"Ja, Liselchen, die Natur ist die herrlichste Kirche und predigt uns mit tausend Zungen von der Güte und Allmacht Gottes.Da verlangen unsere gläubigen Herzen nach Zeichen und Wundern und denken nicht daran, dass jedes Samenkorn,jedes Blatt, jede Blüte ein großes Wunder ist."Was lasen wir da? Eine Beschreibung der Natur gemäß der Einsicht des Apostelfürsten Paulus,daß jederzeit Gott aus der Natur erkennbar sei,wie es dann auch das 1.Vaticanum lehrte? Eine feine Kritik an der Wundersehnsucht der Christen, die verkennen, daß die uns umgebende Natur das Wunder ist, das wir als Übernatürliches ersehnen und so im Natürlichen verkennen? Oder eine problematische Verabsolutierung der natürlichen Schönheit gegenüber der wahren künstlerischen, die sich gerade in unseren herrlichen Barockkirchen so vollendet manifestiert?
Trauen wir die akademischen Literaturkritik, fällt die Antwort simpel aus: Das ist purer Kitsch, denn es handelt sich hier um ein Zitat aus einem Hedwig Courths- Mahler Roman:"Gib mich frei, Schicksalsroman um das Opfer einer schönen Frau", (Band 1405 Basteiverlag, S.42). Aber könnte es nicht uns befremdlich vorkommen, daß zur Hochkultur fast nur noch christentumskritische Werke gehören- mit wenigen Ausnahmen? (Auf Anhieb fällt mir dazu nur Bernanos,Werfel und Dostojewski ein; Bölls linksmoralistische Werke möchte ich nicht dazu zählen.)
Könnte es sein, daß die heutige Literturkritik gar nicht so eindeutig rein wissenschaftlich ist, sondern daß ihr schon ein positiver Bezug zum Christlichen verdächtig ist, gar, wenn es nicht um Moralisches sondern gar um Theologisches geht? Könnte es sein, daß schon das Weltbild, das den Romanen dieser Autorin zu Grunde liegt, daß im Prinzip die Welt in Ordnung ist, sodaß auch noch so viel Zuerleidendes -davon handeln ihre Romane hauptsächlich- nur Umwege zum guten Ende sind, als kitschig verurteilt wird? Große Literatur, die sich dem Thema Liebe annimmt, kennt dagegen kein gutes Ende, von Fontanes Effie Briest bis zu Flauberts Madame Bovery und wo doch noch Lebensläufe gut ausgehen, etwa in Wilhelm Raabes Meistererzähung: "Der Hungerpastor" fndet das keinen Applaus. Das gute Ende ist - dieser Eindruck drängt sich fast auf- in die "Kitschliteratur" verbannt, die zwar "populär" ist, aber in den Augen der professionellen Kritik nur auf Ablehnung stößt. Man denke nun einmal an das Werk des zur Zeit wohl bedeutsamsten französischen Schriftstellers, Michel Houellenbecq: Ist in seinen Werken ein gutes Ende überhaupt vorstellbar, oder kann man sich in seinen Romanen einen positiven Bezug zur christlichen Religion auch nur vorstellen? Oder lese man Thomas Bernhard- was immer man auch von ihm lesen mag: Christliches kann da nur noch als zu Kritisierendes, als Fremdkörper auftauchen, wenn überhaupt.
Sollte etwa die Nichtwahrnehmung des Christlichen oder wenn dann nur noch als Kritik an ihm ein wesentliches Qualitätskriterium der Literaturkritik sein?
Feministisch Inspirierte würden jetzt wohl einwenden, daß das Kitschige der Courths-Mahler Romane das Grundaxiom dieser Romane sei, daß das Glück der Frau in der Liebe zu einem Manne bestünde (aber auch des Mannes), aber findet das nicht auch seine Entsprechung in der christlichen Religion, im Hohelied der Liebe des Paulus? Ist die Geringschätzung der Liebe und die Apotheose der reinen Sexualität, angefangen bei Marquise de Sade nicht gerade ein Signum der Abwendung von der christlichen Religion?
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