Dienstag, 4. Juli 2017

Nachpolitische Ära- das Ende der Politik als Religionsersatz

  • "Das >politische Zeitalter<[...]glaubt, es sei möglich,die Realiät philosophischen Programmen folgend zu verändern." Rolf Peter Sieferle, Finis Germania 2017, S.42
Eine Formulierung,die wohl weiterer Präzisierungen bedarf. Jede Produktion ist ja die Umgestaltung von Realitäten,von Ausgangsmaterialien zu einem Produkt ausgehend von der Idee, wozu die Ausgangsmaterialen hin zu gestalten sind. Nennte man nun jede komplexere Vorstellung von Zielideen, wozu etwas geformt werden soll, als eine philosophische Idee, käme man zu dem etwas befremdlichen Ergebnis, daß alles menschliche Arbeiten eine philosophische Praxis sei,da Ideen (als Grundelement jeder Philosophie) realisiert werden würden.
Mein Vorschlag: Unter "philosophischen Programmen" seien säkularisierte große Erlösungserzählungen gemeint, vom Anfang des menschlichen Elends und wie es zu überwinden ist als politische Aufgabe. Was eine Heilsreligion von Gott erwartete, daß er das Heil in einer erlösungsbedürftigen Welt bringt,das wird nun zur politischen Aufgabe. Das wäre das philosophische Programm als Säkularisierung der christlichen Erlösungshoffnung. Nicht um eine Durchführung philosophscher Programme ginge es dann, sondern darum, die Hoffnungspotentiale einer Erlösungsreligion in eine Motivation zum politischen Handeln umzuformen. Aus dem frommen Beter und auf Gott Vertrauenden wird der politische Revolutionär philosophischer Erlösungslehren.Die bekannteste Philosophie dieser Art des Philosophierens ist der Marxismus.
Deshalb kann auch das Ende der politischen Ära, von der Sieferle zu recht spricht, mit dem Ende des letzten Versuches einer Welterlösung durch eine politische Philosophie datiert werden, dem Ende des real existierenden Sozialismus. 
Was kam danach: Das Ende der Politik in der postmodernen Welt. Postmoderne heißt nun, daß sich die Erlösungshoffnungen der Religion in ihrer säkularisierten Umgestaltungsform revolutionärer Philosophie, am konsequentesten im Leninismus erschöpft haben.  
Politik in der Postmoderne wird so wieder innenpolitisch zur Kunst des Regierens und außenpolitisch zur Kunst des Umgehens mit Konflikten zwischen Staaten.  
Die Französische wie auch die Russische Revolution waren so gesehen wirklich noch rein politische Ereignisse, ja in ihnen manifestierte sich erst, was ein wirklich politisches Ereignis ist, waren sie doch getragen von dem Glauben an eine Welterlösungsmöglichkeit. 
Den geistigen Hintergrund bildet dabei eine bestimmte Geschichtsphilosophie, die Emanuel Hirsch in seinem brillanten Essay: "Deutschlands Schicksal" 1920 als "Rationalisierungspozeß" beschrieb, daß ausgehend von der Dualität von Sinnlichkeit und Vernunft es die Aufgabe der Vernunft sei, die Welt in eine einzig vernünftig gestaltete umzuformen. Fichtes Ichphilosophie habe dies auf den Begriff gebracht, indem sie das Ich als dem Gestaltugssubjekt das Nichtich als das Zugesaltende gegenübesetzt mit der Aufgabe, daß das Ich das Nichtich sich ihm gleichgstalte, also eine vernünftigte Welt erschaffe.Das inkludierte aber auch und gerade das Konzept der Selbstbeherrschung des Menschen und auch das Projekt der Selbstzüchtung des Menschen. Einfacher gesagt: Geschichtsphilosophie war der in ein philosophisches System ausbuchstabierte  Glaube an die Perfektabilität des Menschen im Laufe der Zeit, die als Geschichtszeit auf dies Telos hin ausgerichtet sei.Dachte der Humanismus das Ziel des neuen Menschen als Überwindung des alten Adams primär durch ein Bildungskonzept zu erreichen, so setzt die Politik im emphatischen Sinne (nicht als Kunst des Regierens) auf die Revolution als Akt der Neuwerdung des Menschen. 
All dies sind selbst wieder Vorstellungen aus der christlichen Erlösungsreligion entnommen und dann säkularisiert und politisiert, also, daß der Mensch das als seine Aufgabe ansah, was er einst als religiöser von Gott ersehnte. 
Sieferle spricht dann auch vom Ende des Menschen: Wir erleben heute nicht mehr das Verschwinden des >Menschen<, sondern wir haben es bereits hinter uns." Finis Germania , S.54.Es gibt wohl einen Zusammenhang von diesem Verschwinden des Menschen und dem Ende der Geschichtsphilosophie: Der Mensch glaubt sich nicht mehr als das Subjekt der Geschichte, das die Welt und sich seiner Vernunft unterzuordnen  hat mit dem Ziel der Schaffung des vernünftigen Menschen in einer vernünftig gestalteten  Welt. (Vgl hierzu auch M. Foucault, Die Ordnung der Dinge)   
        
   

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