Donnerstag, 2. Oktober 2025

Confusionen über eine „Handlungsohnmacht“ Jesu Christi, über die Willens- und die Handlungsfreiheit des Menschen 2.Teil

 

Confusionen über eine „Handlungsohnmacht1 Jesu Christi, über die Willens- und die Handlungsfreiheit des Menschen 2.Teil



Zur Klärung der Handlungsfreiheit verwendet der Artikel die Situation eines in einem Gefängnis Einsitzenden. Vieles, was er möchte, kann er nicht realisieren, er kann nicht reisen, auch wenn er es will, aber es bleiben ihm doch auch Handlungsfreiheiten.Aber es gälte: „Mir ist die Freiheit eines selbstbestimmtrn Lebens genommen.“2 Dann wird noch zwischen der physischen und der rechtlichen Freiheit unterschieden: „Wenn der Staat Mord oder Betrug verbietet, nimmt er mir nicht die phyische,sondern bloß die rechtliche Möglichkeit zu solchen Handlungen.“3Unter der Willensfreiheit wird nun, und um die geht es diesem Artikel, verstanden: „Mein Wollen ist von mir selbst bestimmt und nicht von etwas Anderem.“4 Hier taucht schon eine gewisse Unklarheit auf, denn es fehlt eine eindeutige Qualifizierung dieses Selbstbestimmens: Könnte ich, wenn ich mich zu A bestimmt habe, auch zu -A bestimmt haben, ist mein Sichselbstbestimmen wirklich ein freies? Nun wird behauptet: „Und genau an diesem Punkt melden sich Zweifel an: Gefühle,Neigungen und Wünsche entstehen in mir, ohne dass ich ihre Entstehung gewollt und geplant habe.Aber sie steuern mein Wollen.“5 Wenn meine Gefühle,Neigungen und Wünsche mein Wollen bestimmen, dann bestimmen sie meinen Willen nur, weil ich sie als Beweggründe in meinen Willen aufgenommen habe. Wenn ich Hunger habe, dann kann ich essen wollen, um den Hunger zu stillen, ich kann aber auch beschließen, weiter arbeiten zu wollen und so jetzt nicht den Hunger stillen zu wollen. Sich frei selbst zu bestimmen, heißt, frei zu entscheiden, was ich will oder was ich nicht will. Genau das ist das Vermögen des freien Willens. Die Behauptung: „Mein Wollen wird also durch meine natürlichen Antriebe gesteuert“ ist so eindeutig falsch.

Jeder Mensch kann sich kontingent zu seinen natürlichen Antrieben verhalten und das ist seine Willensfreiheit. So entschieden sich die Märtyrer, lieber zu sterben, als gegen Gott zu sündigen und bewiesen so, wie es auf das erhellendste das 4.Buch der Makkabäer aufweist, daß der Mensch nicht mal dem stärksten natürlichen Antriebe,dem des Überlebenwollens unterworfen ist.

Im Artikel wird dann in Anlehnung an Kant behauptet, der Mensch unterläge einer Naturkausalität“,durch die er determiniert sei. In dem Artikel wird diese Behauptung gerechtfertigt durch die Behauptung: „Wenn wir etwas Betimmtes wollen,dann eben aus Neigung,Angst,Wut,Neid usw.“6 Dieser Anschein einer „Naturkausalität“ entspringt nun dem Ausklammern des Denkens im Modus des Konjunktives, daß jede indikativiche Aussage: „A ereignete sich“ durch die konjunktivische: „A hätte sich auch nicht ereignen können“ ergänzbar ist. So wie die Zahl „Eindrittel“ nicht in der Menge aller Dezimalzahlen existiert, existieren heißt ein Element einer bestimmten Menge zu sein,sie aber in der Menge aller Zahlen existiert, so existieren alles konjunktivische Ausgesagte nicht als ein Element der durch indikativischen Aussagen konstituierten Welt, sondern in der möglichen Welt, die durch die konjunktivischen Welt konstituiert wird. Nur etwas, von dem nicht gedacht werden kann, daß es ist, kann nicht durch ein konjunktivisches Denken als Seiendes negiert werden.

Aber mit Kant soll nun das Reich der Freiheit vom imperativischen Denken her begründet werden: „Wir können, weil wir sollen!“ Diese Aussage aus dem Munde des protestantischen Kant muß nun jeden Lutherkenner maßlos irritieren, ist doch Luthers genuine Anliegen der Kritik des Gesetzes, daß der Mensch nicht kann, was er soll und daß er deswegen nur allein aus der göttlichen Gnade durch das Evangelium und nicht durch Gottes Gesetz gerechtfertigt werden kann. Gegenüber Erasmus von Rotterdamm bezeichnete Luther die Frage, ob der Mensch aus sich heraus das Gesetz halten könne, daß er könne, was er solle, oder nicht, für die Grunddifferenz zwischen seiner Theologie und die der Kirche!

Verweilen wir trotzdem bei Kant, trotz des Protestes aller Reformatoren! Wenn dann aber in dem Artikel behauptet wird: „Moralität ist sich durchsetzende Vernunftmacht gegen Naturmacht“ 7 wird alles konfundiert. Die „Naturmacht“ kann den Menschen nur beherrschen, wenn er die Antriebe der Natur in seinen Willen als Gründe, etwas zu wollen, aufgenommen hat. Erst der Mensch in seiner Nichtdeterminiertheit, kann sich dazu frei bestimmen, natürlich oder widernatürlich zu leben. Die These des in seiner Bedeutung kaum überschätzbaren Arnold Gehlen, daß der Mensch ein Mängelwesen sei, beinhaltet auch die Aussage, daß er durch seine Natur defizitär determiniert sei und so zur Bewältigung der Kontingnz, so oder so wollen und handeln zu können, der Institutionen, ja überhaupt der Kultur. Daß der Mensch frei sich selbst bestimmend ist, ermöglicht so erst ein moralisches oder unmoralisches Wollen und Handeln können und gründet sich so gerade in seiner Nichtbestimmtheit durch seine Natur.

Nun wird behauptet, daß die Freiheit durch die Willensschwächegefährdet werde. Das ist eine weit verbreitete Fehleinschätzung. Wenn ein Raucher sagt: „Ich will aufhören, zu rauchen, denn mein Lungenarzt hat mir das geboten, damit ich wieder gesunde“ und er doch jeden Tag wieder zur Zigarette greift, dann ist das kein Resultat eines schwachen Willens, sondern dieser Raucher will aufhören und will nicht aufhören! Er will aufhören, um wieder gesund zu werden und er will nicht aufhören, weil er nicht auf den Tabackgenuß verzichten will. Beide Willen in ihm können nun sehr stark sein, ihn innerlich zerreißen und sind so beide nicht schwach. Die Maxime des: „Carpe diem“ verhilft dann aber oft dem Willen, zu rauchen den Sieg über den Willen, mit dem Rauchen aufzuhören! Das kurzfristig Genuß Versprechende wird dem langfristiger Genuß Versprechendem, hier der Gesundheit der Vorzug gegeben. Hierbei siegt der eine Wille über den anderen.

Die andere Gefährdung der Willensfreiheit sei der „Irrtum“, bzw ein Mangel an Wissen, die „Unwissenheit“ gar.8 Der Text will das an Hand des Beispieles giftiger Speisen verdeutlichen. Das Wissen, daß eine Speise giftig sei, schlösse die Handlungsoption, die giftige Speise zu essen, aus. Das ist ein simpler Irrtum, denn es könnte ja sein, daß ich, die Absicht habe, mich zu töten, und gerade deshalb die giftige Speise zu mir nehme und es soll auch Menschen geben, die Anderen giftige Speisen zu essen geben, um sie zu töten. Wissen über etwas erbringt Gründe, eine betimmte Handlung zu vollziehen oder nicht zu vollziehen, aber der freie Wille entscheidet ob er die Gründe als Beweggründe für sein Sichentscheiden annimmt oder nicht. Die freie Wahl wird durch mögliche Gründe für A und nicht für -A nicht beeinflußt, sondern sie werden ja erst zu Gründen für eine Entscheidung, wenn ich sie für mich als Gründe aufnehme.

Ist etwa ein Produkt billiger als ein anderes, das aber von besserer Qualität, so entscheidet der Käufer, ob er zum Auswahlkriterium den Preis oder die Qualität tnimmt.Die Freiheit eines Sichentscheidens wird so durch mein Wissen über das Zuentscheidende weder größer noch kleiner noch gar beseitigt. Ein simples Beispiel möge das veranschaulichen: Wenn eine Guppe sagt, daß sie gemeinsam Ball spielen wollen, dann ist aus dem Wissen, was ein Ball ist, aus seinem Begriff nicht ableitbar, was nun der angemessene gemeinsame Umgang mit dem Spielgerät „Ball“ ist. Wenn aber eine Entscheidung getroffen worden ist, die sich nicht aus dem Wissen um den Ball als ein Spielgerät deduzieren läßt, etwa, Fußball zu spielen, ist durch diese Dezision festgelegt, wie nun mit dem Ball zu spielen sei, eben gemäß dem Regelsystem des Fußballspieles. Jedem Entscheiden liegt so eine Anfangsentscheidung zu Grunde, die dann eine Kriteriologie für alle Folgeentscheidung aus sich heraussetzt, die aber als die erste nicht selbst wiederum durch etwas anderes begründet sein kann.9

Die Antithetik von einer repressiven Autorität, die mir „die Entscheidung abnehmen“ möchte und einer aufklärenden Autorität, die mich zu einer „vernünftigen Entscheidung befähigen“ möchte10 erscheint dann doch sehr haarspalterisch, kann doch keine Autorität mir meine Entscheidung abnehmen, das von ihr Gesagte für wahr oder für unwahr zu halten und keine sagt von sich, daß das von ihr Vertretende nicht die freimachende Wahrheit sei. So hat sicher Josef Stalin nie daran gezweifelt, daß er keine repressive sondern eine aufklärende Autorität sei, denn subjektiv war er und viele mit ihm davon überzeugt.

Der Artikel verweist nun auf etwas sehr Obskurantistisches: auf die „Wahrheit der gleichbleibenden Natur des Menschen.“11 Die Frage, ob es eine solche gibt angesichts der Möglichkeit der Cyborgisierung des Menschen, daß er zu einem Synthesewesen aus Natur und Technik sich entwickeln könnte, und ob dieser Mensch dann noch ein Mensch oder ein Nichtmehrmensch ist, wäre sehr diskussionswürdig als eine Debatte um die Anliegen des Transhumanismus, aber hier soll sich auf den problematischen Begriff der Wahrheit der Natur des Menschen kapriziert werden. Entweder meint diese Wahrheit indikativische wahre Aussagen über den Menschen, dann besagen die eingedenk David Humes Kritik des naturalistischen Fehlschlusses nichts über was und wie der Mensch sein soll, aus, oder aber die Wahrheit ist hier imperativistisch gemeint, daß so der Mensch sein soll. Wer bestimmt dann aber wie, wie der Mensch in Wahrheit sein soll? Das kann für den theologischen Diskurs nur die oberste Autorität, Gott selbst sein: Seine Autoität setzt, was wahr ist und sein soll. Wenn darunter die „Wahrheit der göttlichen Offenbarung12 gemeint ist, muß dem unbedingt zugestimmt werden.









1P.Engelbert Recktenwald, Was ist Freiheit, in: Informationsblatt der Priesterbruderschaft St.Petrus, 10/2025, S.12.

2P.Engelbert Recktenwald, Was ist Freiheit, in: Informationsblatt der Priesterbruderschaft St.Petrus, 10/2025, S.12.

3Wie Fußnote 1.

4A.a.O. S.13.

5A.a.O.S.13.

6A.a.O.S.13.

7A.a,O. S.13.

8A.a.O.S.14.

9Vgl hierzu Fichtes Wissenschaftslehren, aber auch Schelling mit ähnlichen Versuchen, alles aus einem in ich evidenten Grundprinzip her zu deduzieren.

10A.a.0. S.14f.

11A.a.O.S.15.

12A.a.O.S.15f,

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