Was ist Zivilisation, was ist Kultur und wie verhält sich die Religion dazu? Hier gibt es sicher mehr Meinungen als Kalenderblätter- nur eines ist gewiß, daß hier wir uns Klarheit verschaffen müssen, auch um die Religion adäquat begreifen zu können. Alexander Dugin präsentiert nun in seinem Buch: "Die vierte politische Theorie" eine Orientierungsskizze zu dieser Problematik. Traditionell unterscheide man verschiedene Phasen der Menschheitsentwickelung, die der "Wildheit", der " Bar barei" und der "Zivilisation". ( 1. Auflage 2013, S.109) Anfänglich lebten die Menschen als Jäger und Sammler wild, dann kam die Phase der "Barbarei": analphabetische Gesellschaften, " die sich mit Landwirtschaft der einfachsten Art und Rinderzucht beschäftigten, ohne eine klare Arbeitsteilung oder die Entwicklung sozialpolitischer Institutionen zu besitzen." (S.109)
"Zivilisation" das steht dann für das geschriebene Wort, Städte, Handwerk, technische Verbesserungen, Klassenbildung und "entwickelte theologische und religiöse Systeme " treten hervor. (S.109) Daß aber die Religion erst in der Phase der Zivilisation erscheinen soll, ist unvorstellbar. Auch wenn man kein Anhänger feministischer Theologie ist, kann man zumindest in einem Punkte ihr zustimmen, daß in der Zeit, bevor der Mensch anfing, Ackerbau zu betreiben und Tiere zu züchten matriachale Religionen vorherrschend waren, da der Zusammenhang zwischen Säen und Ernten nicht bekannt war und auch nicht der zwischen dem geschlechtlichen Fortpflanzungsakt und der Geburt von Nachwuchs. Die Fruchtbarkeit der Erde wie die der Frau ließen also den Glauben an weibliche Gottheiten entstehen, da das Weibliche für die Fruchtbarkeit steht. Als nun aber die Bedeutung des Geschlechtsverkehres für die Zucht von Tieren und die Notwendigkeit des Aussäens für die Ernte erfaßt wurde, wurde das Männliche als das Produktive und das Weibliche als das rein Empfangene verstanden (in das was eingesät wurde) und die Götter wurden männlich. Die Konstante ist dabei, daß das Göttliche für das Produktive, das Hervorbringende steht und so der "Geschlechtswandel" der Götter sich erklären läßt.
Aber eines ist so klar: Auch in der wilden Zeit gab es praktizierte Religion und so wahrscheinlich schon eine erste Arbeitsteilung, die von Priestern und Nichtpriestern, daß eben nur besonders Eingeweihte die religiösen Kulthandlungen erfolgsversprechend vollziehen konnten.
Dugin schlägt nun gar vor, die Begriffe Zivilisation und Kultur synonym zu gebrauchen (S.111). Aber das scheint mir kein guter Rat zu sein. Wo Religion ist, da ist Kultur, aber nicht immer lebte der Mensch zivilisiert. Ob man nicht Zivilisation und Kultur so distinguieren sollte, daß die Zivilisation einen bestimmten Grad der Naturbeherrschung durch den Menschen meint, daß das Verhältnis zur Natur ein technisches ist (und der Mensch sich selbst durch Technik zu beherrschen anfängt, daß der Mensch zusehens zum Cyborg wird) und daß die Kultur sein geistiges Leben meint: Religion, Kunst und Moral.(Es ist wohl anzunehmen, daß ursprünglich die Kunst in der Religion praktiziert wurde und sich später erst von ihr emanzipierte.)
Nun gibt es Relationen von der Zivilisation und der Kultur: Wenn der Mensch seine gesamte Aktivität auf den Erwerb des zum Leben Notwendigen kaprizieren muß, wird er schwerlich Kultur hervorbringen können. Wenn aber der Mensch als Jäger und Sammler erfolgreich genug ist, daß einige anderes als jagen und sammeln müssen, dürften die ersten kulturellen Praktiken hervorgebracht worden sein, wahrscheinlich von Priestern. Versteht man magische Praktiken als Vorstufe religiöser Kulthandlungen, ist es wohl einsichtig, daß dafür besonders Talentierte und Qualifizierte von Nöten waren, daß hier vielleicht die erste Arbeitsteilung vorlag, die die Differenz und Bezogenheit von Zivilisation und Kultur anzeigt: Der Jagdzauben ist eine Kulturpraxis, dient aber der Naturbeherrschung. Als Zivilisation kann dann die Phase der Naturbeherrschung verstanden werden, wo Magie und Religion keine Faktoren der Naturbeherrschung mehr sind, weil diese nun rein technisch gestaltet wird.
So kann man- gegen eine überspannte Modernismuskritik bei Dugin- den Fortschritt in der Beherrschung der Natur und damit auch des Menschen nicht bestreiten, aber das gilt nicht so für einen vermeintlichen kulturellen Fortschritt. Oswald Spenglers These von der Zivilisation als der Untergangsphase jeder Kultur, könnte man dann auch so deuten, daß die Kultur in rein technisch sich verstehenden Zeiten untergeht, die Kultur sich sozusagen nihilistisch auflöst.
Sagen wir es einfach: Der Steinzeitmensch erschlug seinen Nächsten mit einem unbearbeiteten Stein, der moderne Mensch erschießt ihn mit einer Pistole. Der technische Fortschritt ist unverkennbar, aber kulturell ist hier wenig an Fortschritt zu erkennen, wenn man zur Kultur das moralische Verhalten der Menschen dazuzählt.
Einfach veranschaulicht: Das Wasserklosett ist eine wunderbare zivilisatorische Hervorbringung, die das Leben erleichtert, aber die an den Wänden niedergeschriebenen Klosprüche erreichen mitnichten das Niveau von Aphorismen Nitzsches oder die Qualität von Goethes Gedichten!
Corollarium 1
Die Moderne möchte ich so als eine spezifische Kultur verstehen, als den Versuch, daß der Mensch das von Gott Erhoffte, die Erlösung, als seine Aufgabe versteht, daß die Religion aufgehoben werden soll, indem ihre Erlösungsverheißungen als Entwicklungsaufgabe des Menschen verstanden wurde. Die Postmoderne signalisiert das Ende, das Verblassen des Glaubens an die Erlösbarkeit des Menschen durch den Menschen, als der radicalste Versuch der Selbsterlösung im Scheitern des kommunistischen Sozialismus 1989 endgültig endete. Vielleicht war Josef Stalin so der letzte wirklich moderne Mensch, der Geschichte wirksam gestaltete.
Corollarium 2
Zur Zivilisation gehört es so konstitutiv, daß der Mensch sich selbst auch als Naturwesen begreift, das er durch die Technik als das Medium der Naturbeherrschung selbst beherrschen will. Da er aber immer auch Geist, Seele ist, ist er aber auch immer jenseits der Natur und so kulturfähig.
Corollarium 2
Zur Zivilisation gehört es so konstitutiv, daß der Mensch sich selbst auch als Naturwesen begreift, das er durch die Technik als das Medium der Naturbeherrschung selbst beherrschen will. Da er aber immer auch Geist, Seele ist, ist er aber auch immer jenseits der Natur und so kulturfähig.
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