Die Kirche feiert das Fest der heiligen Familie und die Welt bekämpft sie. Alexander Dugin gilt als rechter, gar rechtsradicaler Denker Rußlands mit großer Ausstrahlungskraft, nicht zu unrecht. Was wäre auch von einem Intellektuellen zu halten, der nicht bis zu den Wurzeln hinab denken würde, also nicht radical denkt!
Aber was lesen wir nun in dem 13. Kapitel seines Buches: Geschlecht in der vierten politischen Theorie( Die vierte politische Theorie, 2013, S.211)?"Wir stehen an der Schwelle zwischen der Hypermoderne und der Postmoderne und wissen nicht, wo die Wahrheit liegt und wo die Wirklichkeit. In einem postmodern konstruierten Geschlechtsbild wird es also keine Männer mehr geben." Das Geschlecht, und somit auch das männliche sei ein soziales Konstrukt der Moderne bzw. ihrer Ideologien. "Es ist akzeptabel, >ein Geschlecht< im sozologischen Sinne, in anderen Worten als sozial konstruiertes Phänomen zu betrachten." (S.202) Auch ist das, was als Mensch zu gelten hat, ein soziales Konstrukt."In erster Linie ist >der Mensch< der Mann. Aus soziologischer Sicht sind Frauen erst vor kurzem >Menschen<geworden." (S.203) Die großen Ideologien, der Liberalismus, der Kommunismus und der Faschismus hätten so eine ideologische Vorstellung vom Mannsein in unterschiedlicher Weise. Der Liberalismus verfügt über ein rein vom Männlichen dominiertes Menschenbild, den "Homo oeconomicus" und den "Homo faber".Das Ziel sei nun, alle Menschen diesem Idealbild anzupassen, also isb die Frau zu vermännlichen. (S.204).Der Kommunismus wolle zwar die totale Geschlechtergleichheit, weil er erkannt hat, daß die Geschlechterpolarität ein bourgeoises Konstrukt ist, faktisch führt er aber selbst nur dazu, daß das archetypische Bild des rational dominierenden Mannes die Oberhand gewinnt, isb unter Stalin. Positiv merkt Dugin aber an, daß die "Überwindung der sozialen Konstruktion des >Mannes< erstrebt wird. (S.205f) Der Faschismus bzw Nationalsozialismus "übernimmt das Modell des städtischen, weißen, vernünftigen, reichen >Mannes< und hält ihn für das Höchste." Frauen sollten nur für Kinder, Küche und Kirche zuständig sein. (S.206)
All das seien nun nur soziale Konstruktionen der Moderne und jetzt, wo die Postmoderne anhebt, lösen sich diese Sozialkonstrukte alle auf und müssen durch neue ersetzt werden. Dem conservativen Versuch, das traditionelle Männer- und Frauenbild wiederherzustellen oder zu bewahren, gibt Dugin keine Chance. "Konservative Kräfte können die Aufrechterhaltung des Archetyps und die Wiederkehr der Männlichkeit fordern- dieses vernünftigen, wohlhabenden und weißen Menschen-,aber auf diese Weise versuchen sie nur, die Moderne durch Rekonstruktionen von Geschlecht fortzusetzen. " (S.211) Aber die Moderne ist schon am Absterben.
Alles ist so im Raume der Postmoderne neu zu konstruieren, auch die Subjekte des Widerstandes gegen die Globalisierung und der Schaffung einer Einheitswelt.
Eines muß aber verwirren: Entweder ist das Mensch- ,Mann- und Frausein jeweils ein soziales Konstrukt der Moderne oder es handelt sich um Archetypen. Sind es aber Archetypen, dann liegen sie als Uridee, Urbild allen sozialen Konstruktionen voraus, ja sie wären- platonisch gedacht- die Norm für alle sozialen Konstruktionen des Mensch-, Mann- und Frauseins. Aber so eine Norm will A. Dugin nicht: Alles soll frei konstruierbar sein und der Feind ist allein der, der im Geiste der Globalisierung hier ein universal verbindliches Menschsein vorschreiben will!
Wie Dugin das Mann- und das Frausein als Essens dekonstruieren will, so negiert er auch das Sein von Völkern und Nationen. Nicht Völker sind es, die um ihrer Identitätsbewahrung willen, sich der Globalisierung widersetzen, sondern Regionalkulturen, wozu er etwa auch Westeuropa zählt und nicht die Völker Europas.
Kann es dann noch die Ordnung der Familie geben und die des Volkes?Nach Dugin könnten diese Ordnungen nur noch als "Simulakrum" in der Postmoderne existieren, also als etwas Vorgespieltes, was es realiter nicht mehr gibt, weil schon aufgelöst.
Die Philosophie des Konstruktivismus dominiert so hier das Denken Dugins, daß es nichts Reales (mehr) gibt, sondern daß wir nur noch in einer sozial konstruierten Welt leben. Der Streit bestünde so nur noch darin, ob es zukünftig nur noch eine Einheitswelt als Sozialkonstrukt geben wird oder eine Polyphonie von verschiedenen in sich abgeschlossenen Kulturen mit jeweils ihnen nur eigenen Sozialkonstruktionen vom Mensch-, Mann- und Frausein!
Erstaunlicherweise enthält nun aber der Text Dugins gegen seine Autorenintention eine Lösung für dies Problem in dem Begriff des Archetypischen, wenn er als Antithese zur Vorstellung der sozialen Konstruktion als rein dezisionistischen Akt verstanden wird, als normative Idee , die den sozialen Konstruktionen dann den normativen Maßstab für sie lieferte. Das Archetypische ist ja das Abbild des Urbildes von etwas, wie es im göttlichen Logos ist. Das würde Moeller van den Bruck wohl- im conservativen Geiste, das zu bewahrende Ewige im Zeitstrom nennen.
Zusatz zu Dugins Volksverständnis:
"Der russische Nationenbegriff definiert sich traditionell
räumlich-landschaftlich und religiös-spirituell. Das Konzept einer
russischen Staatsnation à la Putin oder das Sowjetsystem widersprechen
diesem Ideal und erinnern eher an das römisch-lateinische Feindbild. Ein
Russentum auf biologisch-abstammungsmäßiger Grundlage widerspricht
gleichfalls jeder rußländischen Tradition. Dugin räumt dem Ethnos zwar
eine wichtige Rolle ein, nämlich das russische Volk als Träger der
Nation, sieht aber im Biologischen keine absolute Größe. Das wird an
seiner Haltung zum Auslandsrussentum deutlich. Alle russischen
Emigranten außerhalb Eurasiens (z. B. in Nordamerika oder Brasilien)
können keine authentischen Russen mehr sein, ihnen fehlt die
Bodenverwurzelung und das Leben im sakralen Raum Eurasien (siehe unten).
Zum authentischen Russen gehört zudem die Einheit mit der orthodoxen
Kirche (Sobornost) – andererseits macht die orthodoxe Taufe noch keinen
echten Russen aus.7" zitiert nach: Archiv > Jahrgang 2010 > NO IV/2010 > Die Eurasischen Bewegung und Alexander Dugin
Es muß gesagt werden, legt man Dugins vierte politische Theorie zu Grunde, daß es für ihn gar keine biologischen Tatsachen gibt, wie das Mann- und das Frausein, wie das Nationsein, sondern daß auch dies reine Sozialkonstrukte sind. Gibt es aber außer den Möglichkeiten von sozial zu konstruieenden Menschen-, Mann- und Frauseinbildern keine normative Vorstellung von der Idee des Seins, dann wird alles zur postmodernen Beliebigkeit: so oder so könnten wir konstruieren.
Oder denken wir an den Antihelden des Romanes : "Der Mann ohne Eigenschaften" (R. Musil) in dem der Protagonist schon an der Aufgabe des Wieeinrichtens seines neu erworbenen Hauses scheitert, da er angesichts der Vielzahl der Möglichkeiten des Wieeinrichtens keine Entscheidung für eine Möglichkeit fällen kann und dann wen beauftagt, sein Haus zu gestalten.
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