Irritierendes: Pontius Pilatus verurteilte einen Unschuldigen, als er Jesus zu Tode verurteile – eine Kritik
In den Zeiten des christlich – jüdischen Dialoges und des Philosemitismus ist es fast eine Selbstverständlichkeit geworden, um die Juden von jeder Schuld an der Kreuzigung Jesu freizusprechen, alle Schuld auf den römischen Richter Pilatus zu werfen. Daß alle Evangelien übereinstimmend Pilatus als von den Juden zur Hinrichtung Jesu Getriebenen darstellen, der selbst von der Unschuld dieses Jesu von Nazareth überzeugt war, und der nur um ihnen zu gefallen, dann das Todesurteil aussprach, wird mittels der Wunderwaffe der historisch-kritischen Methode wegexegetisiert, um eine politisch korrekte Rekonstruktion der Genese der Verurteilung Jesu zum Kreuzestod zu präsentieren. In der ist der Tendenz nach Pilatus der Hauptschuldige und wohl noch ein paar wenige jüdische Kleriker,die neidisch auf Jesu Popularität unter dem Volke waren.
Der Kern dieser Verurteilung des Pontius Pilatus ist der Vorwurf, einen Gerechten zu Tode verurteilt zu haben.Meistens verbindet sich das mit dem Urteil, daß das Verhängen der Todesstrafe an sich schon ein Unrecht gewesen sei, daß das also schon hinreichte, um den Römischen Staat als einen Unrechtsstaat zu dysqualifizieren. Daß der Gott Israels, der gerade auch der Gott Jesu Christi ist, selbst die Todesstrafe für Schwerstsünden fordert, ein Unrechtsgott wäre, verdrängt dann diese Kritik meisterhaft.
Ich erlaube mir hier etwas sehr Ungewöhnliches, indem ich einem Theologen das Wort erteile, der rechtens von der Kirche als ein Häretiker verurteilt wurde, der aber nur deshalb so erfolgreich gegen die Katholische Kirche agitieren konnte, weil in seiner Theologie manch Wahres auch enthalten war, daß er in seiner ihm eigenen grobianistischen Manier manchmal besser zum Ausdruck gebracht hatte als eine diffizile Scholastik. So schrieb eben Luther über Jesus, der für uns zum Sünder geworden ist:
„Christus hat alle unsere Sünde auf sich genommen …“ Eine Auslegung von Galater 3,13
Von Martin Luther
3,13 Christus aber hat uns erlöst von dem Fluch des Gesetzes, da er ward ein Fluch für uns, denn es steht geschrieben (5.Mose 21,23): „Verflucht ist jedermann, der am Holz hanget“, auf daß der Segen Abrahams unter die Heiden käme etc.
– Der ganze Nachdruck liegt auf dem Wörtchen „für uns“. Christus ist, was seine Person angeht, unschuldig. Folglich mußte er nicht am Holze hangen, aber, weil jeder Räuber nach dem Gesetz ans Holz gehörte, darum mußte Christus nach dem Gesetz des Mose ans Holz gehängt werden, weil er die Person des Sünders und Räubers, nicht eines Einzelnen, sondern aller Sünder und Räuber vertreten hat. Wir sind ja Sünder und Räuber, darum sind wir des Todes und der ewigen Verdammnis schuldig. Aber Christus hat alle unsere Sünde auf sich genommen und ist dafür am Kreuz gestorben. Darum mußte er, wie Jes. 53,12 sagt, unter die Räuber gerechnet werden.
Das haben alle Propheten gesehen, daß der zukünftige Christus der größte Räuber, Mörder, Ehebrecher, Dieb, Tempelschänder, Lästerer etc. sein würde, der durch keinen Verbrecher in der Welt je übertroffen wird. Da gehts nicht um seine Person selbst, nicht darum, daß er von der Jungfrau Maria geboren ist als Sohn Gottes, da ist er der Sünder, der hat und trägt die Sünde des Paulus, der ein Lästerer, Verfolger und gewaltsamer Mensch gewesen ist, da trägt er die Sünde des Petrus, der Christus verleugnet hat, die Sünde Davids, der ein Ehebrecher gewesen ist, ein Mörder und die Heiden den Namen des Herrn lästern machte (2. Sam. 12,1). Alles in allem, Christus ist der, der hat und trägt an seinem Leibe alle Sünden aller Menschen. Nicht als hätte er sie selbst begangen, aber er hat die von uns begangenen Sünden aufgenommen an seinem Leibe, um dafür mit seinem eigenen Blute genug zu tun. Darum behaftet ihn jenes allgemein geltende Gesetz des Mose, ihn, der für seine Person völlig unschuldig ist, aber das Gesetz hat ihn unter den Sündern und Räubern gefunden. So nimmt die Obrigkeit als straffällig und bestraft, wenn sie jemanden unter den Räubern ergreift, wenn er auch niemals etwas Böses oder Todeswürdiges begangen hat. Christus aber ist nicht nur unter den Sündern erfunden, sondern er hat selbst nach seinem und des Vaters Willen der Genosse der Sünder sein wollen, hat Fleisch und Blut derer angenommen, die Sünder und Räuber sind, in allen Sünden versunken. Da also das Gesetz Christus unter den Räubern gefunden hat, hat es ihn als Räuber verdammt und getötet.“1
Jetzt wird es paradox: Pilatus verurteilte Jesus Christus zum Kreuzestod, der einerseits völlig unschuldig und andererseits der schlimmste Verbrecher unter der Sonne war, da er all unsere Verbrechen auf sich nahm. Zu was hätte den Pilatus Jesus verurteilen sollen, wenn nicht zum Tode, wenn es wahr ist, daß er zu dem Sünder vor Gott geworden ist, da er alle Sünden auf sich genommen hatte. Luther urteilt hier tatsächlich sachgemäß, wenn er konstatiert, daß hier die römische Obrigkeit richtig geurteilt hat, ihn unter die Schwerstverbrecher zu zählen.Jesus ist eben nicht der gute Mensch, der von einem machtbesessenen Pilatus gekreuzigt wird, sondern der Sohn Gottes, der uns zum Verfluchten wurde, da er unsere Sünden zu den seinigen machte. Die römische Obrigkeit tat hier also das, wozu sie nach des Apostel Paulus eigenen Staatslehre verpflichtet ist, die Bösen um der Gerechtigkeit willen zu strafen. Aber die Paradoxie bleibt, daß so ein, nein der völlig Unschuldige der am Kreuze Verfluchter wurde.
Man mache am kommenden Karfreitag dies Experiment: Wenn nun über das Kreuz Christi gepredigt wird, frage man: Was hätte es für Folgen, wenn die gehörte Predigt recht über das Kreuz Christi gelehrt hätte, und wenn Jesus dann nicht am Kreuze gestorben wäre: Änderte sich irgendetwas der Beziehung Gottes zu uns, wenn Jesus, so wie es in dieser Predigt gerade dargelegt worden ist, dann nicht am Kreuze gestorben wäre? War sein Kreuzestod also in soteriologischer Hinsicht überflüssig, da Gottes Liebe uns auch dann gälte, wenn Jesus im hohen Alter im Bett gestorben wäre statt am Kreuze? Starb er nur, um uns zu zeigen, daß man sich von dem Gutestuen nicht durch Drohungen der Mächtigen eines Landes abbringen lassen dürfe?
1Zitiert nach:jochenteuffel.com/2017/01/17/christus-hat-alle-unsere-suende-auf-sich-genommen-martin-luthers-auslegung-von-galater-3,13.
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