Confusionen über eine „Handlungsohnmacht“1 Jesu Christi, über die Willens- und die Handlungsfreiheit des Menschen 1.Teil
In dem Artikel: „Was ist Freiheit?“ steht tatsächlich dieser Satz: „Als unser Herr Jesus Christus am Kreuz hing,war dies eine Situation äußerster Handlungsohnmacht und Freiheitsberaubung.“2 Wie kann von dem Sohn Gottes, der nicht nur wahrer Mensch sondern auch wahrer Gott ist, ausgesagt werden, daß er am Kreuze hängend eine äußerste Handlungsohnmacht erlitt? Ob seiner Göttlichkeit ist er denlnotwendig als allmächtig zu denken,sodaß von ihm niemals eine Handlungsohnmacht prädiziert werden kann. Wenn er als Allmächtiger vom Kreuze unverletzt hätte hinabsteigen wollen, wäre ihm das selbstverständlich möglich gewesen. Diese Aussage könnte also nur wahr sein, wenn entweder behauptet würde, Jesus sei nicht der Sohn Gottes oder daß er, indem er Mensch wurde, es aufgegeben hätte, wahrer Gott zu sein. Wenn der göttliche Logos sich so erniedrigt gehabt hätte, daß er aufgehört hätte, der Sohn Gottes zu sein, dürfte aber im Johannesevangelium es nicht heißen: „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt und wir haben seine Herrlickeit gesehen, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater,voll Gnade undWahrheit.“ (1,14) Das impliziert denknotwendig, daß der Sohn Gottes nicht aufgehört hat, der Sohn Gottes zu sein, als er ein Mensch wurde, denn dann hätte niemand in dem Menschen Jesus die Herrlichkeit des Sohnes erkennen können.
Wenn nun aber konzediert würde, daß der Sohn Gottes doch sein Gottsein aufgegeben hätte, um nur noch ein Mensch zu sein, obschon alle vier Evangelien gerade betonen, daß dieser Jesus von Nazareth ein übernatürliches Wesen war, dann würde immer noch gelten, was dieser Jesus selbst gesagt hatte, als ihn Schüler von ihm mit dem Schwert vor einer Gefangennahme schützen wollten: „Oder glaubst du nicht,mein Vater würde mir sogleich mehr als zwölf Legionen Engel schicken, wenn ich ihn darum bitte?“ (Mt 26,53). Keine weltliche Macht könnte Jesus wider diese Engelheermacht in Haft nehmen und dann gar kreuzigen! Jesus hätte seinen Vater nur bitten brauchen, selbst als er schon am Kreuze hing, und diese Engel hätten ihn ob ihrer unüberwindbaren Macht gerettet. Der Philipperhymnus gibt uns nun aber eine eindeutige Antwort auf die sich nun aufdrängende Frage, warum denn Jesus seinen Vater nicht um Engel zur Hilfe gebeten hatte: Rettet mich!Denn es heißt da: „Er erniedigte sich und war gehorsam bis zum Tode, bis zum Tode am Kreuze.“ (Phil, 2,8)
Jesus gehorchte seinem Vater und da der den Kreuzestod seines Sohnes wollte, gehorchte ihm sein Sohn. Von einem Gehorchen kann aber nur die Rede sein, wenn der Gehorchende auch die Möglichkeit hatte, nicht zu gehorchen. Und damit stehen wir schon im Zentrum dieses Artikels: „Was ist Freiheit?“ Denn die Freiheit, entweder das Kreuz auf sich nehmen zu wollen oder es nicht auf sich nehmen zu wollen, ist die Willensfreiheit Jesu, die sein „Ja“ zum Kreuz erst zu einem Gehorsamsakt machen ließ. Er verfügte auch über die Handlungsfreiheit, sich als Sohn Gottes der Kreuzigung zu entziehen, selbst am Kreuze hängend hätte er noch unversehrt von ihm hinabsteigen können, hätte er es nur gewollt- das ist seine völlige Handlungsfreiheit. Und erst dadurch wird sein Erleiden ein Gehorsamsakt Gott gegenüber.
Ein Extrembeispiel möge dies veranschaulichen: Wenn ein Mann mit einem gezückten Dolch vor einer Frau stehend sagt: „Ziehe Dich aus oder ich ersteche Dich!“, dann gehorcht diese Frau dem Vergewaltiger, um nicht umgebracht zu werden. Selbst in dieser Extremsituation ist sie noch frei, der Drohung zu gehorchen oder sich ihr zu widersetzen. Wenn der Vergewaltiger ihr aber K.O. Tropfen eingegeben hat, wird sie ohnmächtig und der Mann vergewaltigt sie, aber da kann nicht mehr von einem Gehorchen die Rede sein, da sie die K.O. Tropfen ihres freien Willens beraubt haben. Der freie Wille ist also das Vermögen, zwischen verschiedenen Optionen eine zu erwählen und die Handlungsfreiheit ist das Vermögen, etwas Gewolltes realisieren zu können. So verfügte Jesus Christus hier über die Willensfreiheit, das Kreuz anzunehmen oder nicht anzunehmen und über die Handlungsfreiheit, das Kreuz zu erdulden oder von ihm herabzusteigen, um nicht an ihm zu sterben.
Die Behauptung, Jesus Christus hätte hier eine äußerste Handlungsohnmacht erlitten, ist so als völlig abwegig zu beurteilen. Sie erfreut sich aber bei allen großer Beliebtheit, die behaupten, daß Jesu Kreuzestod keinerlei Heilsbedeutung habe, sondern daß eben böse Menschen den guten Menschen Jesus getötet hätten, weil er gut war und Gott habe ihn dann auferweckt, um zu zeigen, daß er zu diesem Jesus stand.Völlig unklar muß aber bei dieser Deutung bleiben, warum den Gott es zugelassen hatte,daß sein Sohn so qualvoll starb,obschon Gott ihn als Allmächtiger vor diesem Tode hätte bewahren können!
Nach diesem Fauxpas lassen die weiteren Ausführungen zum Thema: „Was ist Freiheit?“ Schlimmes befürchten. Dazu mehr im 2.Teil:Confusionen über eine „Handlungsohnmacht“3 Jesu Christi, über die Willens- und die Handlungsfreiheit des Menschen.
1P.Engelbert Recktenwald, Was ist Freiheit, in: Informationsblatt der Priesterbruderschaft St.Petrus, 10/2025, S.12.
2A.a.O. S.12.
3P.Engelbert Recktenwald, Was ist Freiheit, in: Informationsblatt der Priesterbruderschaft St.Petrus, 10/2025, S.12.
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