" Die religiösen Kräfte der sozialen Integration sind infolge eines Aufklärungsprozesss erlahmt, der so wenig rückgängig gemacht werden kann, wie er willkürlich produziert worden ist.", stellt Jürgen Habermas, Der philosophische Diskurs der Moderne, 1988, S.104 fest. Damit steht für Habermas fest, daß die Religion nur noch im Privatleben von Relevanz sein kann, wohingegen für die "soziale Integration" andere Größen nun die Verantwortung zu übernehmen haben. Später wird Habermas einem "Verfassungspatriotismus" diese Aufgabe der Sozialintegration zuschreiben.Damit konzediert er, daß die modern bürgerliche Gesellschaft aus sich heraus diese Sozialintegration nicht leistet. Als Beleg zitiert er Friedrich Schillers bekanntes Votum, daß die bürgerliche Gesellschaft das "System des Egoismus" sei (S.60). Hegel wird dann als weiterer Beleg der Zerreißung der Einheit der vormodernen Gesellschaft zitiert: " In der bürgerlichen Gesellschaft ist jeder sich Zweck, alles andere ist ihm nichts. Aber ohne Beziehung auf andere kann er den Umfang seiner Zwecke nicht erreichen.Diese anderen sind daher Mittel zum Zweck des Besonderen." (S. 50)
Anders gesagt: Der freie Markt als das Ordnungsprinzip der modernen Gesellschaft konstituiert den Menschen als homo oeconomicus, der nur noch Beziehungen zu anderen als Geschäftsbeziehung unterhält, daß der andere ihm zum Mittel der Realisierung seiner Interessen wird in der Differenz von Arbeitgeber und Arbeitnehmer und der von Produzent und Konsument. Die bürgerliche Gesellschaft ist das Leben der endlich vielen Einzelinteressen, die nach Verträgen zu wechselseitigem Nutzen strebt. Aber es ist so keine soziale Gemeinschaft. Die Vergemeinschaftung habe nun in voraufkärerischen Zeiten die Religion übernommen, aber die sei durch die Aufklärung ihrer sozialen Integrationskraft verlustig gegangen. Sie würde nur noch privat individualistisch gelebt.
Habermas evoziert nun den Eindruck, als wenn der Prozeß der Aufklärung ein sich notwendig ereignen müssender Vorgang sei, der so auch nicht revozierbar sei. Dagegen muß festgestellt werden. daß a) die Reformation kein notwendiges Ereignis gewesen war, das sich aus dem Wesen der christlichen Religion ergeben mußte, sondern ein kontingentes Ereignis. Der aus der Reformation dann sich ergebende innerchristliche Religionskrieg des 17.Jahrhundertes schuf dann erst die Voraussetzung für das Projekt der Aufklärung als den Domestikationsprozeß der christlichen Religion. Daß nicht jede Religion so einen Domestikationsprozeß durchlaufen muß, zeigt die islamische Religion, die als nichtdomestizerte sich nun der christlichen Religion gegenüber so auch als die weitaus vitalere erweist.
Ist aber der Verlust der Vitalität der christlichen Religion durch die Aufklärung, ihre Domestikation das letzte Wort über die christliche Religion? Faktisch soll in den postmodernen Gesellschaften der Komplex der Politischen Korrektheit und der Holocaustreligion die Funktion der christlichen Religion als der des öffentlichen Lebens übernehmen.Wir verdanken Novalis Schrift:"Christentum oder Europa" die geistvollste Rekonstruktion der Idee der mittelalterlichen Welt als die Einheit in der wahren Religion gerade als Kontrastfolie zur Zerreißung alles Gemeinschaftlichen in der Moderne. In dieser Tradition frägt dann auch Habermas noch nach einer neuen Möglichkeit füt eine Einheit der modernen Gesellschaft, die die christliche Religion nicht mehr leisten kann.
Wird auf den innerchristlichen Diskurs geschaut, dann findet sich da eine eindeutige Antwort: Die Kirche stimmt Habermas zu, daß die christliche Religion nicht mehr das Einheitsband für unsere postmoderne Gesellschaft sein kann, sodaß sie sich selbst der neuen öffentlichen Einheit stiften sollenden politischen Korrektheitsideologie verbunden mit der Holocaustreligion subordiniert und sie so als die öffentliche Religion der Postmoderne anerkennt.
Damit zeigt sich aber auch, daß die aufklärerische Hoffnung auf eine vollkommen säkularisierte Welt sich als Utopie erwies. Zu beachten ist dabei, daß sehr wohl der Einzelmensch vollkommen religionslos sein Leben führen kann, daß aber Gesellschaften eine öffentliche Religion brauchen, um für sich eine kulturelle Einheit hervorzubringen, die eine Auflösung in nur noch ausgelebte Einzelinteressen verhindert als völlige Privatisierung des gesellschaftlichen Lebens.
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