Zum klaren Denken gehört unbedingt die Kunst des Unterscheidens. Wo keine Unterschiede mehr gemacht werden, versinkt Alles in einem Einerlei, in dem nichts Bestimmtes mehr ist. Die Sprache als das Medium des Denkens stellt zur Kunst des Unterscheidens selbst ohne unser Dazutuen Wesentliches bei in der Unterscheidung von Indikativ (so ist es), Optativ (so möge es doch sein) und dem Imperativ (so soll es sein, wobei Letzteres noch unterscheidbar ist zwischen einem moralischen und einem strafrechtlichen.
Meine Verdachtsthese lautet nun, daß zumindest ein Teil der Unklarheiten im moraltheologischen Diskurs auf einer mangelhaften Unterscheidung dieser drei Aussageformen beruht. Lesen wir, wie der Mensch sei, finden wir in diesem Diskurs oft einen Cocktail aus indikativischen, optativischen und moralischen Aussagen so vermengelt, daß man nur noch von einer Konfusion sprechen kann.
So ist zum Beispiel beim Thema der ehelichen Untreue beim Manne es nicht wahr, wenn dieser Ehebruch nur aus sexuellem Interesse geschah, daß ein Mann nur mit der Frau, mit der er verheiratet ist, sexuelle Befriedung finden kann und da in der menschlichen Sexualität Liebe und Sex nicht trennbar seien, er nur Befriedigung bei einer Frau fände, wenn er sie liebt.
Daß ein Mann nur mit seiner Ehefrau sexuell verkehren darf, ist eine moralische Vorschrift. Würde die damit begründet, daß ein Mann nur in der ehelichen Sexualität eine Befriedigung finden kann, ist das dagegen eine optatvistische Aussage, die die Tatsache, daß der Mann sexuelle Befriedigung auch finden kann bei einer Frau, die er nicht liebt, nicht beseitigt und die als optatvische nicht das moralische Verbot begründen kann. Denn auch aus Optativen ist kein Imperativ ableitbar. Zur Veranschaulichung: Aus dem Wunsche: "O hätte ich doch 1 Million Euro", ist nicht ableitbar, daß ich einen moralischen Anspruch auf 1 Million Euro habe.
Als Naturwesen, verhielte sich ein Ehemann rein natürlich, würde er anfangen, seine Ehefrau zu betrügen, sobald diese nicht mehr fortpflanzungsfähig ist, denn aus Sicht des natürlichen Fortpflanungstriebes ist der eheliche Verkehr mit einer nicht mehr fortpflanzugsfähigen Frau sinnwidrig. Unsere Kultur verwirft nun moralisch den Ehebruch, auch wenn er natürlich sinnvoll wäre. Das demonstriert den Grundkonflikt zwischen der Natur: wie ist der Mensch, wie verhält sich ein Mann natürlich? und der Kultur: Der Ehebruch ist immer unmoralisch. Aber der Ehebruch gilt nicht als strafbare Handlung wie etwa die Vergewaltigung der Ehefrau durch ihren Mann.
Man kann sich aber des Eindruckes nicht entziehen, daß viele heutzutage den Ehebruch eher so beurteilen: O möge der Mann doch seine Ehefrau nicht betrügen....aber wenn er sie nicht mehr liebt und stattdessen eine andere Frau, dann ist der Ehebruch doch moralisch legitim, auch wenn man sich wünscht, daß das so nicht geschehen möge. Das ist dann auch der Hintergrund dafür, daß viele Katholiken es bejahen, wenn Geschieden-Wiederverheiratete zum Empfang der Kommunion zulaßbar gemacht werden, weil der faktische Ehebruch als Verstoß gegen das Wünschbare der ehelichen Treue verstanden wird, aber nicht mehr als moralisches Fehlverhalten.
Der Moralbestimmung, daß Sexualität nur in einer legitimen Ehe gelebt werden darf, steht so a) die Natur mit ihrem Fortpflanzungswillen entgegen und b) dem Vermögen zumindest des Mannes, Sexualität auch ohne zu lieben, befriedigend leben zu können. Ein optatvisches Denken möchte nun gern diese Differenz nichten, indem ausgesagt wird: Nur in der Ehe kann auch der Mann und die Frau sexuelle Befriedigung finden; das kann dann noch dekoriert werden mit dem Zusatz der wahren Befriedigung, um die moralisch unerlaubte als Scheinbefriedigung zu entlarven. Aber hier sagt der Optativ nur aus: O wäre es doch nur so- es ist ein irrealer Optativ.
Das Moralgesetz, daß Sexualität nur in einer legitimen Ehe zu leben ist, muß also begründet werden, ohne daß man dann Optative einfügt, (das Gesollte ist auch das -wahrhaft- Gewünschte) oder das Gesetz durch Indikative begründet (daß das Gesetz nur fordert, was der Mensch natürlich auch so will) - das wären beides naturalistische Fehlschlüsse (vgl Hume), daß von Optativen und Indikativen auf Imperative geschlossen wird.
Das moraltheologische Problem ist der Imperativ, wenn das Gesollte (Imperativ) nicht mit dem Gewünschten (Optativ) und dem Natürlichen (Indikativ) harmoniert. Warum? Weil die Vorstellung von Gott als dem obersten Gesetzgeber weitestgehend ausgefallen ist in der postmodernen Theologie. Die Natur dagegen gebietet nichts- nur Gott kann durch sie gebieten! Und Optative bilden den Himmel unseres Wünschens, aber berechtigen uns nicht, das so Gewünschte als moralisch auch sein Sollendes auszusagen.
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