwas rein Menschliches, sodaß gilt, daß man sie auch getrost nicht beachten braucht, wenn man nicht Sanktionen durch die Kirche zu fürchten hat, etwa als Angestellter der Kirche-aber hier will ja nun die Deutsche Bischofskonferenz das kirchliche Arbeitsrecht kraftvoll modernisieren, um so die Ehemorallehre der Kirche für ihre meisten Mitarbeiter als unverbindlich zu erklären!
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