Findet das Osterevangelium noch Glauben? Ist das eine Verkündigung, die nicht mehr ankommen kann?
Wenn die Botschaft des Osterfestes nur in der Aussage bestünde, daß da ein bedeutsamer Mensch vor circa 2000 Jahren hingerichtet worden sei und dann nach 3 Tagen von den Toten auferstanden, seinen Gefährten erklärte: „Ich lebe wieder!“ dann hätte das für uns kaum eine andere Bedeutung, als wenn wir hören, daß nach dem Zeugnis der Bibel Hennoch, ohne zu sterben in den Himmel aufgenommen worden sei, wie auch der Prophet Elia. 2 Menschen sei das widerfahren, das besagt aber in keinster Weise, daß nun auch uns es verhießen sei, ohne zu sterben in den Himmel aufgenommen zu werden. Ein singuläres Ereignis, das einem Menschen widerfuhr, zeigt nur an, daß es möglich ist, daß einem Menschen das widerfahren kann, nicht aber, daß es sich so für jeden Menschen ereignen wird. Wenn in der Stadt Salzburg ein Lottospieler 1 Million gewonnen hat, heißt das ja auch nicht, daß jeder Lottospieler Salzburgs 1 Million gewinnen wird,
Das Osterevangelium beinhaltet also die Verheißung, daß jeder von den Toten auferstehen wird zu einem ewigen Leben im Himmel. Nicht unplausibel ist nun der Einwand, daß diese Verheißung unrealistisch sei. Mit den scharfen Messern der historischen Kritik destruieren nun Exegeten die Zuverlässigkeit des österlichen Zeugnisses, daß Jesus von den Toten auferstanden sei. (Als ich noch Vikar der Reformierten Kirche war, wollte mir gar mein Vorgesetzter verbieten, in Beerdigungsfeiern diese österliche Verheißung zu predigen, da das ja nur eine mythologische Vorstellung sei, an die heutzutage niemnd außer ein paar Ewiggestrige noch glaubte.) So sicher Jesus von Nazareth keine Wunder gewirkt hätte, o sicher sei auch der Glaube an den auferstandenen Jesus ein Produkt der Phanatasietätigkeit der urchristlichen Gemeinden. Vulgärer formuliert: Das hätten sich die Autoren der Evangelien und die Anderen halt so zusammengedichtet, um ihre unerneßliche Trauer um den Verlust Jesu zu überwinden.
Man kann nun noch das moderne und einzig Wahrheit für sich beanspruchende naturwissenschaftliche Weltbild zitieren, oder noch beliebter die These der Natürlichkeit des Todes als das endgültige Lebensende, um zu erklären, daß es mit dem Tode aus sei. Ostern sei eben ein nur in vormoderenen Zeiten glaubbares Ereignis. Der modern aufgeklärte Mensch könne nicht an ein Leben nach dem Tode glauben und kapriziere sich so auf sein Leben vor dem Tode, daß dies ihm ein gutes werde.
Aber so plausibel all das auch klingen mag, so frägt sich doch, ob das denn nicht doch nur vorgeschobene Argumente sind. Denn es ist eine Tatsache, daß der moderne so Aufgeklärte regelmäßig Horoskope liest und manche Mütter bei der Frage, wie erziehe ich mein Kind, dessen astrologisches Horoskop mitberücksichtigten. In der Erfolgserie: „Sturm der Liebe“ heiratet wohl auch kaum ein Paar, ohne das Brauchtum, daß für das Gelingen der Ehe bei der Eheschließung 4 Dinge unbedingt notwendig sind, zu beachten, nämlich etwas „Altes“, etwas „Neues“, etwas „Ausgeliehenes“ und etwas „Blaues“. Dem modern aufgeklärte Bewußtsein mögen das zwar nur Relikte vormoderner Epochen sein, aber welcher Mensch ist denn nun ganz erfüllt von diesem modernen Bewußtsein? Da scheint in unserem modernen Bewußtsein doch ein Abstellkämmerlein vorhanden zu sein, in dem sich Voraufklärerisches stapelt, um jederzeit sich revitalisieren zu können1.
Nein, es spricht einiges dafür, daß wir Menschen das glauben, was wir glauben wollen und das nicht glauben, was wir nicht glauben wollen. Nicht entscheidet so die Wahrhaftigkeit von etwas, daß wir es dann auch für wahr halten, sondern unser Wunschdenken entscheidet, was wir für wahr halten. Ein bekannter Witz: Todsein, das ist nichts anderes als am Sonntagabend sich schlafen zu legen, ohne daß dann je am Montgmorgen uns der Wecker: „Aufstehen“ befiehlt, da die Arbeit uns ruft. Der Tod verheißt die ewige Ruhe eines alptraumlosen Schlafens.
Aber für wen ist das eine Verheißung? Für einen Lebensmüden, dem letztlich die Frage: „Ist es besser zu sein als nicht zu sein?“ nicht mehr selbstverständlich ein „Ja“ zum Leben entlockt. Ludger Lütkehaus, ein ausgewiesener Schopenhauerkenner widmet dieser Frage ein ganzes, fast 800 Seiten umfassendes Werk: „Nichts“, um aufzuzeigen, wie unselbstverständlich dem Menschen, befrägt er sich selbst, sein „Ja“ zum Leben ist. Die wohltemperierte Antwort heißt dann wohl, daß es gut sei zu leben, da man sich gewiß sein könne, daß es auch mal endgültig enden würde. Der Vorstellung eines Lebens nach dem Tode wohnt ja auch eine bedrohliche Ambivalenz inne: Christlich formuliert, kann dies ewige Leben das ewige im Himmel oder ein ewiges in der Hölle sein2. Wer vor der Wahl steht, auf ein ewiges Glück hoffen zu können, wobei dann aber diese Hoffnung verbunden ist mit der Möglichkeit, stattdessen auch ewig in die Hölle verurteilt werden zu können, der kann dann auch die Wahl bevorzugen, auf diese Hoffnung zu verzichten, um somit auch das Risiko der Hölle zu vermeiden, daß man so die Option des ewigen Todschlafes wählt.
In Zeiten der Dekadenz, des geschwächten Lebenswillens, Nietzsche ist der Diagnostiker dieses Lebensüberdrusses, der dann seine Aufgabe in der Überwindung dieser Lust am Nichtmehrleben sah, kann die Verheißung eines ewigen postmoratalen Lebens einfach nicht mehr gut ankommen. Zu sehr hat sich Dekadenzmensch mit seinem Schicksal, sterben zu müssen und daß der Tod immer das letzte Wort hat, versöhnt. Man mache mal dieses kleine Experiment: In wie vielen Todesanzeigen seiner Heimatzeitung findet sich auch nur der kleinste Hinweis auf die Hoffnung auf eine Auferstehung der Toten und eines ewigen Lesens. Wenn überhaupt, dann findet sich höchstens noch die Artikulation des Hoffens auf ein ewiges Ruhen in Gott, aber es frägt sich dann, was diesen Hoffnungsgehalt noch von der Hoffnung auf ein ewiges Schlafen im Grabe unterscheidet.Zur Erinnerung: Ursprünglich meint "Ruhe" im Alten Testament nur, daß Israel eine Zeit ohne Kriege erlebte, als eine Gabe Gottes, so daß dies Negative, was nicht war, die Voraussetzung für etwas Positivem war:in Frieden leben zu können.Die Ruhe ist so selbst nicht etwas Positives sondern nur die Abwesenheit von etwas Negativem!
Meine These lautet also, daß nicht die Unglaubwüdigkeit des Osterevangeliumes seine gläubige Annahme verhindet, sondern die dekadente Überdrüssigkeit am Leben: „Ewig zu leben, wäre das nicht sehr langweilig!“, hört o so mancher Religionslehrer als eine Schülerantwort auf die kirchliche Lehre vom ewigen Leben.
1Die Serie: „Sturm der Liebe“ ist auch zeitdiagnostisch von beachtlicher Qualität, daß in unserer Zeit Menschen modern aufgeklärt, aber auch gut katholisch sein können, in der Not wird doch zur Mutter Gottes gebetet, sie können aber auch ich die „Tarotkarten“ legen lassen und können an Wahrträume glauben. Diese Inkonsistenz des heutigen Bewußtseins verkannt zu haben, ist der Kardinalfehler des Entmythologisierungskonzeptes von R. Bultmann.
2Gerade für die Bibel gilt dies: Die Bibel bezeugt nicht ein Ganztodsein des Menschen nach seinem Sterben, sonderrn ein Weiterexistieren in der Unterwelt, sehr ähnlich der griechischen Vorstellung von den Existenz im Hades. Der 1.Petrusbrief beschreibt diesen postmoralen Zustandes als dem eines Gefangenseins der Seele in einem Unterweltsgefängnis (3,19), aus der sie der Erlöser befreien will, als er hinabgefahren ist in das Reich des Todes, in dem die Toten gar nicht einfach tot sind. Daß das Leben nach dem Tode irgendwie weitergeht, ist eben nicht nur eine frohmachende Hoffnung sondern kann auch als eine Drohbotschaft gehört werden.
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