Nun soll hier nicht über das konkrete, inzwischen beidseitige provisorische Abkommen zwischen dem Vatican und der chinesischen Staatsregierung geschrieben werden, denn dazu müßte der Gehalt des Abkommens bekannt sein- das ist aber nur teilweise sehr grob der Fall. Etwas Prinzipielleres ist hier zu bedenken.
Zuvörderst ist anzumerken, daß ob der politisch korrekten heutigen Kirchen-geschichtsschreibung die Konkordate der Kirche mit Italien unter Mussolini und mit Deutschland unter Hitler fast nur noch negativ beurteilt werden. Dieses Negativbild wird dann auf das Vertragswerk mit China projiziert nach dem Motto: Verträge der Kirche mit totalitären Staaten seien prinzipiell moralisch verwerflich. Es wird dabei der Eindruck erweckt, daß aus katholischer Sicht nur demokratische Staaten legitime Vertragspartner sein könnten, daß Nichtsrechtsstaaten dagegen auch und gerade von der Kirche mit ihren ihr eigenen Mitteln zu bekämpfen seien, sodaß es zumindest keine Cooperation mit solchen Staaten geben dürfe seitens der Kirche.
Das klingt alles schön und gut, und wenn sich das dann noch verbindet mit dem Schwarz-Weiß-Bild von der guten "Untergrundkirche" des Widerstandes gegen die totalitär regierenden Kommunisten und der bösen Opportunistenkirche, der "Patriotischen Kirche", dann ist alles klar- nur eben fast zu klar, um noch wahr zu sein.
Irritierndes: Als Paulus seine metaphysische Staatslehre in Röm 13 skizzierte, da hatte er den Römischen Staat vor Augen, der das jüdische Volk unterdrückte, einen Staat, der erst durch viele Kriege zum Römischen Reich sich entwickelt hatte. War das ein Rechtsstaat? Demokratisch war er jedenfalls nicht. Auch zu Zeiten des Paulus waren die 3 möglichen Regierungsformen des Staates, die Demokratie, die Aristokratie und die Monarchie bekannt mit ihren jeweiligen Deformationsmöglichkeiten- aber Paulus geht hier gar nicht auf diese politisch so bedeutsamen Differenzen ein, denn er frägt allein danach, was denn das Staatssein des Staates ausmacht, gleichgültig gegenüber so verschiedenen Ausgestaltungen des Staatsseins. Das ist somit eine unpolitische metaphysische Frage nach dem Sein des Staates.
Nur, gleichgültig, in welcher Ausgestaltung der Staat als ein bestimmter Staat der Kirche gegenübertritt, jeder Staat ist immer nur eine Individuation des Staatsseins, der Idee des Staates, platonisch ausgedrückt. Und hier spricht Paulus ganz und gar unzeitgemäß, weil metaphysisch vom Staat als Schwertgewalt. Das Wesen des Staates ist es, Gewalt zu sein und sich allen ihm Subordinierten gegenüber als Gewaltmonopol durchzusetzen. Dies Gewaltmonopol humanisiert den Menschen, indem er ihn nötigt, auf die Anwendung individuelle Gewalt zu verzichten und die nötige Gewaltanwendung alleim dem Staate zuzubilligen. Die Gewalt des Staates dient nun so dem Leben, erstmal nur als Erhaltungsordnung wider die Tendenz des Krieges aller gegen alle und sie dient zum guten Leben, indem durch den Staat das Leben der Staatsbürger auf das Allgemeinwohl der Gemeinschaft der Bürger ausgerichtet wird. (Vgl: Aristoteles, Politeia).
Diese Ordnung des Staates kann nun in den bestimmten Staaten durch menschliche Willkür konfundiert werden und man darf wohl ohne ausführliche Begründung die totalitäre Staatsgestaltung als Deformation des Staatsseins bezeichnen, weil in ihr die Staatsgewalt verabsolutiert und ihres Lebensdienlichen weitgehend beraubt wird. Aber kein bestimmter Staat kann sich von seinem Sein so sehr entfremden, daß er ganz und gar aufhörte, am Gutsein des Staatsseins zu partizipieren, wie auch der Todsünder nicht aufhört, ein Geschöpf Gottes zu sein und damit auch noch, gut zu sein.
Deshalb, weil das Sein des Staates ein von Gott gewolltes und bejahtes ist, wird die Kirche auch noch in dem noch so sehr von seinem Sein entfremdet habenden Staat das von Gott gewollte Staatssein erkennen und anerkennen. Und das legitimiert auch und gerade Konkordate mit totalitären Staaten. Nun ist das kein Garant dafür, daß jedes von der Kirchendiplomatie ausgehandelte Konkordat ein gutes ist, es ist aber immer legitim, auch mit totalitären Staaten Konkordate zu schließen und zwar nicht nur zum Nutzen der Kirche sondern gerade auch des bestimmten Staates, weil ein gut geregeltes Verhältnis von Kirche und Staat immer auch für jeden bestimmten Staat etwas Gutes ist, da das Staatsein selbst des Staates auf das Gegenüber zur Kirche ausgerichtet ist.
Denn wenn Gott die Allmacht ist, alttestamentlich ist Gott der Herr der Heerscharen, das ist militärisch gemeint und besagt, daß Gottes Himmelsheer mächtiger ist als jedes irdische Heer, daraus wurde dann in der Vulgata die Allmacht Gottes, und der Staat das Gewaltmonopol für sich rechtens beansprucht, dann kann diese staatliche Gewalt, wenn sie eine legitime ist, wie Paulus lehrt, nur ein Derivat der göttlichen Macht sein. Das ist eine Seinsaussage über den Staat, die wahr ist, auch wenn die bestimmten Staaten sich ganz anders verstehen. Alles, was ist, kann sich von seinem Sein entfremden, ohne dies ihm eigene Sein je ganz verlustig zu gehen.
Im kommunistisch sich deutenden Staat tritt der Kirche dabei ein besonders deformierter Staat gegenüber, denn die Kommunistische Ideologie ist ja selbst ein Produkt der Säkularisierung und Politisierung der christlichen Religion, insofern die Erlösung und das Heil, das der Christ von Gott erwartet und erhofft im ewigen Reiche Gottes der Kommunist als die politische Aufgabe der kommunistischen Welthumanisierung ansieht. Der Kommunismus ist so ein illegitimes Kind der christichen Religion. Das verkompliziert so das Verhältnis der Kirche zu kommunistischen Staaten. Aber das sind Schwierigkeiten, die eine klug agierende Kirchendiplomatie in den Griff bekommen kann, sodaß prinzipiell nichts gegen ein vaticanisches Konkordat mit China spricht.
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