Über eine beliebte Standartpolemik wider die vorkonziliare Kirche,daß sie sich der Moderne widersetzt habe.
Wer auch nur oberflächlich sich mit der Thematik der Beziehung der Katholischen Kirche oder weniger kirchenfixiert des katholischen Milieus beschäftigt zum Nationalsozialismus beschäftigt,stößt unweigerlich auf die These einer antimodernistisch gestimmten Affinität des Katholischen zum Nationallsozialistischen. Christoph Kösters sagt aus, daß die Sozialgeschichtsschreibung „das katholische Milieu mit dem Ausdruck >antimodern“ versah, bzw als „rückständig“ abwertete.1 Die Bedeutung dieser sozialgeschichtlichen These erschließt sich aber erst, wenn der Nationalsozialismus dabei als eine radical antimodernistische Ideologie interpretiert vorausgesetzt wird, sodaß die These einer Affinität zwischen dem antisäkularistisch antimodernistisch eingestellten katholischen Miieu und der nationalsozialistischen Ideologie sich aufdrängt, auch wenn die Präferenz dieses Milieus für die katholische Zentrumspartei dagegen spricht.
Für die Perhorreszierung der vorkonziliaren Kirche und ihrer Theologie reicht aber das Argument dieser Affinität und macht auch verständlich, warum mit solch einer Vehemenz die vorkonziliare Kirche mit ihrem Kampfe wider den Modernismus verurteilt wird. So referiert Kösters in diesem Aufsatz das Verständnis der Moderne, der Modernisierung in den Sozialwissenschaften des 20.Jahrhundertes:Da wurde eine lange Zeit die „Modernisierung“ „normativ als >Demokratisierung<bzw >Säkularisierung<verstanden.“ 2 Hierbei darf nun das Verhältnis zwischen der „Demokratisierung“ zur „Säkularisierung“ nicht addidativ verstanden werden, sondern als das Verhältnis zweier Seiten einer einzigen Medaille.Beide Seiten bedingen sich wechselseitig.
„Das katholische Milieu erschien als >antidemokratisch< und >säkularisierungsfeindlich<,weil es sich gegen die Entwicklungen der modernen Gesellschaft stemmte, >gegen die Entzauberung der Welt,die Privatisierung von Religion,Differenzierung von Religion und Politik<.“3 In dieser Trias meint der Begriff der Entzauberung den Glauben, daß die ganze Welt weltimmanent erklärbar sei und daß noch nicht Begriffenes eben nur ein noch nicht Begriffenes sei.Diese Theorie der Weltimmanenz schließt nun die Vorstellbarkeit einer übernatürlichen Einwirkung aus und somit jegliche religiöse Deutung von etwas Weltimmanenten. Aus dem öffentlichen Diskurs hat so die Religion zu verschwinden, es sei denn als ein Objekt, über das als ein Element der Welt geschrieben wird.Das hat aber nun auch zur Folge, daß ein religiöser Mensch zwar in seiner Privatssphäre religiös sich verstehen kann, aber tritt er ein in den öffentlichen Diskurs,gerade in den politischen, er seine religiösen Vorstellungen rauszuhalten habe. Mit der Religion verhält es sich so wie mit dem Schuhzeug:Daheim mag man seine Pantöffelchen tragen,wenn man aber das Haus verläßt, zieht man die Straßenschuhe an.
Die Kirche des Antimodernismus verneinte energisch diese Moderne, da sie unvereinbar ist mit der katholischen Theologie und nicht etwa mit irgendwelchen klerikalistischen Machtansprüchen: Eine Vernunft, die sich ganz von den übervernünftigen Offenbarungswahrheiten emanzipiert, zerstört selbst die Vernunft – aber ganz anders als es der marxistische Philosoph Georg Lukacs in seinem gleichnamigen Werk meinte.
Was bedeutet es nun, daß die Kirche seit dem 2.Vaticanum faktisch die Moderne anerkannt hat und sich nun selbst auch modernisieren will, wobei aber das Maß des Sichmodernisierens innerhalb der Kirche umstritten ist? Meine These dazu lautet: Die Kaprizierung der Kirche auf die Menschenrechtsideologie ist die theoretische Praxis dieser Selbstmodernisierung der Kirche, wobei die Rede von der Menschenwürde das eigentliche Evangelium substituiert. Die Menschenrechtsidologie gilt als das Fundament der modernen bürgerlichen Gesellschaft, wobei dann aber eine religiöse Letztbegründung dieser Ideologie das Privatanliegen der Kirche ist, ihr es aber ermöglicht, so wieder im öffentlichen Diskurs teilzunehmen,ist diese privatistische doch tollerierbar.
1Christoph Kösters,Katholisches Milieu und Nationalsozialismus, in:Hummel,Kießner:Die Katholiken und das Dritte Reich,2,Auflage 2010,S.151.Der Jahrgang ist zu beachten, da in diesen Aufsätzen manches geschrieben steht zur Causa:Kirche und Krieg, das jetzt ob des Ukrainekrieges mit dem revitalisierten Feindbild: Rußland nicht mehr so geschrieben würde.
2A.a.O.S.151.
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