Eine vergessene Intention der Religionskritik – oder zum Projekt der Moderne
Ludwig Feuerbach, der erste wirkmächtige Religionskritiker kapriziert sich in seiner Religionskritik gerade auf die Einheit des Glaubens an Gott und an ein Jenseits, denn es gälte, nicht nur den Gottesglauben zu überwinden sondern insbesondere den Glaube an eine Jenseitswelt. Er schreibt dazu: „Ebenso wie mit dem Atheismus ist es mit der von ihm unzertrennlichen Aufhebung des Jenseits.Wenn diese Aufhebung nichts weiter als eine leere,inhalt- und erfolglose Verneinung wäre,so wäre es besser,oder doch gleichgültig, ob man (!) es stehen oder fallen ließe.Allein die Verneinung des Jenseits hat die Bejahung des Diesseits zur Folge;die Aufhebung eines besseren Lebens im Himmel schließt die Forderung in sich:es soll, es muß besser werden auf der Erde;sie verwandelt die bessere Zukunft aus dem Gegenstande eines müßigen,tatlosen Glaubens in einen Gegenstand der Pflicht,der menschlichen Selbsttätigkeit...“1
Es kommt nun darauf an, den Begriff der Aufhebung angemessen zu verstehen.Er wird hier schon so verwendet wie ihn später Hegel in seiner Philosophie konzipiert. Feuerbach will somit nicht einfach den Glauben an einen Gott und an eine jenseitige bessere Welt negieren, sondern diesen Glauben neu konstruieren. Der Glaube an Gott wird transformiert in den an die Menschheit, daß sie das vollbringen werden kann,was der Gottglaube von seinem Gott erwartet. Der Glaube an eine jenseitige Welt wird dann trnsformiert in den Glauben an eine weltimmanente Zukunft, daß die Welt besser werden wird. Die religiöse Praxis, von diesem Philosophen als eine müßige und tatenlose diffamiert, wird dann transformiert in die Aufgabe des Menschen, selbstständig diese bessere Zukunftswelt hervorzubringen. Die Gotteslehre wird so in eine Anthroplogie umgewandelt, in den Glauben an den das Gute vermögende Menschen, die Eschatologie in humanistische Zukunftsperspektiven der Optimierbarkeit der Welt und aus der Glaubenspraxis der Auftrag zur Humanisierung der Welt. Dabei sollen die wesentlichen Gehalte der christlichen Religion conserviert werden, dem Glauben an das Gute, das sich letztendlich durchsetzen wird, nur daß nun das Subjekt der Hervorbringung dieses Guten nicht mehr ein Gott sondern der Mensch ist als Selbsttätiger. Das ganze Pathos dieser Religionskritik liegt in der Euphorie des Glaubens an den Menschen, die Menschheit, die in der Lage ist, selbstständig eine neue bessere Zukunftswelt zu errichten.
Sombart rekonstruiert damit das Glaubensfundament der modernen Welt, das „ökonomische Zeitalter“, dessen Inbegriff für ihn „Der Turmbau von Babel“ ist.2 Marx berühmte Religionskritik, die Religion sei das Opium des Volkes, bekommt so bei Sombart eine besondere Bedeutung: Der Glaube an Gott und seine Verheißung der besseren Jenseitswelt solle die Menschen davon abhalten, selbst revolutionär die Welt zu verbessern. Die Wahrheit der Religion ist so, daß in ihr die Welt als ein Jammertal wahrgenommen wird, aber indem sie die Hoffnung des Volkes auf eine jenseitige bessere Welt ausrichtet,verschließe sie die Hoffung, daß der Mensch selbsttätig diese zu errichten habe. Der bürgerliche Humanismus Feuerbachs und der revolutionäre Marx gehören so beide zum Projekt der Moderne, daß der Mensch die Aufgabe als seine annimmt, die die christliche Religion Gott zuordnet. Wenn die Religion als ein tatenloser Müßiggang abqualifiziert wird, dann ist damit nur gemeint, daß der Glaube den Menschen davon abhielte, selbst das Erdenjammertal in einen blühenden Paradiesgarten umzuwandeln.
Aber wir leben nicht mehr in der Moderne, denn dieser Traum von der Selbsterlösung des Menschen in einer von ihm selbst hervorgbrachten Zukunftswelt ist ausgeträumt. Sein letzter radicalster Realisierungsversuch scheiterte wahlweise in dem Stalinismus oder in der Implosion des Real existierenden Sozialismus 1989f. Aber auch der bürgerliche Humanismus hat aufgehört, von einem guten Ende zu träumen. Die desillusuonierte Postmoderne ist nun aber auch keine Rückkehr zur christlichen Religion als der großen Erlösungserzählung, nachdem nun ihre säkularisierten Varianten gescheitert sind, sondern sie ist charakterisiert durch den Verlust alles utopischen Hoffens und Denkens, auch wenn ein Philosoph, Jürgen Habermas noch über die Unvollendetheit des Projektes der Moderne lamentiert.Man könnte so auch sagen, daß, wenn die Moderne die Aufhebung der Religion sein wollte, dann ist die Postmoderne die schlichte Negation der Religion.
1Zitiert nach: Werner Sombart, Deutscher Sozialismus, 1934, S.102.
2Sombart, S.8- 13.
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