Freitag, 31. Oktober 2025

Über die „negative Theologie“ und das Gerede, daß irgendwie alle Religionen gleich wahr und gleich unwahr zugleich seien

 

Über die „negative Theologie“ und das Gerede, daß irgendwie alle Religionen gleich wahr und gleich unwahr zugleich seien


Im Stuhlkreis sitzend um eine gestaltete Mitte äußert jeder seine Ansicht, und er akzeptiert dabei, daß jeder, der da mit ihm im Kreise sitzt gleich nah und gleich fern der Mitte nur seine Sicht der Mitte kundgeben könne, daß aber niemand selbst in der Mitte seiend im Besitz der Erkenntnis der Mitte sei.Die Mitte symbolisiert dabei den unerkennbaren einen Gott,die Meinungsäußerungen die Meinungen der verschiedenen Religionen über den einen Gott, wobei jede die andere als gleich wahr und doch auch als verschieden von der Wahrheit wahrzunehmen habe,es seien halt alles nur perspektivisistisch verzehrte Wahrnehmungen des einen absoluten Gottes.

Die Unerkennbarkeit Gottes gründet sich dabei bei einer sich selbst reflektierenden negativen Theologie in der Einsicht, daß Gott als rein Unbestimmtes nicht erkennbar sein kann, weil jedes Erkennen ein Bestimmtsein des Zuerkennenden präsumiert, daß es etwas Bestimmtes ist,um als solches erkannt zu werden. Unreflektierter ist dagegen die These,Gott könne einfach nicht objektiv erkannt werden, weil er nur perspektivisch wahrgenommen werden könne. Nur bestreitet niemand ernsthaft, daß niemand erkennen könne, daß, wenn vor ihm ein Baum stünde,er erkennen könne, daß da vor ihm ein Baum stünde, weil doch jeder diesen Baum nur aus seiner individuellen Perspektive wahrnehmen könne.

Der Communioartikel: „Kein Christentum ohne Christus: 25 Jahre römische Erklärung "Dominus Iesus" (31.10.2025) erfaßt genau die Intention dieser Erklärung, die der Kritik einer so gearteten negativen Theologie mit der Abzweckung der Vergleichgültigung aller Religionen,wohingegen die Rezeption sich auf die Nebenaussage kaprizierte, daß die evangelische Kirche nicht als eine Kirche anerkannt werden könne,um diese dann als intolerant gegenüber dem organisierten Protestantismus zu verunglimpfen.

Die negative Theologie wird dabei so in diesem Artikel charakterisiert: „Alle diese Entwürfe kommen in der Betonung der negativen Theologie überein, dass die Wirklichkeit des Absoluten unerkennbar und unsagbar ist. Keine konkrete geschichtliche Offenbarung könne das Absolute in seiner Transzendenz einholen. Deshalb seien alle Religionen nur "Linsen" auf das unerkennbar ewige Eine. Der Wahrheitsanspruch des Christentums müsse depotenziert werden, es könne nicht beanspruchen, die einzig wahre Religion zu sein.“

Der immanente Selbstwiderspruch dieses Aussagenkomplexes ist offensichtlich:Wenn niemand Gott erkennen kann,kann auch niemand eine Aussage über Gott als wahr oder unwahr oder der Wahrheit als näherkommend qualifizieren.Das hätte für das Verhältnis der Religionen untereinander die Konsequenz, daß keine sich oder eine andere als wahr anerkennen könne oder als der Wahrheit irgendwie nahekommend.Früge ich in einer Runde, was denn ein „Fiktivtransmitter“ sei und jeder Gefragte dann seine Meinung dazu äußerte,könnte niemand eine der getätigten Aussagen als wahr oder annähernd wahr bestimmen, es sei denn einer wäre ein Leser der Perry Rhodan Zukunftsromane und wüßte so, was darunter zu verstehen sei. Ergo ist die These,alle religiösen Aussagen über Gott seien als gleichwahr anzunehmen nur eine Diskursspielregel für den interreligiösen Dialog,bei dem alle alle als gleichwertige Sprecher über Gott anzuerkennen haben.

Aber was ist denn nun sachlich kritisch zu der These der Unerkennbarkeit Gottes zu sagen? Und hier muß man übereinstimmend mit dem Philosophen Plotin,der wohl tiefgründiger als jeder anderer die Frage,was kann als wahr über Gott ausgesagt werden, durchdacht hat sagen:

Als Ursprung und Existenzgrund aller Dinge ist das Eine das Höchste, was es geben kann. In einer religiösen Terminologie käme ihm faktisch die Rolle der obersten Gottheit zu. Eine solche Bestimmung wäre jedoch bereits eine unangemessene Differenzierung, denn jede Bestimmung impliziert einen Unterschied und damit eine Nicht-Einheit. Aus diesem Grund ist es auch unzulässig, dem Einen Merkmale zuzuschreiben, die als göttlich gelten, etwa es mit dem Guten oder dem Sein zu identifizieren. Vielmehr ist das Eine weder seiend noch nichtseiend, sondern überseiend, und weder gut noch schlecht, sondern jenseits solcher Begrifflichkeit. Aus dem Blickwinkel des Denkenden erscheint es als etwas Höheres, Erstrebenswertes und damit Gutes, aber für sich selbst ist es nicht gut. Man kann nicht einmal wahrheitsgemäß aussagen, dass das Eine „ist“, denn das Sein als Gegenteil des Nichtseins oder das vollkommene Sein im Gegensatz zu einem geminderten Sein setzt bereits eine Unterscheidung voraus und damit etwas, was dem Einen nachgeordnet ist. Genau genommen ist auch die Bestimmung des Einen als „Eines“, als einfach oder einheitlich im Sinne eines Gegensatzes zur Pluralität eine Verkennung seiner wahren, gegensatzfreien Natur, über die paradoxerweise überhaupt keine zutreffende Aussage möglich ist. Das Eine ist „unsagbar“ (árrhēton)1.

Gott ist unbestimmbar,weil er selbst unbestimmt ist und damit dürfte er nicht einmal als Gott ausgesagt werden, denn das setzt die Setzung der Differenz von Gott und Nichtgott voraus und damit wäre Gott schon als nicht mehr unbestimmt gedacht.

Heraklit hilft nun unseren Denkbemühungen um Gott weiter, indem er sagt:Der Krieg ist der Vater aller Dinge und der König aller. Die einen macht er zu Göttern, die andern zu Menschen, die einen zu Sklaven, die andern zu Freien.“2Unter dem Krieg sei hier die Setzung von einer Differenz gesetzt im Sinne von:Omnia determinatio est negatio.Gott kann also nur erkennbar sein,wenn er sich selbst als sich selbst bestimmend gedacht wird.Denn jede Bestimmung,die das menschliche Denken ihm zuspräche, wäre ja ein Verfehlen.Wenn aber von Gott ausgesagt wird, daß er sich selbst kennt, dann ist diese als ein Akt des Sichselbstbestimmens Gottes zu denken. Dem Menschen als ein geschaffenes Sein liegt sein Sein voraus,zu dem er sich dann noch reflexiv verhalten kann als sich erkennend und bejahend oder auch verneinend, dem Absoluten liegt keine göttliche Natur als eine bestimmte voraus, zu der er sich dann noch reflexiv verhalten könnte,denn dann würde er wie ein geschaffene Seiende gedacht.Gott als die reine Unbestimmtheit bestimmt sich selbst zum Gottsein, indem er selbst die Differenz zum Nichtgottsein setzt:Er ist Gott, weil er nicht Nichtgott ist.Das ist die erste Selbstbestimmung Gottes und ob dieser Bestimmung beginnt er nun auch für den Menschen bestimmbar,das ist erkennbar zu sein.Denn jede Gotteserkenntnis kann ihren ersten Grund nur in dem Sichselbsterkennen Gottes haben und dies ist seine Selbsterkenntnis.

Es könnte hilfreich sein, auch wenn es gewagt ist, die Beziehung des Einen zum Nous bei Plotin im Sinne eines Gott sich selbst Denkens zu interpretieren,Gott als causa sui,der seine „Natur“ als göttliche selbst erst hervorbringt in dem Akt seiner Selbstbestimmung.Darauf kann Gott gedach werden als der, der die metaphysischen Ordnungen des Seins in seiner Differenz zum Nichtsein,des Guten in seiner Differenz zum Bösen und des Schönen in seiner Differenz zum Nichtschönen setzt. Denn wenn für Platon die Idee des Guten mit Gott in einsfällt, so muß für das plotinische Denken das Gute als eine Idee von dem Subjekt,das diese Idee hervorbringt unterschieden werden, das so selbst sich in diese Ordnung selbst dann einschreibt als das vollkommene Gute, zu dem er sich selbst bestimmt hat. So erst kann der sich selbst Bestimmende anderen als sich selbst an seiner eigenen Selbsterkenntnis teilnehmen lassen, da nun diese Erkenntnis, wie Gott bestimmt ist, seine eigene Selbstbestimmung wiedergibt. Somit ist die Erkenntnis Gottes in der wahren Religion nicht ein Verkennen Gottes, weil jedes Erkennen eine Limitierung Gottes ist, weil er als bestimmbar gedacht wird,obzwar er doch unbestimmbar ist, sondern ein Bestimmen Gottes gemäß seiner Selbstbestimmung.



1Ich zitiere hier aus dem Wikipediaartikel: Plotin so ausführlich, weil besser es nicht formuliert werden kann,was ein rein philosophisches Denken über Gott aussagen kann!

2Quelle: https://beruhmte-zitate.de/zitate/132561-heraklit-der-krieg-ist-aller-dinge-vater/

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