"Du glaubst wohl, ich hätte bei dem Unfall meinen Verstand verloren. Da kann ich dich beruhigen, mein Herz. Außer einem gebrochenen Arm und einer Schnittwunde an der Wange habe ich nur eines noch mitgebracht: meinen Glauben an die Unsterblichkeit der Seele". Ist das ein Zitat aus einem christlichen Roman? In "Hilfe aus dem Totenreich", verfaßt von M. Cotten finden wir diese Passage auf Seite 43. Schließen wir von dem Format auf den Inhalt und den Gehalt des Romanes, dann steht unser gediegenes Urteil fest, bevor wir auch nur eine Zeile dieses Romanes gelesen haben. Ein Billiggroschenroman- ein Heftroman, nicht würdig, in die Bibliothek der Germanistik aufgenommen zu werden, denn Heftromane sind Kitschromane.Also gehört wohl der "Glaube an die Unsterblichkeit der Seele, weil er eine Aussage in einem Kitschroman ist, auch zum Kitsch. Gut, der ehrwürdige Platon schrieb auch Vieles über die Unsterblichkeit der Seele, aber der lebte ja noch vor der Aufklärung und moderne Theologen fügen dann noch gern hinzu, daß dieser Philosoph gar vorkonziliar sei und somit hoffnungslos veraltet.
Im Soziologendeutsch nennt man dies Verfahren Kontingenzbewältigung (vgl: N. Luhmann) und meint damit, daß es angesichts der Unmengen von lesbaren Möhlichkeiten Verfahren geben muß, wie ich eine Entscheidung treffen kann, welche Bücher ich lesen möchte und welche nicht. Eine vollkommenen vorurteilsfreie Entscheidung wäre nämlich nur möglich, wenn ich alle lebaren Bücher gelesen habe und dann in Kenntnis aller Bücher das von mir zu lesende erwähle. Da dies aber sehr unpraktikabel ist und selbst, würde ich 100 Jahre alt, diese Zeit nicht ausreichte, um alle Bücher zu lesen, muß ich Bücher ablehnen, das lese ich nicht, ohne daß ich es kenne. Das geht eben nur durch Vorurteile: alle Heftromane sind Kitsch, also lese ich keine. Und so werde ich eben auch nicht erfahren, wie die Sprecher zu diesem Glauben an die "Unsterblickeit der Seele" gekommen ist.
Nur, ein Verdacht bildet sich da! Könnte es sein, daß die christliche Religion in der zeitgenössischen Hochkultur eben nicht mehr vorkommt, ja, daß wenn, dann sie nur noch in der Trivialliteratur zu Hause ist. Wer Karl May Romane zur Hand nimmt, wie viel Christliches findet er da- aber ist das nicht auch nur ein Trivialschriftsteller? Als Kontrast wenden wir uns der Hochlultur zu, einer Nobelpreisträgerin der Literatur, Frau Elfriede Jelinek. Wer kennt den Namen dieser österreichischen Schriftstellerin nicht. Vladimir Palko weiß uns Erstaunliches über ihre Literatur zu berichten: "Auf Slowakisch erschien ihr Roman" Die Liebhaberin", in dem der Leser über das Gefühlsleben der Haiptdarstellerin, was Kinder, Familie und Männer anbelangt, informiert wird. Kinder seien " ekelhafte weiße krallende Madensäuglinge". Die Heldin hat "Lust, den Säuglingen ihre zarten Fingerknöchöchen zu brechen. Die Männer essen nicht, sie"fressen" grundsätzlich. Die Ehe ist für die Frau das "Ende des Lebens und der Anfang des Kinderkriegens." (Palko, Die Löwen kommen. Warum Europa und Amerika auf eine neue Tyrannei zusteuern?, 2014, S.87) Das reicht mir- von dieser Schriftstellerin werde ich nichts lesen- also wende ich mich wieder dem Trivialroman zu! Da lesen wir dann: "In diesem Sinne war auch Angela erzogen worden, die durch den Glauben der Eltern ihre Stärke und die Überzeugung mit auf den Weg bekommen hatte, daß eine verständnisvolle Hand alle Geschicke dieser Welt leite." (S.27) Und da kommt es noch "kitschiger": " Glauben Sie fest daran, daß alles wieder gut wird, und das Schicksal wird die Zukunft wohlwollend gestalten." (S.26).
In was für eine religiöse Welt treten wir also ein, wenn wir so den ersten Roman dieses Romanzyklus von Mary Cotten betreten? Es ist eine Welt, die erfüllt ist von zutiefst religiösen Vorstellungen. Da gibt es die Welt des Übernatürlichen und die Welt des Natürlichen und- das Übernatürliche wirkt in die uns bekannte Welt ein. Ein verstorbenes Kind kommt seinem sehr erkrankten Bruder und seinem Vater zur Hilfe- es rettet beide als "Hilfe aus dem Totenreich". Der aufgeklärte Gegenpart fehlt nicht. Ein Arzt vertritt ihn. "Alter Narr" schalt sich Dr. Mulligan[...]Er war zwar ein echter Schotte, doch mit Geistern konnte er nichts anfangen. Ihre Existenz widersprach allem, was er für seinen Beruf gelernt hatte. Deshalb versuchte er auch zu vergessen, daß er gerade noch geglaubt hatte, Jenny [das verstorbene Kind, das die Hilfe aus dem Totenreich brachte" singen zu hören. Doch tief in seinem Inneren wußte er, daß er diese Stimme schon oft mit Begeisterung gelauscht hatte, als Jenny noch lebte." (S.29f)
Es ist ein religiöser Kosmos,in dem dieser Roman sich einschreibt. Zentral ist wohl diese Aussage: "Kannst du jetzt noch leugnen, daß wir alle eine Familie sind, die Toten und die Lebenden?" Setzt man für Familie Kirche erhält man die zentrale Aussage der Kirche über sich, daß sie die lebendige Einheit der kämpfenden Kirche auf Erden. der leidenden im Fegefeuer und der triumphierenden im Himmel ist, und daß jeder Teil für die anderen eintritt.Die kämpfende Kirche betet für die leidende im Fegefeuer und die triumphierende für uns Kämpfende!
Es sind keine spezifisch christlichen Vorstellungen, die diesen Romanzyklus prägen, aber er eröffnet uns einen religiösen Vorstellungsraum, in den dann die christlichen Vorstellungen sinnvoll eingezeichnet werden können.
Damit ist ein grundsätzliches Problem für das Christentum in der Postmoderne angedeutet. Man versuche sich einmal vorzustellen, ich erklärte jemanden die Bedeutung des Abseits, des Elfmeters, der noch nie etwas von Mannschaftsballspielen gehört hat. Fußball ist ihm terra incognita. Die christliche Religion ist eine Religion, die nicht am Anfang der Geschichte und der Entwickelung der Religion steht, sondern sie ist ihr Höhepunkt. Es steht das ganze AT als notwendige Präparation vor dem NT. Der ganz Religionslose fehlt so die Möglichkeit zu einem Zugang zur christlichen Religion,weil ihm die religiösen Voraussetzungen fehlen-etwa der Elementarkenntnis von einer diesseitigen und einer jenseitigen Welt und daß die jenseitge in die diesseitige hineinwirkt, daß die diesseitige aus der jenseitigen gelenkt wird, was der Mensch erstmal in der Spannung von Schicksal und Freiheit erfährt und auch erleidet. "Der Mensch hat nur wenig Mitspracherecht in seinem eigenen Leben. Das Schicksal hat das Sagen." , lesen wir S.25.
Wo dieses religiöse Basiswissen fehlt, da erst kann erst die christliche Religion zu einer biederen Morallehre entarten und dazu wird sie notgedrungen, wenn sie religionslos wird- wie es etwa D. Bonhoefer vorschlägt in seinen Spätschriften. Erschreckend ist es aber, daß der religiöse Kosmos so ganz aus der Hochkultur verschwunden ist, ja, es fast so scheint, als ob nur religionslose Literatur noch zur Hochkultur zählen kann, sodaß wir von der "Unsterblichkeit der Seele", vom "Jenseits" nur noch in der Trivialliteratur zu lesen bekommen! Aber was sagt das über unsere europäische Kultur aus?
Corollarium 1
Die Moderne hat den Mensch in das Gefängnis der Immanenz eingesperrt mit dem Glauben, daß es nur eine Welt gibt, in der Alles ist und außerhalb der nur das Nichts ist. Es ist eine rein materialistische Welt, in der alles, auch der Geist und das Denken auf das rein Materielle zurückführbar ist. Und denkt der Mensch über das Diesseitige hinaus, dann projiziere er nur das Diesseits in ein fiktives Jenseits, das doch nur Teil dieser einzigen Welt ist. Aber so eingemauert, kann ihn Gott so wenig erreichen wie der Gesang des verstorbene Kindes das Ohr des Arztes. Er weiß als Aufgeklärter, daß die Toten tot sind und so uns nicht mehr erscheinen können. Aber die Mutter des verstorbenen Kindes weiß es besser: "Den Tod des Körpers ja, sagte die Lady leise und ihr Blick verlor sich irgendwo in der Ferne, doch den Tod der Seele kann der beste Arzt nicht bescheinigen." (S.29)
Corollarium 2
Shakespeare, Hamlet:
“There are more things in heaven and earth, Horatio,
Than are dreamt of in our philosophy.” (Hamlet, Erster Akt, Szene 5)
Soweit das Original. Und das heißt auf deutsch:
“Es gibt mehr Dinge im Himmel und auf Erden, Horazio, als in unserer Philosophie geträumt werden.”
Das zu verneinen, ist der radicale Angriff auf jede Religion und somit auch auf die christliche! Anbei: es gehört zu den Dogmen der historischen Kritik und der historisch-kritischen Methode der Bibelexgese, daß der englische Dichter hier irrt!
Corollarium 1
Die Moderne hat den Mensch in das Gefängnis der Immanenz eingesperrt mit dem Glauben, daß es nur eine Welt gibt, in der Alles ist und außerhalb der nur das Nichts ist. Es ist eine rein materialistische Welt, in der alles, auch der Geist und das Denken auf das rein Materielle zurückführbar ist. Und denkt der Mensch über das Diesseitige hinaus, dann projiziere er nur das Diesseits in ein fiktives Jenseits, das doch nur Teil dieser einzigen Welt ist. Aber so eingemauert, kann ihn Gott so wenig erreichen wie der Gesang des verstorbene Kindes das Ohr des Arztes. Er weiß als Aufgeklärter, daß die Toten tot sind und so uns nicht mehr erscheinen können. Aber die Mutter des verstorbenen Kindes weiß es besser: "Den Tod des Körpers ja, sagte die Lady leise und ihr Blick verlor sich irgendwo in der Ferne, doch den Tod der Seele kann der beste Arzt nicht bescheinigen." (S.29)
Corollarium 2
Shakespeare, Hamlet:
“There are more things in heaven and earth, Horatio,
Than are dreamt of in our philosophy.” (Hamlet, Erster Akt, Szene 5)
Soweit das Original. Und das heißt auf deutsch:
“Es gibt mehr Dinge im Himmel und auf Erden, Horazio, als in unserer Philosophie geträumt werden.”
Das zu verneinen, ist der radicale Angriff auf jede Religion und somit auch auf die christliche! Anbei: es gehört zu den Dogmen der historischen Kritik und der historisch-kritischen Methode der Bibelexgese, daß der englische Dichter hier irrt!
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