Dienstag, 30. Juni 2015

Christentum und Politik

Carl Schmitt verdanken wir den tiefsinnigen Versuch, den Begriff des Politischen, was ist überhaupt Politik, aus der Begriffs-dualität von "Freund und Feind" zu konstruieren. (Vgl: Schmitt, Carl, Der Begriff des Politischen, 1932). "Nehmen wir an, daß auf dem Gebiet des Moralischen die letzten Unterscheidungen Gut und Böse sind, im Ästhetischen Schön und Häßlich; im Ökonomischen Nützlich und Schädlich oder beispielsweise Rentabel und Nicht-Rentabel." (Schmitt, C., Der Begriff des Politischen, 6.Auflage, 1063, S.26) Schmitt schlägt so vor, die Beriffsdualität von Freund und Feind als das das Politische Konstituierende anzusehen. Bedenkt man den historischen Kontext, die 30er Jahre in Deutschland, dann leuchtet diese Bestimung an, war doch das politische Leben der Weimaraner Republik durch den Weltanschauungskrieg zwischen Kommunisten und Nationalsozialisten und Demokraten bestimmt, wobei jede Partei in den anderen nicht einen Mitbewerber um die Stellung der Regierung ansah, sondern als den Feind,mit dem man einen Kampf auf Leben und Tod führte.Aber, so muß jetzt gefragt werden, ist dann nicht diese Bestimmung des Politischen so sehr zeitbedingt, daß sie eben nur für die Zeit des Weltanschauungskrieges in der Form des Kampfes von politischen Parteien mit einer je eigenen Weltanschauung, von Bedeutung ist? 
Carl Schmitt schreibt in seinem berühmten Essay: Politische Theologie, 1.Auflage 1922:" Alle prägnanten Begriffe der modernen Staatslehre sind säkularisierte theologische Begriffe." (6.Auflage, 1993, S.43). Reizvoll könnte es nun sein, diese Einsicht auch auf den Begriff des "Feindes" in seiner Unterscheidung zu dem des "Freundes" anzuwenden. Ist der Begriff des politischen Feindes eine Säkularisierung des theologischen Begriffes des Feindes? Und was sagt das über das Wesen des Politischen aus in seiner Relation zur Theologie und somit zur christlichen Religion? 
1. Fragen wir nach der Bedeutung der Vorstellung vom Feind in der Theologie, so finden wir: der Begriff des Feindes erklärt, warum die ursprünglich von Gott gut geschaffene Welt nicht mehr gut ist und warum sie so erlösungsbedürftig ist und wie durch den endgültigen Sieg über den Feind die endgültige Erlösung sich ereignen wird. Diese Funktion erfüllt die Vorstellung vom Satan, der als Verführer und Revolutionär wider Gott fungiert. Damit wird die christliche Religion, in Anlehnung an Lyotard (Vgl: Lyotatd, Das postmoderne Wissen) die Grunderzählung vom Fall und der Erlösung des Menschen, die das geistige Leben des Abendlandes bestimmte.
2. Wenn die zentralen Begriffe des politischen Diskurses säkularisierte Begriffe der Theologie sind, dann ergäbe sich folgendes:aus der religiösen Erzählung vom Fall und der Erlösung des Menschen wird eine strukturanaloge von dem vom Menschen verursachten Fall und des Kampfes um eine politische Erlösung des Menschen aus seinem eigenverschuldeten Elende, als der Entfremdung von seinem wahren Menschsein, oder seinen positiven Möglichkeiten vom Menschsein. Politisch wird diese säkularisierte Form nun dadurch, daß die Erlösung zu der Aufgabe des Menschen wird, dem ein menschlicher Feind als das die Erlösung Verhindernde gegenübergestellt wird. Rein humanistisch und somit unpolitisch ist die Säkularisierung der religiösen Erzählung, wenn sie ohne den Begriff des Feindes auskommt und einfach durch aufklärende Bildung die Selbsterlösung des Menschen erhofft, wie etwa Kant! Und somit stehen wir nun tatsächlich vor dem Begriff des Feindes als das das Politische Konstituierende. Aber die Funktion wird nun komplexer. Es geht nicht einfach um das Setzen der Differenz von Freund und Feind,damit das politische Leben sich dann in dem so konstituierten Spannungsfeld ereignen kann. Schmitt erfaßt das Wesen des ästhetischen und des moralischen Diskurses angemessen, wenn er sie auf eine Begriffsdualität zurückführt, durch die der Diskurs seine Besonderheit, den ihn vor allen anderen unterscheidet, erhält. Aber diese Dualität ist nun in diesen beiden Diskursen, wie etwa auch in dem medizinischen mit seiner Unterscheidung von Gesund und Krank, eine hierachische. Das eine soll sein, das Schöne, das Gute und das Gesunde, aber immer wird dies von seinem jeweiligen Gegenpol angegriffen, so daß das Schöne und das Gute und das Gesunde nicht das Universelle ist, sondern es nur partikular existiert.Der hierachisch bestimmte Diskurs ist nun bestimmt durch die Frage, wie kann alles zur Gesundheit geführt werden, daß die Krankheit überwunden wird, wie kann das Häßliche überwunden werden, damit nur noch das Schöne ist, wie kann das Böse überwunden werden, damit nur noch das Gute ist? Erlösung ist dann die Vorstellung vom endgültigen Sieg des positiven Pols gegenüber dem negativen- der Endsieg. Der negative Pol avanciert so zu dem Feind, der überwunden werden muß, damit die Erlösung Wirklichkeit wird und nicht blos eine Utopie oder nur ein Ideal ist, das im realen Leben unerreichbar ist. Das Ziel jedes durch eine Begriffsdualität bestimmten Diskurses ist so die Negierung des negativen Pols. Erst wenn der letzte Feind besiegt sein wird, ist die Erlösung vollbracht. Der Apostelfürst Paulus kann so als der Entdecker des Glaubens an den "letzten Feind" gelten, den es zu nichten gilt um der Erlösung willen. Paulus schreibt nämlich:
"Denn er muß herrschen, bis Gott ihm alle Feinde unter die Füße gelegt hat. Der letzte Feind, der entmachtet wird, ist der Tod." (1.Kor. 15, 25f)
Die These lautet nun: jede säkulariete Erlösungsvorstellung ist genau dann eine politische, wenn sie den letzten Feind als einen menschlichen Feind bestimmt, den es zu eliminieren gilt, damit die selbstverschuldete Misere des Menschen aufgehoben wird und er anfangen kann , wahrlich human zu leben. Der politische Diskurs ist dann nur einer, wenn er den letzten Feind, der die Ursache des bisherigen Elendes des Menschen bestimmt, und es als die Aufgabe der politischen Praxis es ansieht, diesen Feind zu nichten. Unpolitisch ist eine säkularisierte Erlösungskonzeption, wenn sie ohne den Begriff des Feindes auskommt und die Ursache der bisherigen Misere des Menschen in einem bloßen Mangel an dem Guten sieht, etwa in dem Mangel an vernünftigem Denken. Säkularisiet meint dabei, daß das, was der religiöse Erlösungsdiskurs von Gott erwartet, nun zur rein menschlichen Aufgabe wird.Dem politischen Erlösungsdiskurs liegt nun der "letzte Feind" nicht als ein vor- oder außerpolitisches Faktum voraus, auf den er sich dann bezöge, sondern der politische Diskurs setzt erst selbst den Feind! Das ist die Souveränität oder Autonomie des politischen Diskurses. Daraus resultiert die Möglichkeit einer Vielzahl von politischen Diskursen, die alle auf der Dualität von Freund und Feind -in einer hierachischen Struktur- aufbauen. Den positiven Pol bildet dabei die Partei, die das Subjekt der Erlösung bildet und den negativen Pol die Kraft, die der Realisierung der Erlösung als Gegenkraft entgegensteht und so Politik zu einem Kampf werden läßt, dem Weltanschauunskrieg, den Carl Schnitt in der weimaraner Republik vor Augen hatte.
So gesehen könnte geurteilt werden, daß die Französische Revolution die erste Politische Tat war- als Wille zur Selbsterlösung durch die Eliminierung des menschlichen Feindes, dem das bisherige Elend der Menschheitsgeschichte zugeschrieben wurde- und daß mit dem Ende der letzten politischen Tat, der bolschewistischen Oktoberrevolution, seiner Selbstnichtung 1989 die Epoche der Politik ihr Ende fand. 
Und so befremdlich es auch klingt: in dem Politischen Diskurs lebte die christliche Erlösungsreligion als aufgebobene noch weiter und gerade deshalb auch und nur in einem feindlichen Geiste. Denn gerade weil das Ziel der Erlösung dem theologischen wie dem politischen Diskurs immanent war, aber beide das Ziel ganz unterschiedlich erreichen wollten, kämpfte die politische Erlösungsvorstellung als Partei organisiert gegen die Organisation der religiösen Erlösungsvorstellung. Das Vorbild, was bis zur Unerkennbarkeit verzehrt allen politischen Erlösungskonzepten zu Grunde liegt, ist dabei selbst eine kirchenpolitische Konzeption- die der Konstantinischen Epoche mit ihrer politischen Theologie! (Vergleiche hierzu:Carl Schmitts Kontroverse mit Erik Peterson über die Legitimität einer politischen Theologie, die Peterson, exemplifiziert an dem politischen Theologen Eusebius von Caesarea deligitimieren wollte, indem er ihn als Hoftheologen Kaiser Konstatins "entlarvte". Carl Schmitt, Politische Theologie II. 1970)  
Die Postmoderne zeichnete sich dann aus als die nachpolitische Epoche, weil sie nun den Glauben an die Erlösungsbedürftigkeit und Erlösungsmöglichkeit durch die Politik  und auch das christlich-religiöse Fundament aufgab. (Lyotard begreift ja die Poszmoderne als das Ende des Glaubens an die Großerzählungen von der Erlösbarkeit des Menschen aus seinem Elend) So wäre die Moderne in ihrem politischem Diskurs sozusagen ein uneheliches Kind der christlichen Erlösungsreligion, indem sie die Erlösung zu einer menschlich-politischen Aufgabe machte und so in verzehrter Form am Religiösen festhielt.Christliche Politik dagegen fand ihr Ende in der Nichtung des Thron-und Altarbündnisses der Konstantinischen Epoche, endend mit der Zerstörung der drei letzten christlichen Monarchien Europas, der Russischen, Österreichischen und Deutschen im und nach dem 1.Weltkrieg.  
Christliche Politik, eingedenk des feinsinnigen Ansatzes von Wilhelm Stapel, Der christliche Staatsmann, 1932, wird sich am Begriff des Reich Gottes orientieren, pointiert ausgedrückt: "Es gilt also, das metaphysische Gleichnis zwischen Gottesreich und irdischem Staat zu finden".(Stapel, Der christliche Staatsmann, 1932, S.166), und so, um es etwas altmodisch zu formulieren, Politik als Aufbauarbeit des Reich Gottes zu denken, wobei das politisch Erreichbare immer nur eine Analogie zum Reich Gottes sein kann. Nach Stapel ist der Staat ja schon eine Analogie zum Reich Gottes, als er Herrschaft ist, er von der Unterscheidung von Freund und Feind lebt und ihm ein heiliges Gesetz zu Grunde liegt. (S.166). Es drängt sich der Verdacht nahe, daß Stapel hier den Staat beschreibt, wie er ist, wenn er durch eine politische Weltanschauungspartei regiert wird! 
Könnte es so sein, daß die Postmoderne eine nachpolitische Epoche ist, in der "Politik" eben nur noch das staatliche Regieren meint und daß um das Wer wie regiert in Form der Demokratie gestritten wird unter der Voraussetzung, daß alle politischen Parteien Manifestatioinen der einen politischen Weltanschauung sind, die des Liberalismus, wie es treffend Alexander Dugin in seinem Buch:"Politische Theorie" 2012 analysiert für die Nachmoderne!
Ist so gesehen die Postmoderne das Verlöschen der Prägekraft der christlichen Religion nach ihrem Großversuch der Konstantinischen Epoche und dem Ende ihrer säkularisieten Versionen der politischer Erlösungskonzeptionen? Es ist ja bezeichnend, daß sich die einstigen politischen "Christlichen Parteien" in Europa aufglöst, bzw umbenannt haben und wo das "C" noch im Parteinamen steht, keine C-Inhalte in dieser sich so nennenden Partei mehr erkennbar sind! 

Corollarium 1
Die Frage Ernst Noltes, was war zuerst, der bolschewistische Wille zur Liquidierung des "Feindes" oder der nationalsozialistische,imitierte Hitler sozusagen die bolschewisische Liquidierung der Kosaken und Großbauern, kann dann so beantwortet werden: jede politische Erlösungskonzeption bedarf als säkularisierte Version der christlich-religiösen Erlösungskonzeption die Vorstellung eines letzten Feindes, den es zu liquidieren gilt, weil er und nur er die endgültige Erlösung der Menschheit aufhält, indem er sie bekämpft als der Feind des Menschen.                        


   

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