Mittwoch, 23. April 2025

Was in der Bibel nicht stehen dürfte – oder kann dem Bibellesenden Zuwideres wahr sein?

 

Was in der Bibel nicht stehen dürfte – oder kann dem Bibellesenden Zuwideres wahr sein?



denn ich weiß,daß gesegnet ist,wen du segnest, und verflucht,wen du verfluchest“. So steht es geschrieben im 4.Buch Mose, 22,6. A.Arndt kommentiert in seiner Vulgatausgabe diese Aussage wie folgt: „Die Wirksamkeit des Segens und Fluches war Glaube des gesamten Alterthumes“. Dies könnte als eine reservatio mentalis gelesen werden, daß man füher das wohl so geglaubt hätte, aber jetzt sähen wir das – als Aufgeklärte?- anders, aber es heißt dann weiter: „denn er beruhte auf Thatsachen.“ Die Geschichte des Baleam, wie er beauftragt wurde, das jüdische Volk zu verfluchen und wie das dann mißlang, setze ich als bekannt voraus und möchte sie deshalb hier nicht rekapitulieren. Es soll sich auf das theologische Problem focussiert werden, daß des Glaubens an die Wirksamkeit des Segnens und des (Ver)Fluchens. Baleams Äußerung: „so könnte ich doch den Ausspruch des Herrn, meines Gottes, nicht ändern“ (22,18) beinhaltet auch eine selbstkritische Limitierung des verfluchen Könnenden, daß er nicht wirksam das Volk Israel verfluchen könne, wenn Gott es gesegnet habe.

Aber der Skandalon bleibt bestehen: Hier wird einem Menschen die Fähigkeit zugesprochen, segnen und verfluchen zu können. Die Geschichte zeigt dann auf, wie Gott es bewirkt, daß sein Volk, statt verflucht gesegnet wird. Aber gerade das bedeutet, daß so das jüdische Volk verflucht hätte werden können, sofern man nicht den selbstkritischen Einwand Baleams stark macht, daß er nicht effektiv verfluchen könne, was Gott selbst gesegnet habe. Nun dürfte es als sehr wahrscheinlich angesehen werden, befrüge man heutige Christen, daß auch unter ihnen eine überwältigende Mehrheit den Glauben an eine Wirksamkeit einer Verfluchung für etwas Abergläubisches ablehnen würden. Wenn nun aber der Glaube, daß durch ein Verfluchen wirklich etwas verflucht wird, purer Aberglaube ist, muß dann nicht der Glaube, daß das Segnen den Gesegneten effektiv segne auch als etwas Abergläubisches reprobiert werden?

Das Internetlexikon: Wikipedia definiert den Fluch in dem dazugehörigen Artikel so: Ein Fluch oder eine Verfluchung ist ein Spruch (gelegentlich auch mit einer zugehörigen Gestik verbunden), der ursprünglich auf ritualisierte (magische)1 Weise einer Person oder einem Ort Unheil bringen oder zur Sühne bewegen bzw. zwingen soll. Zorn oder der Wunsch zu strafen oder sich zu rächen können ihn begründen. Wer wirksam verflucht wird, muss dabei weder anwesend sein noch von dem Fluch wissen. Sein Gegenteil ist der Segen.“ Besser kann es nicht formuliert werden. Bemerkenswert ist nun, daß im 3.Buch Mose, 19,14 das Verfluchen eines Tauben ausdrücklich verboten wird; der Grund ist einsichtig, daß der nicht hören kann, wenn er verflucht wird.Aber ein prinzipielles Fluchverbot findet sich nicht. Nur muß wohl geurteilt werden, daß die Verfluchung eines Menschen dem Gebot der Nächstenliebe widerspricht.

Wenn also das Fluchen uns Aufgeklärten als eine abergläubische Praxis erscheinen muß, kann dann das Segnen der Kritik gegenüber, auch eine abergläubische Praxis zu sein, immunisiert werden?Slavoj Zizek verdanken wir den brillanten Gedanken, daß die Kultur als das sei, was wir praktizierten, ohne noch daran zu glauben. Meine Verdachtsthese lautet nun, daß wenn gesegnet wird, dies nur noch als eine Äußerung einer Gutwilligkeit den Gesegnetwerdenden gegenüber vollzogen wird, und wenn noch geflucht werden würde, dies als ein Ausdruck der Widerwilligkeit gegenüber den so Verfluchten vollzogen wird. Deshalb darf noch gesegnet werden, aber nicht verflucht werden, da ein so offensichtliches Zeigen von Widerwilligkeit nicht tolerierbar ist.

So verlangt die Homosexlobby ja auch den Segen für homosexuelle Paare als einen Akt der öffentlichen Anerkennung der praktizierten Homosexualität, denn ginge es nur um eine Segnung, kann diese ja jeder Homosexuelle wie jeder andere auch empfangen. Den Ehesegen dagegen kann nur das sich verheiratende Paar für ihre Ehe empfangen, aber kein Paar, das nicht verheiratet ist.

Es ist nicht inkonsequent, um die Praxis des Verfluchens als abergläubisches Tuen zu verwerfen, auch das Segnen zu entmythologisieren, um aus daraus nur eine Äußerung der Gutgewilltheit dem Gesegnetwerdenden zu machen, aber damit verliert die christliche Religion an ihrer eigenen Substantialität, daß sie eine Religion mit religiösen Praktiken ist, wozu nunmal auch das Segnen und Verfluchen gehört.

Das Zeugnis der Bibel ist dagegen eindeutig: Das Segnen und das Verfluchen gehört zur religiösen Praxis und wird als eine effektive Praxis verstanden. Damit gehört aber beides zu dem zu Eliminierenden, wenn die Kirche nach einer Aufklärungskompatibilität strebt. 

Corollarium

Es muß zwischen dem vernüntigem und dem aufklärerischen Denken distinguiert werden. So widerspricht es dem vernüntigem Denken nicht, alles Gute auf die Erstursache Gott und alles Böse auf die Erstursache Teufel zurückzuführen, wohl aber dem aufklärerischen Denken, das alles für rein weltimmanent erklärbar posuliert. Schon die der Aufklärung folgende Romantik widersetzte sich diesem Reduktionismus, ohne deswegen antivernünftig zu werden. Daß es aber das Irrationale auch gibt, ist etwas ganz anderes, denn das ist das von Gott Nichtgewollte, das durch den Logos Ausgeschlossene, das aber so doch auch ist als das Negierte.Hier verweise ich auf die bedenkenswerte Konzeption des Theologen Karl Barth über das "Nichige" in seiner "Kirchlichen Dogmatik".



1Es ist en passent daran zu erinnern, daß die religiöse Praxis sich aus der magischen herausentwickelt hat, aber mit ihr gemein hat, das Übernatürliches durch ritualisierte Praktiken erwirkt werden kann, so wenn der Priester Wein in das Blut Christi und Brot in den Leib Christi verwandelt. Der aufklärerische Protestantismus lehnt deshalb diese katholische Lehre ab!

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