Mittwoch, 24. Januar 2018

Irritationen: Erwache! Schlafe nicht!

"Igitur non dormiamus sicut et ceteri, sed vigilemus"= So lasset uns denn nicht schlafen, wie die übrigen, sondern lasset uns wachen". 1. Thessaloniker, 5,6. Augustin Arndt SJ (Die Heilige Schrift, 3.Band, 2. Auflage 1903), kommentiert "schlafen" so: "Sorglos nur dem Irdischen leben und das Ewige aus den Augen verlieren" und trifft wohl so das von Paulus Gemeinte, denn sicher ist dies nicht eine Aufforderung zum Schlafverzicht. Aber trifft es in Gänze das Gemeinte? Wer könnte schon "sorglos im Irdischen leben"? Klarer wäre es, hieße es,ohne sich Sorgen zu machen um das ewige Schicksal im Weltlichen zu leben. 
Nebenbei: Die Parole, Deutschland erwache, aus dem gleichnamigen Gedicht Kurt Tucholskys, ist ja bekanntermaßen bei uns verboten, da dies auch eine Parole der SA war. Also gilt den uns Regierenden der Zustand des Nichtwachseins als begrüßenswert-: Schlafet, wenn wir euch regieren!Was hat es so mit der Antithese von Wachsein und Schlafen auf sich, wenn den uns Regierenden der Bevölkerungs- und auch der Kirchenschlaf so wichtig ist?
Eine eigentümliche Anregung findet sich nun dazu in einem Roman, in einem, wo solches nicht zu erwarten ist. "Wachsein ist alles". Gustav Meyrink, Das grüne Gesicht, 11. Kapitel. 
Aufwachen- was ist das, was heißt wachsein?
"Das Leben ist gnädig; jeden Augenblick schenkt es uns einen Anfang.Jede Sekunde drängt uns die Frage auf:Wer bin ich?- Wir stellen sie nicht; das ist der Grund, weshalb wir den Anfang nicht finden. Wenn wir sie aber einmal im Ernste stellen, dann bricht auch schon der Tag an, dessen Abendrot für jene Gedanken den Tod bedeutet,die in den Herrschersaal eingedrungen sind und an der Tafel unserer Seele schmarotzen." (11. Kapitel)
Versuchen wir eine Annäherung: "Ich denke, also bin ich!", ist die grundlegendste Einsicht des Denkens Descartes. Wie nun aber, wenn statt des "Ich denke" das Gerede, das, was man so meint, tritt? Was, wenn nicht mehr ich meine Gedanken denke, sondern sich in mir nur das öffentliche Gerede zu Gehör bringt? Schläft dann nicht mein Ich? Ist dann mein Ich schlafend ersetzt durch das Man, das mir sagt, was und wie ich zu denken habe? 
Die alte Maxime: "Erkenne dich selbst!", könnte so das Aufwachen des Iches unter der Schlafdecke des öffentlichen Geredes meinen! Nur, indem ich früge: Wer bin ich? erwachte mir mein Ich, hieße dann die These dieser Passage aus dem Roman: "Das grüne Gesicht". Ist das aber auch christlich?Ja, wenn man begreift, daß die Selbsterkenntnis eines Menschen die Erkenntnis seiner Bestimmung von Gott zu Gott ist. Dann erwachte er aus der Welt, indem er sich als zwar in der Welt Seiender, aber nicht aus ihr und für sie Bestimmter begriffe. "Das Ewige nicht aus den Augen zu verlieren", erfaßt dann nicht die Tiefe einer wachen Existenz. 
Man könnte es philosophischer auch so deuten, daß der Mensch sich nur noch als empirisches ich wahrnimmt, und das alles erst konstituierende Ich vergißt. (vgl dazu Kant, den Meyrink im 11. Kapitel gerade würdigt. ) Er mißversteht sich so primär als Produkt seiner Umwelt, und nicht als das Ich. (vgl dazu isb. die Ichphilosophie Fichtes). Dem selbstständigen Denken als Befreiung aus dem Gerede ging so die Entdeckung des Iches voraus, das sich dann religiös als nicht von und aus der Welt und für sie versteht, sondern als selbst in Gott gegründet, woraufhin das Ich auch bestimmt ist.
Für den politischen Raum gilt dann einfach, daß für das Geschäft des Regierens selbstständig Denkende immer etwas Problematisches sind, das Ideal ist eben der Jasager, der Untertan, der nur noch denkt, was ihm postmodern die Medien vorgedacht haben.
"Erkenne dich selbst!" ist ja nicht nur eine Maxime für das Individuum, sondern genauso die erste Aufgabe für jedes Volk. (vgl: Fichte, Reden an die deutsche Nation)
Im selbstständigen Denken hört also das Schlafen auf und das Wachsein ist die Selbsterkenntnis.    
Und der Kirchenschlaf? Schläft man nicht gerade in der Katholischen Kirche, weil vergessen wurde, was und wozu diese Kirche in der Welt und nicht von ihr ist? 

Zusatz zur Selbsterkenntnis- die Erkenntnis der Seele:

“Die Unsterblichkeit der Seele ist von so gewaltiger Bedeutung für uns, berührt uns so tief, daß man jedes Gefühl verloren haben muß, wenn es einem gleichgültig sein kann, zu wissen, was es damit auf sich hat. Alle unsere Handlungen und Gefühle müssen so verschiedene Wege einschlagen, je nachdem, ob es ewige Güter zu erhoffen gibt oder nicht, daß es unmöglich ist, mit Verstand und Urteil einen Schritt zu tun, ohne ihn nach jenem Punkt einzurichten, der unser letztes Ziel sein muß."
Blaise Pascal

    

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