"In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern: Ihr habt gehört, dass
gesagt worden ist: Auge für Auge und Zahn für Zahn. Ich aber sage euch:
Leistet dem, der euch etwas Böses antut, keinen Widerstand, sondern wenn
dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halt ihm auch die andere
hin."(Mt 5,39).
Als Christen sollen wir also dem Bösen nicht widerstehen. Aber was würde aus der Welt, befolgten wir das?
Ein Fallbeispiel: Ein Mann vergewaltigt eine Frau. Sie ist Christin und läßt sich dann ohne Widerstand zu leisten vergewaltigen. Dann sagt sie zu ihm, daß sie als Christin verpflichtet ist, ihren Feind zu lieben. Also sagt sie ihm zu, ihn nicht vor Gericht anzuzeigen. Darauf fällt ihr das mit der Wange ein und sie erklärt, daß der Mann sie auch noch ein zweitesmal vergewaltigen könne. Hat so unsere Christin gemäß Jesu Willen gehandelt.
Nun die Folgen: Der Vergewaltiger weiß nun, daß er ohne negative Folgen für sich befürchten zu müssen, Christin vergewaltigen kann, denn jede wird ihm keinen Widerstand entgegensetzen und ob der gebotenen Feindesliebe auch nicht anzeigen. Das Böse in der Gestalt der Vergewaltigung triumphiert, ja, die Bösen werden, wird ihnen kein Widerstand entgegengebracht, es immer schlimmer treiben, sie werden immer böser.
Würden sich wir Christen so dem Islamischen Staat gegenüber verhalten, es wäre nur eine Frage der Zeit, bis er die Welt beherrschen würde. Und wir Christen würden ausgerottet werden.
Ist es wirklich Gottes Wille, daß das Böse in der Welt siegen soll? Sollen wir die Jenseitsorientierung der christlichen Religion so verstehen, daß wir, um ins ewige Leben eingehen zu können, die Welt widerstandslos dem Bösen überlassen, auf daß es in dieser Welt triumphiert und wir dann im Jenseits?
Aber mit dem Zentralgebot der christlichen Nächstenliebe ist dies: Leiste dem Bösen keinen Widerstand! nicht vereinbar. Sehe ich, daß jemand einen Mitmenschen umbringen will und urteilte ich darauf, daß ich diesem Bösen keinen Widerstand entgegensetzen darf, ließe ich somit die Ermordung eines Nächsten von mir zu! Ja, es wäre genaugenommen eine unterlassene Hilfestellung, wenn ich den Mord durch meinen Widerstand verhindern hätte können, das aber unterlasse. Um der Nächstenliebe willen bin ich doch geradezu dazu verpflichtet, wenn es mir möglich ist, durch meinen Widerstand den Mord zu verhindern!
Oder soll das nun heißen, daß wir nur, wenn wir das Opfer von Bösem werden, dem keinen Widerstand entgegensetzen dürfen, aber wohl anderen Mitmenschen durch unseren Widerstand vor Bösen bewahren? Hieße das, auf das Beispiel der Vergewaltigung bezogen, daß eine Frau, sieht sie, wie eine andere vergewaltigt wird, sehr wohl durch Gewaltanwendung den Vergewaltiger am Vollzuge der Vergewaltigung hindern darf, sogar soll, wenn es ihr möglich ist, daß sie, wenn sie selbst aber das Opfer einer Vergewaltigung wird, es widerstandslos über sich ergehen lassen muß?
Das wäre nun aber unvereinbar mit der gebotenen Selbstliebe. Und selbstverständlich erlaubt die kirchliche Morallehre die Notwehr: Eine Frau darf ihrem Vergewaltiger Widerstand leisten, um nicht vergewaltigt zu werden.
Man kann nicht umhin, daß diese Aufforderung Jesu wohl einer der schwer verständlichsten ist, weil, wenn wir sie befolgten, daß für die Menschen so schlimme Folgen hätte, daß man hier fast genötigt ist, an die rigoristische Moralmaxime zu denken: Hauptsache, moralisch richtig handeln, und wenn die Welt auch daran zu grundegeht!
In der Regel umgehen Predigten dies Problem, in dem sie nur Miniaturformen des Bösen dabei thematisieren: Ist wer unfreundlich zu dir, reagiere darauf nicht, indem du nun auch unfreundlich wirst, sondern lächle freundlich zurück.Und vielleicht verändert dadurch der Unfreundliche sein Verhalten, indem er nun auch daraufhin freundlich reagiert. Im Kleinen stimmt das wohl so, aber auch nur im Kleinen. Steht ein Gotteskrieger vor mir und will mich köpfen, weil ich ein Christ bin, dann kann diese Aufforderung Jesu nicht mehr für mich gelten, daß ich mich von ihm widerstandslos
umbringen zu lassen habe!
Es müßte so das: "Leiste dem Bösen keinen Widerstand" seine Grenze im Gebot der Selbst- und der Nächstenliebe haben.
Und auch im Gebot der Gottesliebe? Oder darf ein Christ offensichtlicher Gotteslästerung keinen Widerstand entgegenbringen? Stellen wir uns den Fall eines Hostienraubes vor und der Dieb will nun die geweihte Hostie schänden, etwa indem er auf sie uriniert. Darf da ein Christ dem Widerstand leisten, um diese Hostienschändung zu unterbinden? Man wird diese Frage bejahen müssen!
Also dürfen wir diese Belehrung Jesu nur im Kontext der gesamten christlichen Morallehre betrachten, um nicht moralisch unerträgliche Folgen zu verursachen.
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