Mittwoch, 9. April 2025

Ein verhängnisvoller Irrtum: Wollte Jesus durch seinen Gewaltverzicht ein Vorbild des Deeskalisierens sein? Ein Beitrag zum Karfreitag

 

Ein verhängnisvoller Irrtum: Wollte Jesus durch seinen Gewaltverzicht ein Vorbild des Deeskalisierens sein?



Der Karfreitag kommt näher auf uns zu und damit steht die liberale Theologie Jahr für Jahr wieder vor der Aufgabe, dieses Skandalon der christlichen Religion irgendwie zu bewältigen, für die Zeitgenossen zu etwas Hinnehmbaren zu transormieren.

Eine besondere Strategie dieser Umformung soll hier skizziert werden.Aber nicht in medias res, sondern über einen scheinbaren Umweg möchte ich hier diese Strategie rekonstruieren. In den „Beherzigungen für jeden Tag des Monates“ aus den Schriften des heiligen Bonaventura zitiert M. Sintzel1.In dem der Tugend der Sanftmut gewidmeten „Neunten Tag“ heißt es: Friede und Eintracht erhält der Sanftmütige mit dem Nächsten.Denn wie ein Federkissen die Gewalt eines geschleuderten Steines bricht,so bricht auch ein sanftmütiger Mensch die Gewalt des Zornes und Unwillens,wenn er ein sanftes und friedliches Wort zurückgibt.Deshalb lesen wir auch im Buch der Sprichwörter: >Eine weiche Antwort bricht den Zorn>.Spr 15,1.“

Damit versucht diese Betrachtung der Tugend der Sanftmut die Seligpreisug Jesu: „Selig sind die Sanftmütigen, denn sie werden das Erdreich besitzen!“Mt 5,4 zu deuten und verkennt damit das Eigentliche dieser Verheißung. Das Positive an dieser Tugend ist, daß Gott den diese Tugend Praktizierenden mit dem ewigen Leben belohnen will, Jesu Morallehre ist eindeutig eine Lohnlehre, aber nicht meint er, daß diese Tugend,praktiziert weltimmanent positiv sich auf das zwischenmenschliche Leben auswirke und daß das dann das Positive dieser Tugend sei.Jesus Christus glaubt Gott als einen belohnenden und bestrafenden Gott, wobei der Schwerpunkt dann auf das eschatologische Endgericht gelegt wird. Nicht sind die Tugenden etwas, das unser Leben gut werden läßt oder schlecht im Sinne von, daß es mir gut oder nicht gut ergeht, je nachdem ob ich tugendhaft lebe oder nicht.

Der Glaube, daß die praktizierte Sanftmut andere Gewaltbereite davon abhält, gegen den Sanftmütigen aggressiv zu agieren, ist nun leider eine fromme Illusion. Gerade die Sanftmütigen, die die nicht zurückbeißen, sind das Vorzugsopfer des Mobbings, sind geradezu dazu prädestiniert,Opfer sexuellen Mißbrauches zu werden:“Mit denen kann man es ja machen, denn die wehren sich nicht und lassen sich alles gefallen!“ Menschen lächeln sich gerne wechselseitig an, besonders wenn ihnen gesagt wird: „Jetzt photographiere ich Sie!“ Auf welchem so gestellten Bild lächelt der Photographierte nicht in die Kamera! Er lächelt und zeigt dabei gleichzeitig die Zähne. Die Zähne sind ursprünglich eine Angriffswaffe des Menschen, ihr Zeigen signalisiert: „Ich kann Dich beißen“ und das demonstrierte Lächeln: „Ich kann auch friedlich mit Dir umgehen!“ Diese zweifache Geste stellt den so Angesprochene vor eine Frage: „Wie willst Du unser Miteinander gestalten: friedlich oder aggressiv? Beides kann ich!“ Die Wahl eines friedlichen Miteinanders ist so oft nur das Ergebnis der Einschätzung der Kraft des Anderen, daß der im Konfliktfall sich als der Beißkräftigere erweisen könnte. Im politischen Raum heißt das, daß nur der zum Krieg Fähige und dazu auch Bereite im Frieden leben kann. Dagegen reißt die gelebte Sanftmut den Aggressiven zum Angreifen und gar zum Quälen des Opfers.

Wenn es eine systemische Ursache für die Mißbräuchsfälle in der Kirche gibt, dann wäre das eine pazifistisch ausgelegte Bergpredigt: „Du darfst dem Vergewaltiger, dem der Dir Böses antuen will, keinen Widerstand entgegensetzen und mußt dann Deinem Bruder, dem Christen 77mal vergeben und ihn dann noch, da er Dein Feind ist, lieben!“

Warum starb Jesus Christus den so qualvollen Tod am Kreuze? Eine Selbstverständlichkeit ist es geworden, die traditionelle Auslegung, wie sie am eindrucksvollsten Anselm von Canterbury vorgelegt hat in seinem nicht genug zu bewundernden Werk: „Warum Gott Mensch wurde“ als nicht mehr zeit(geist)gemäß zu reprobieren: Er starb nicht für uns einen Sühnetod.Aber warum dann? Weil er als der Sanftmütigste den Kreislauf der Gewalt unterbinden wollte: Er hätte als Allmächtiger auf die Gewalt, die ihm angetan wird, mit einer Gegengewalt reagieren können, die wiederum ein Mehr an Gewalt seitens der Gewalttätiger evoziert hätte, sodaß eine Gewaltspirale daraus erwüchse, daß mit immer mehr Gewalt reagiert würde. Diese Eskalation der Gewaltanwendung wollte Jesus verhindern, indem er auf jede Gegengewalt verzichtete und so sanftmütig die Gewalttäter besänftigte, so wie es der Traktat über die Sanftmut sich es vorstellt.

Aber Jesus wurde doch auf das Grausamste von den Soldaten gequält, ja sein Erdulden provozierte geradezu die Gewalttäter, ihn umso mehr zu mißhandeln. Warum: Jesus sollte den Kreuzestod erleiden als die Sühne für unsere Sünden und deswegen reagierte er nicht mit Gewalt gegen die ihm angetan werdende Gewalt. Nicht meinte er, durch sein freiwilliges Erleiden würde er die Welt gewaltfreier machen, daß ob seiner praktizierten Sanftmut die Gewalttätigen abließen von ihrer Gewalt. Nein, er hatte so den Zorn Gottes über uns Sünder zu besänftigen aber er legte uns damit kein Programm zur Befriedigung der Welt vor. Für das praktische Leben gilt weiter die bittere Wahrheit: Die Sanftmütigen sind das Lieblingsopfer aller Aggressiven, und nur wer kriegsbereit ist, kann in Frieden leben. 

Zu Zeiten Jesu war die Gewaltfrage höchst virulent als die Frage der Option eines gewaltsamen Befreiungskampfes wider die römische Fremdherrschaft. Hier positionierte sich Jesus und das Urchristentum eindeutig: Statt auf eine politische Befreiung Israels setzte es auf die Erlösung durch die Wiederkunft Jesu Christi, der dann das Reich Gottes bringen werden wird. 







1Michael Sintzel, Maria,meine Zuflucht und mein Trost“, neue verbesserte Auflage,1019,S.177f. Dieses Werk kann man gar nicht angemessen würdigen wegen seiner überragenden Qualität! Selbst Superlative reichen da nicht aus.

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