Freitag, 12. Juni 2015

Ist die Ehe eine minderwertige Form der Nachfolge Christi?

" Im "alles verlassen" und in der Eingliederung in die messianische Familie Jesu entstehen radikal neue Beziehungen, die nicht mehr sexuell bestimmt und auf Fortpflanzung ausgerichtet sind, wie es noch dem Schöpfungsbericht von Gen 1,28 entsprach. Hier beginnt ein Leben nach Art der Engel, ("vita angelica"), das dem im Himmelreich entspricht, wo die Menschen nicht mehr heiraten werden (Mt 22,30). A. Wollbold, Pastoral mit wiederverheirateten Geschiedenen-gordischer Knoten oder ungeahnte Möglichkeiten, 2015, S.38. Zu Jesu Ehescheidungsverbot merkt dieser Autor an: "Bei der Aufrichtung der vollen Tora spielt die Heilung des Verhältnisses von Mann und Frau eine bedeutende Rolle." (kurz vor dem obigen Zitat auf S.38) Beim Lesen drängt sich der Eindruck auf, daß das asexuelle Verhältnis von Mann und Frau das der "vollen Tora" sein soll und nur in abgeschwächter Form dann das der Ehe. Diese Textpassage evoziert nun den Verdacht, daß in diesem Buch subkutan ein Diskurs wider die Ehe installiert ist, der die Ehe als das Minderwertige gegenüber dem asketischen Ideal eines enthaltsamen Lebens begreift. So wird es dann auch verständlich, mit welcher Begeisterung Augustins Konzept einer Paradiesehe rezipiert wird, als der Vorstellung einer rein freundschaftlichen Beziehung von Mann und Frau unter Ausschluß der Sexualität. (S244f). Ein solches Zusammenleben wird dann den Geschieden-Wiederverheirateten als die Alternative zur Ehe angeboten. Lebten sie so asexuell miteinander, könnten sie auch zur Kommunion wieder zugelassen werden! "[...]dass diese rein freundschaftliche Verbindung gewissermaßen den Idealfall des Paradieses darstellt:" (S.245). Aber durch den Sündenfall kam die Konkupiszenz und daraus entstand "sexuelles Begehren" (S.245). Die nachparadisische Ehe erscheint so als eine Melange aus "sexuelle[r] und freundschaftliche[r] Gemeinschaft" (S.245), während die paradiesische eine ohne Sexualität und damit auch ohne Fortpflanzung war! 
Das hieße, daß Gottes ursprüngliche Intention die war, daß Adam und Eva in einer Freundschaftsehe zusammenlebten im Paradies und daß die Sexualität und der Wille zur Fortpflanzung erst nach dem Sündenfall dazukamen! Darum ist, da nun leider der postlapsarische eine Wesen mit Sexualität und Fortpflanzungstrieb ist,die Ordnung der Ehe, um diese Sexualität einzudämmen- aber besser wäre es, wenn der Mensch gemäß der Paradiesehe sich ganz der Sexualität enthielte und sich nicht fortpflanzte! So wird in dem Buch ja auch, wie ich schon erwöhnte, der Primärzweck der Ehe fast gar nicht erwähnt, ja wenn, dann eher negativ konnotiert. Jesu Christi Reich Gottes Verkündigung befähige stattdessen den Gläubigen schon jetzt zu einem asexuellen Leben mit dem Ideal einer rein freundschaftlichen "Ehe", der Paradiesehe. 
Dieser subkutane Diskurs wider die Ehe in dem sonst so conservativ-katholischen Buch ist nun doch sehr bedenklich. Er gehört ideengeschichtlich wohl in die Tradition der Katharer! Ihnen war die Ablehnung der Sexualität ein Herzensanliegen, und damit auch die der Fortpflanzung. Das Alte Testament mit dem Gott, der will, daß der Mensch sich fortpflanzt,die Welt sich untertan macht, das sind den Katharern primitive Vorstellungen, wohingegen Jesus, (fast ein wenig buddhistisch interpretiert) der Lehrer eines Engelslebens ist, der alles Geschlechtliche überwunden hat. Nur diese Vorstellung von der Paradiesehe hat nichts mit der Lehre vom Urstand von Adam und Eva gemein, denn Gott gab das Gebot zur Fortpflanzung und damit zu einem sexuellen Leben in der Ehe vor dem Sündenfall. Sexualität ist nicht erst eine Folge des Sündenfalles, sondern ist, weil Gott will, daß der Mensch sich vermehre! 
Wenn alle Menschen gemäß dem Ideal der Paradiesehe leben würden, würde die Menschheit in kürzester Zeit vollständig aussterben! Oder wenn alle Christen so lebten, wäre das Christentum zum Aussterben verurteilt. Ernst Nolte zitiert Osama Bin Laden so: " Sie lieben das Leben, wir den Tod".
( E. Nolte, Die dritte radikale Widerstandsbewegung: der Islamismus, 2009,S.307). Steckt ein Hauch von Todessehnsucht auch in diesem subkutanen Diskurs wider die Ehe in diesem sonst so orthodox-katholisch erscheinenden Buch?
Katholisch ist, daß die Ordnung der Ehe um der Fortpflanzung des Menschen ist, weil Gott, der das Leben ist, will, daß Leben ist! Aber subkutan existierte immer in Christentum eine Strömung, die A Schopenhauer gar für das Eigentliche der christlichen Religion hielt, die in der Überwindung des Willens zum Leben die wahre Erlösung sah und so gerade den Fortpflanzungstrieb und die Sexualität perhorresziert.              
    

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