Mehr als einmal frug ich Theologen, ob sie das 1.Gebot kennten, das Gott uns Menschen gab. Nicht ein Gefragter wußte die rechte Antwort, selbst in moraltheologischen Fragen Engagierte nicht. Das nachsynodale Schreiben des Papstes zur katholischen Ehe- und Familienlehre kennt es auch nicht; es wird da nicht zitiert! Wie lautet das erste nun? "Du sollst Gott lieben", oder "Deinen Nächsten" oder: "Erkenne Dich selbst!", oder....? Irgendwas mit Liebe wird es doch wohl sein und damit liegt man gar nicht so ganz falsch.
Beginnend mit Genesis 1,1 oder dem 1.Mose 1,1 finden wir sehr schnell die Antort auf diese Eingangsfrage. In der Vulgata (1,28) liest sich das so: " "Crescite et muliplicamini, et replete terram, et subjicite eam". (Deutsch: "Seid fruchtbar und mehret euch" und dem ist gleich das 2.göttliche Gebot angefügt: "und erfüllet die Erde und machet sie euch unerthan". (Vulgata,Hrsg: Augustin Arndt S.J. 1903)
Frägt man Theologen, was würde geschehen, wenn alle Menschen sich nach dem Vorbild Jesu von Nazareth orientierend so lebten wie er, bekommt man recht interessante Antworten zu hören- nur diese eine, die naheliegendste nicht: Alle Menschen lebten enthaltsam sodaß die ganze Menschheit in kürzester Zeit ausstürbe. Was Atombomben, die schlimmsten Naturkatastrophen und Unfälle nicht geschafft haben, lebten alle Menschen wie Jesus, der Tod der Menschheit stünde unmittelbar bevor.
Wenn das Ideal der vollkommender Nachfolge Jesu das klösterliche Leben ist, dann zeitigt dieses Ideal, realisierten es alle Menschen, ebenso die Folge des Aussterbens der Menschheit.
Und wohin tendiert die Katholische Morallehre über die Sexualität? Zum 1.Gebot oder zur Nachfolge Jesu auch im Punkto seiner gelebten Enthaltsamkeit?
Äußerst wichtig ist die Frage des Wanns: Wann gab Gott uns dies erste Gebot? Vor dem Sündenfall! Das ist keine Nebensächlichkeit, denn man könnte ja sonst denken, daß, weil der Mensch dem Todesschicksal unterworfen ist, er wird geboren, um sterben zu müssen, das Konzept der Fortpflanzung die natürliche Antwort auf dies Todesschicksal ist. Der Einzelne stirbt, aber das Menschsein erhält sich durch die Akte der Fortpflanzung. Weil Adam und Eva gesündigt hatten und weil Gott sie daraufhin dem Todesschicksal unterwarf, gab Gott ihnen das Konzept der Fortpflanzung, damit das Menschsein nicht verlöscht, obwohl jedes Einzelindividuum sterben muß.So wäre die sexuelle Fortpflanzung nur eine Art Notbehelf angesichts der Folgen der Ursünde.Dann ist es auch einsichtig, daß im Reiche Gottes die Sexualität und Fortpflanzung nicht mehr stattfindet.
Aber Gott wollte die menschliche Fortpflanzung, daß er sich vermehre unabhängig vom Todesgeschick des Menschen. Das Ziel der Vermehrung ist ja auch das der Beherrschung der Schöpfung durch die sich zu diesem Zwecke vermehren sollenden Menschen. Man könnte meinen, daß der Schöpfergott den zwei ersten Menschen die Welt als Rohmaterial übergab, damit sie mit ihren Nachkommen diese dann gestalten, sich unterwerfen und so sie erst vollenden.
Wie kann nun angesichts von einem so starken göttlichen Vitalismus die Enthaltsamkeit zur Tugend avancieren? Verbirgt sich etwa in dem klösterlichen Ideal einer lebenslangen Enthaltsamkeit eine Verneinung des Lebenswillens als Neinsagen zur Fortpflanzung?
Jesus Christus war der Hohepriester, der als solcher das Versöhnungsopfer am Kreuze Gott darbrachte. Zu diesem priesterlichen Beruf paßt die gelebte Enthaltsamkeit als täglich gelebtes Opfer, gerade auch weil der Priester in diesem Punkte kein Vorbild sein kann und darf. Nur dem Amtspriestertum kommt diese von Jesus Christus vorgelebte Enthaltsamkeit zu als Abrundung seiner Berufung zum Opferdienst. Würde aber jeder Christ so leben, stürbe das Christentum in kürzester Zeit aus!
Aber trotzdem scheint das priesterliche Ideal der Enthaltamkeit Schatten auf die allgemeine Katholische Morallehre geworfen zu haben, denn es ist sehr fraglich, ob die gesamte materiale Duchführung der Morallehre dem ersten göttlichen Gebot gerecht wird! Nicht die Enthaltsamkeit sondern der Nachwuchs hat das erste und oberste Ziel einer christlichen Sexualmoallehre zu sein.
Man denke nur an den einfachen Fall einer kinderlosen Frau, von der sich ihr Ehemann gegen ihren Willen hat scheiden lassen, sodaß sie ob ihrer gültig geschlossenen Ehe keine Familie mehr gründen darf, da das nur Verheirateten erlaubt ist, sie aber als Geschiedenwordende nicht mehr heiraten darf!
Oder noch einfacher: Was tun, wenn eine Frau eigene Kinder möchte, aber keinen Mann zum Heiraten findet? Die Katholische Ehelehre wird so-teilweise- zum Verhinderungsgrund der Erfüllung des ersten göttlichen Gebotes!
Oder sollte sich doch in das Christentum eine lebensverneinende Tendenz eingeschlichen haben, die ja bekanntlich Schopenhauer als die eigentliche Substanz dieser Religion im Einklang mit dem Buddhismus ansah und die Nietzsche dann zu dem Kritiker der christlichen Religion werden ließ?
Zumindest findet sich ja in der Sintflutgeschichte eine solche Tendenz in dem Urteil Gottes über seine eigene Schöpfung, daß er sie selbst gänzlich austilgen will, weil sie ihm selbst so zuwider geworden ist! Aber um des Opfers Noah willen, daß Gott weiterhin Opfer dargebracht werden, verzichtet Gott auf die Endlösung seiner Schöpfung und will sie stattdessen um des Opfers Christi willen erlösen!
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen