Von der "Wiederauferstehung des jüdischen Christus" spricht Agnes Heller. (vgl: Slavoj Zizek, Einleitung: Die Puppe namens Theologie, 2003, S.10f) "Christus selbst ist akzeptabel, wenn wir versuchen,den >ursprünglichen< Christus herauszulösen, den >Rabbi Jesus<,der der eigentlichen christlichen Tradition noch nicht eingeschrieben ist." (S.10).
So gerät Paulus in den Verdacht, der Verchristlicher Jesu gewesen zu sein, der so das Christentum kreierte. Ironisch formuliert Zizek, daß Paulus sich an ein "wahrhaft leninistisches Werk" machte "und organisierte eine neue Partei, die er die christliche Gemeinschaft nennt". (S.11). Nun, das kennen wir im Prinzip schon von Nietzsche in seiner Pauluskritik (Der Wille zur Macht), originell ist aber die Beurteilung Paulus als Leninisten.
Zizek stellt dann diese These auf: " Mit anderen Worten, das was innerhalb des etablierten christlichen Doxa >verdrängt< wird, sind weniger seine jüdischen Wurzeln, das, was es dem Judentum verdankt, sondern vielmehr der Bruch selbst, die tatsächliche Lokalisierung des Bruchs des Christentums mit dem Judentum." (S.13). Paulus soll nun der Name für diesen Bruch sein. Verwirrend ist dann die Aussage: "Paulus ging nicht einfach von der jüdischen Position zu einer anderen über, sondern er machte etwas innerhalb der jüdischen Position und mit dieser selbst." (S.13). Aber was Paulus da gemacht hat, das kann Zizek nicht erfassen.
Sicherlich ist Slavoj Zizek einer der anregendsten Denker der Gegenwart und so soll versucht werden, hier diese Gedanken für das theologische Denken fruchtbar zu machen.
Versimplifiziert könnte Agnes Hellers Position als eine modifizierte Version der Priesterbetrugs-Verschwörungstheorie gelesen werden. Paulus und mit ihm die nachösterlichen Apostel/Priester erschufen sich die christliche Religion, indem sie den jüdischen Rabbi in den eine neue Kirche gestiftet habenden Sohn Gottes verwandelt haben. Das setzt voraus, daß es die jüdische Religion gegeben hat, zu der auch Jesus gehört hat und daß dann der Jesus nachösterlich verchristlicht worden ist. Paulus hätte dann die Stellung des Messias innerhalb der jüdischen Religion geändert, indem er für ihn zum Sohn Gottes wurde, der so nicht mehr integrierbar war in den jüdischen Monotheismus.
Aber nun muß nachgefragt werden: Was meint hier "jüdisch"? Ist es ethnisch völkisch gemeint oder religiös? Ist die jüdische Religion die Volksreligion des jüdischen Volkes, also zum jüdischen Volkstume zugehörig?Offensichtlich generieren sich die Konfusionen im christlich-jüdischen Dialog gerade in dieser Unklarheit.
Mit Papst Benedikt kann und soll geurteilt werden, daß es die jüdische Religion erst nach Jesus, bzw. nach der endgültigen Zerstörung des Jerusalemer Tempels gibt. (Vgl die Jesusbücher Papst Benedikts). Die jüdische Religion konstituierte sich durch das Nein zu Jesus als dem Messias und durch die Notwendigkeit, die hebräische Bibel neu zu lesen unter der Voraussetzung, daß es jetzt keinen Tempel und keinen Opferkult mehr geben kann. Davor gab es eine Religion des jüdischen Volkes, die aber nicht die jüdische Religion war. Sie war, um es bildlich zu sagen, das Raupenstadium der christlichen Religion, die sich dann erst durch Jesus Christus zur Vollgestalt des Schmetterlings entfaltete- aber die ganze Wahrheit war schon in dem Raupenstadium enthalten, denn die Wahrheit wurde dann von Jesus Christus nur noch entwickelt.
So ist auch die Wahrnehmung eines Bruches keine reine Täuschung: An Stelle der Beschneidung tritt das Sakrament der Taufe, an Stelle des jerusalemischen Tempelopferkultes tritt das Meßopfer der Kirche und statt des völkischen Trägers tritt die Einheit von Juden- und Heidenchristen als das neue Volk Gottes. Und dieses neue Volk Gottes bedurfte auch, seiner Besonderheit gemäß, eine neue Organisationsform. Sollte tatsächlich im Urchristentum ein gewisses spontanistisches Charismatikertum geherrscht haben, dann könnte man tatsächlich die Anfänge der Kirchenorgaisation schon in den paulinischen Briefen grundgelegt sehen.
Dagegen spricht aber, daß Jesus schon selbst die hierarchische Kirchenordnung grundgelegt hatte und daß die Apostel darauf aufbauten.
So müßte zwischen zwei Brüchen unterschieden werden:
a) der Bruch, der in der Konstitution der jüdischen Religion sich ereignete, als die hebräische Bibel sozusagen entkernt wurde, indem das Zentrum der Religion, der Tempel mit seinem Opferkult als unwesentlich aus der neuen Religion ausgeschieden wurde- nie hat die jüdische Religion wieder einen Tempel errichtet, sondern stattdessen den Synagogengottesdienst zum Kern erhoben,
b) der Bruch des neuen Bundes mit dem Gottesvolk aus Juden- und Heidenchristen, das das alte Volk ersetzte, weil nun nicht mehr die ethnische Zugehörigkeit sondern der Glaube die Zugehörigkeit zum neuen Bund bestimmte. Dieser Bruch ist aber einer, der die Entwickelung des im Alten Bundes schon Angelegten ist. Jesus Christus ist die Erfüllung der Verheißungen des Alten Bundes in der Spannung seines ersten und seines zweiten Kommens. Der Tempelkult wird nicht einfach genichtet wie in der jüdischen Religion sondern er wird aufgehoben (im hegelischen Sinne) im kirchlichen Meßopfer und so ist der christlichen Religion auch ein wahrhaftes Priestertum zu eigen, wohingegen die jüdische Religion ohne Priester und ohne Opfer ist. Tatsächlich ist diese Aufhebung auch ein Bruch, aber keine reine Negation.
Das Zurück zu dem ursprünglichen Rabbi Jesus ist dagegen eine Reise zu einer rein fiktiven Person, die eben nur durch die historische Kritik der Bibel produziert worden ist. Es ist ein in die damals noch nicht existierende jüdische Religion versetzter Jesus Christus, denn die entstand ja erst nachösterlich durch das Nein zu Jesus als dem Christus!
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