Donnerstag, 13. September 2018

Eine Anmerkung zum Verlust der Religion Die Religion, das Unvernünftige?

Für Max Weber, dem großen Soziologen ist die Sache klar: In Europa habe ein Entzauberungsprozeß stattgefunden, der dazu geführt habe, "daß die zerfallenden religiösen Weltbilder eine profane Kultur aus sich entließen", wie J.Habermas treffend einen der Kerngedanken dieses Soziologen zusammenfaßt. ( Jürgen Habermas, Der philosophische Diskurs der Moderne, 1988, S.9).Der Begriff der Entzauberung begreift dabei diese Modernisierung und Rationalisierung auch als Verlust an. Denn die rationale Welt sei bestimmt durch die Zweckrationalität des kapitalistischen Betriebes und des bureaukratischen Staatsapparates. Das Vernünftige wird so reduziert auf das Vermögen, beliebige Ziele effektiv , das ist zweckrational zu erreichen, wohingegen die Frage, welche Ziele zu erstreben sind, dem vernünftigen Denken entzogen sind.  
Für Habermas stellt sich die moderne Gesellschaft wie folgt dar: "Das moderne Zeitalter steht vor allem im Zeichen subjektiver Freiheit. Diese verwirklicht sich in der Gesellschaft als 
privatrechtlich gesicherter Spielraum für die rationale Verfolgung eigener Interessen [ damit ist die Sphäre der Ökonomie, marktwirtschaftlich strukturiert gemeint 
im Staat als prinzipiell gleichberechtigte Teilnahme an der politischen Willensbildung, [damit ist der demokratisch verfaßte Staat gemeint, unter Ausblendung des Volkes als dem Subjekt des Staates]
im Privaten als sittliche Autonomie und Selbstverwirklichung [ das ist der Privatmensch in seiner Freizeit]
in der auf  diese Privatsphäre bezogenen Öffentlichkeit schließlich als Bildungsprozeß,der sich über die Aneignung der reflexiv gewordener Kultur vollzieht. (S.104) 
Letzters ist eine von Habermas Lieblingsideen, denn in diesem Bildungsprozeß sollen sich diskursiv die Ziele, das Wozu des öffentlichen Handelns generieren, während in den anderen Räumen die Zweckrationalität  das Bestimmende ist. Dies soll sozusagen den potentiellen Widerpart gegen die zur bloßen Zweckrationalität verkümmerten Rationalität der Moderne bilden als Surrogat für die einstigen Hoffnungen, die der Marxist Habermas noch auf die Arbeiterklasse setzte.  
Und die Religion? Sie taucht hier nur noch implizite unter dem Begriff der Kultur auf: Die bürgerliche zeichne sich durch die Verdiesseitigung eschatologischer Hoffnungen und zur utopischen Öffnung des Erwartungshorizontes  aus.(S.22)  Einfacher gesagt: Was der religiöse Mensch von Gott erhoffte, das Reich Gottes, das versteht der moderne als die Aufgabe des Menschen, die Welterlösung. Liest man daraufhin die Skizze der modernen Gesellschaft, wie sie Habermas, Max Weber folgend noch einmal, kann man sich des Eindruckes nicht erwehren, daß diese Hoffnungsgehalte der Moderne völlig aufgezehrt sind, oder sich nur noch in der Privatsphäre ereignen als individuelle Selbstverwirklichung. Und das stellt dann- gegen Habermas- den Aggregatzustand nach der Moderne, die Postmoderne dar.
Aber wo ist da die Religion geblieben? Ist die Religion eine Verzauberung der Welt,aus der sich der Erwachsene wie aus dem Kinderlande der Märchen emanzipiert hat, aber auch immer wehmutsvoll an diese ihm verlorene Welt eingedenk seiend? 
Das setzte voraus, daß die Theologie als reflexiv gewordene Religion selbst nicht rational und daß die Religion schlechthin irrational sei. Nur, gibt es dafür selbst eine vernünftige Begründung? Wer daraufhin Habermas liest, findet bei ihm nichts dazu; es ist genau genommen sein Vorurteil, daß er aus der marxistischen Tradition in seinen heutigen Liberalismus übernimmt.  Führte man einen herrschaftsfreien Diskurs, an dem alle Teilhaber der abendländische Kultur teilnehmen könnten, die größte Mehrheit wäre mehr als irritiert, die Religion als etwas Unvernünftiges zu bezeichnen. Auf drei Säulen erbaute sich das Abendland bekanntermaßen: Jerusalem als Ort der christlichen Religion, Athen als Ort der griechischen Philosophie und Rom als Ort des Sinnes für das Gestalten.Weder in Jerusalem, noch in Athen noch in Rom ist der Gedanke vorstellbar, daß die Religion unvernünftig sei.Es ist ein einzigartiger Kulturumbruch, wenn plötzlich die Religion als etwas Irrationales angesehen wird.Für das vernünftige Denken war gerade die Religion der Gipfel des Vernünftigen, so von Platon über Aristoteles bis zu Hegel! 
Vielleicht ist ja realiter eine Vernunft, die das Vernünftigsein der Religion nicht mehr erkennt, eine unvernünftig gewordene Vernunft?  
Dieser Verdacht kann immerhin darauf verweisen, daß der Grund der modernen Rationalitätskonzeption in dem innerchristlichen Religionskrieg des 17. Jahrhundertes zu suchen ist in dem Willen, die christliche Religion zu domestizieren, um fernerhin Religionskriege auszuschießen.Nicht eine tiefere Erkenntnis, ein besseres Sichverstehen der Vernunft, sondern der Wunsch, daß die Religion keinen Anlaß mehr gäbe zu Konflikten ob ihrer Wahrheitsansprüchen, bildete den Vater der Aufklärung, wie der Vater der Postmoderne der ist, daß erkannte und im Besitz sich befindende Wahrheiten konfliktträchtig sind.   
Zudem zeichnet sich die moderne Gesellschaft durch die Zerreißung ihrer Einheit aus: Der moderne Mensch fungiert als homo oeconomicus in Wirtschafsleben, als Staatsbürger im  Staate, als Privatmensch in seiner Freizeit und als Teilhaber der Kultur. (Daß das Ehe-und Familienleben  nicht erwähnt wird, ist bezeichnend für Habermas Linksliberalismus.) So ist sowohl der Einzelne wie die Gesellschaft als Ganzes ohne Einheit-ist das nicht gerade eine Folge des Verlustes der Religion, daß es keinen einen Grund mehr gibt, aus dem Alles ist und woraufhin Alles ist, Gott? Findet aber nicht das vernünftige Denken erst seine Vollendung und Ruhe, wenn es das Mannigfaltige auf einen Grund zurückgeführt hat, in dem jetzt Alles ist auf das Eine hin ?   
 

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