Mittwoch, 30. April 2025

Zur „Theologie des Leibes“ - ein verstörender Verdacht!

 

Zur „Theologie des Leibes“ - ein verstörender Verdacht!



Nicht in medias res sondern über einen Umweg soll nun dies Thema angegangen werden, um so besser ins Ziel anzukommen: Auch der best zubereitete Schweinsbraten von Frau Sonnbichler wird ihrem Mann nicht mehr munden, bekäme er ihn jeden Tag zu Mittag vorgesetzt.1 Das gilt so von allem, was wir genießen wollen: Eine inflationäre Häufigkit entwertet jeden Genuß. Sex wird in unserer Zeit so inflationär genossen, daß selbst die ausgefallendsten Versionen seiner Praktizierung nicht mehr die Sexübersättigten befreidigen können. Die Akteure der Romane Marquise de Sades veranschaulichen dies dem Leser überdeutlich. Wer schon alles zigfach ausprobiert hat, alles auch seinen Reiz desVerbotenen und Pervertierten verloren hat, wie soll dann der Sex noch begeistern?

Der täglich servierte Schweinsbraten der Frau Sonnbichler könnte aber ihrem Mann wieder zu einem Hochessensgenuß werden, wenn er nur noch zu Weihnachten, Ostern und ein paar anderen besonderen Festtagen serviert werden würde. Das scheint mir die Substanz der in conservativen Kreisen zu hochgeschätzten „Theologie des Leibes“ des Papstes Johannes Paul II zu sein, wenn der Schwerpunkt auf ihre Rezeptions- und Wirkungsgeschichte gelegt wird. 99,999 Prozent der Katholiken praktizieren ihre Sexualität so, als hätte dies Ereignis der „Theologie des Leibes“ nie stattgefunden und die diesbezügliche Lehre des Katechismus wird nicht nur nicht praktiziert, sondern selbstredend als völlig unsinnig abgelehnt. Aber warum sollte man sich nicht auch mal Minderheiten zuwenden, den sehr Wenigen, die die Sexualitätslehre des Katechismus gemäß dieser Theologie praktizieren.

Das Kernanliegen der „Theologie des Leibes“ ist, ganz in Übereinstimmung mit der Lehre des Katechismus, daß Sex nur in der Ehe praktiziert werden dürfe. Der Katechismus lehrt eindeutig: „Die leibliche Vereinigung ist nur dann moralisch zu rechtfertigen, wenn zwischen dem Mann und der Frau eine endgültige Lebensgemeinschaft gegründet worden ist.“ (2391) „Unzucht ist die körperliche Vereinigung zwischen einem Mann und einer Frau, die nicht miteinander verheiratet sind.“ (2253). Aber nun betritt doch die „Theologie des Leibes“, so wie sie in der „Tagespost“ regelmäßig vertreten wird, doch neue Wege, wenn zwar die Verhütung mit künstlichen Mitteln als moralisch unerlaubt, mittels natürlicher Mittel aber als erlaubt beurteilt. In der Nr 2351 lehrt dagegen der Katechismus: „Unkeuschheit ist ein ungeregelter Genuß der geschlechtlichen Lust oder ein ungeordnetes Verlangen nach ihr. Die Geschlechtslust ist dann ungeordnet, wenn sie um ihrer selbst willen angestrebt und dabei von ihrer inneren Hinordnung auf Wiedergabe des Lebens und auf eine liebende Vereinigung losgelöst wird.“2 Das heißt konkret: Wenn ein verheiratetes Paar sich geschlechtlich vereinigen will, aber so, daß dabei die Frau nicht schwanger werden kann, dann betreibt das Paar Unzucht. Die Intention, daß nicht ein Kind dabei entstehen kann, macht diese Vereinigung zu einem unzüchtigen Akt. Das gilt somit auch für jeden Geschlechtsakt, wenn mit der Zuhilfenahme natürlicher Mittel oder Methoden eine Schwangerschaft ausgeschlossen werden soll.

Sex soll weiterhin nur in der Ehe praktiziert werden, aber dann in ihr doch auch mit der Intention, daß die Frau nicht schwanger werden könne, wenn dazu keine künstlichen Mittel appliziert werden. Die Intention dieser neuen Theologie ist nun, daß die praktizierte Sexualität zwischen Verheirateten aufgewertet werden soll und so von dem Ruf befreit zu werden, nur ein Übel zu sein, das aber um des Erhaltes des Lebens doch zu praktizieren ist. Es drängt sich so der Verdacht auf, daß diese Theologie mit der modernen Einstellung zur Sexualität übereinstimmt, daß der Sex das Wichtigste und Beste auf Erden sei, daß er aber um seiner Qualitätsabsicherung willen in seiner Häufigkeit zu reduzieren sei. Wird berücksichtigt, daß Frauen durchschittlich 30, Männer 33 Jahre alt sind, wenn sie heiraten, und daß zwischen 12 und 14 Jahren die Geschlechtsreife sich einstellt, daß fast 20 Jahre lang Frauen und Männer enthaltsam zu leben haben! Das kann, wenn überhaupt es gelingen kann, nur möglich sein, wenn dann diese lange Periode der Enthaltsamkeit durch die Vorstellung eines Übermaßes an Lustbefriedigung in der ehelich praktizierten Sexualität durchhaltbar wird.

Es ist, als wenn Frau Sonnbichler ihrem Ehemann am Jahresanfang erklärte, erst zu Weihnachten bekäme er seinen excellenten Schweinsbraten, auf den er sich dann das ganze Jahr hindurch vorfreuen könnte. Aber damit nun wenigstens dann in der Ehe die Sexualität genossen werden kann, darf sie nun auch praktiziert werden, wenn beide kein (weiteres) Kind wollen und sie deswegen so praktizieren, daß auf keinen Fall die Frau schwanger werden kann. Nur dürften dazu keine künstlichen Mittel verwendet werden.

Dem Einfluß der personalistischen Philosophie verdankt sich nun dieser, Verbindung von der Liebe und der Sexualität, daß einerseits insinuiert wird, daß der Geschlechtsverkehr nur zwischen Sichliebenden erlaubt sein könne, das ist aber unvereinbar mit der kirchlichen Ehelehre, daß auch eine reine Vernunftehe legitim ist und daß eine gültig geschlossene Ehe gültig bleibt, auch wenn das Paar aufgehört hat sich zu lieben, und daß dann auch noch der Geschlechtsverkehr erlaubt ist, und daß die Liebe, nur wenn sie nur als eine durch den Tod eines der Ehepartner Beendbare vorgestellt wird, eine Liebe ist, die den Geschlechtsverkehr erlaube. Die Liebe, nur wenn sie als eine „endgültige Lebensgemeinschaft“ von beiden Ehepartnern bejaht wird, erlaube dann erst den Geschlechtsverkehr. In diesem Punkte stimmen dann also der Katechismus und die „Theologie des Leibes“ überein.

Aber ist diese Vorstellung der personalistischen Anthropologie vertretbar? Wenn heute eine Frau oder ein Mann heiratet, kann er nicesht mit Gewißheit ausschließen, daß der Partner sich von ihm scheiden lassen will und wird, sodaß faktisch ihre Lebensgemeinschaft genichtet wird, auch wenn sie in der dogmatischen Theorie noch fortbesteht, Der eine Partner kann das höchstens für sich selbst ausschließen, aber nie hundertprozentig für den Anderen. Das heißt, daß heutzutage keine Ehe mehr geschlossen werden kann, in der mit 100 prozentiger Sicherheit gewährleistet ist, daß sie eine Lebensgemeinschaft ist, die erst durch den Tod eines der Partner beendet werden wird. Wenn aber das Versprechen auf eine erst durch den Tod eines der Ehepartner auflösbaren Lebensgemeinschaft die notwendige Condition für die Erlaubbarkeit des Geschlechtsverkehres ist, dann dürfte der Geschlechtsverkehr auch in einer Ehe nie vollzogen werden. Denn die Ehe ist nur noch der Theorie nach, nicht der Realität nach eine „endgültige Lebensgemeinschaft“.

Der Geschlechtsverkehr dürfe nicht um seiner selbst willen angestrebt werden. (2351). Die „Theologie des Leibes“, zumindest so, wie sie die „Tagespost“ rezipiert, bejaht den Geschlechtsverkehr um seiner selbst willen genossen, wenn dazu nur natürliche Mittel appliziert werden. Das Künstliche wird dabei unreflektiert als das Nichtnatürliche daimonisiert, so als wäre die Ermordung eines Menschen mit künstlichen Mitteln, ihn zu erschießen, etwas Unerlaubtes, die Ermordung aber mit natürlichen Mitteln,ihn mit bloßen Händen zu erwürgen etwas Erlaubtes, da es da natürlich zuginge. Aber wie kommt denn nun der Katechismus auf die Idee, daß derGeschlechtsverkehr um seiner selbst willen genossen, etwas Unerlaubtes sei? Auch hier wird ein kleiner Umweg eingeschlagen, um hier Klarheit zu schaffen.

Man möge sich bitte vorstellen, ich urteilte: Jedes Mal, wenn ich einen Glühwein trinke, sündige ich. Der Beweis für diese absurde These: Das Trinken diene der Lebenserhaltung, denn ohne eine genügende Einnahme von Flüssigkeiten stirbt der Mensch. Das Glühweintrinken dient nicht der Lebenserhaltung sondern allein dem Genuß, also ist es unerlaubt. Der Kardinalfehler dieses Beweisganges ist die Einschummelung eines „Nurs“, daß das Trinken nur der Lebenserhaltung zu dienen habe und deswegen jedes Trinken um des Genießens willen eine unerlaubte Handlung sei.Im Hintergrund steht dabei die Unterscheidung des hl. Augustin zwischen dem „uti“ als ein Gebrauchen zu und dem „frui“ als einem selbstzwecklichen Genießen. Ich lese das Buch, um mich für eine Prüfung vorzubereiten, ich bereite mich auf die Prüfung zu, um sie zu bestehen, ich will sie bestehen, um.....Hier wird immer etwas gebraucht, (uti), um ein Ziel außerhalb des Gebrauchens zu erreichen, das dann selbst nur wieder ein Mittel für ein weiteres Ziel ist. Augustin frägt nun, ob es ein letztes Ziel geben könne, das selbst wiederum nicht ein Mittel für ein weiteres Ziel abgibt? Das kann für den hl. Augustin nur das „höchste Gut“, das „summum bonum“, also Gott selbst sein. Deswegen dürfe nur Gott genossen, alles andere aber nur benutzt werden und zwar so, daß es auf das Endziel ausgerichtet sei. Wer etwas anderes als Gott genieße, sündigt so. Damit steht jedes etwas Tuen um seiner selbst willen unter der Anklage, denn nur Gott ist etwas Selbstzweckliches, nein ist das Selbstzweckliche, Somit wird jede praktizierte Sexualität wie auch jede Tasse Glühwein, wenn um seiner selbst willen genossen, zu einer Sünde.

Dabei wird aber die Güterlehre des hl. Augustin vergessen, daß Gott zwar das höchste Gut ist, daß aber alle anderen erstrebten Güter ihr Gutsein durch ihre Teilhabe am Gutsein Gottes haben und so genossen werden dürfen, da in ihrem Gutsein, das in ihrem Genießen genossen wird, Gottes Gutsein in seinem Abbildsein in jedem Guten genossen wird. Nur Gott ist aus sich gut, alles andere hat sein Gutsein nur durch seine Partizipation an dem Gutsein Gottes, oder um es ästhetisch zu formulieren: Alles Schöne ist nur schön ob seines Abbildseins des Urbildes des Schönen. So kann und darf alles Gute und Schöne genossen werden und nicht nur gebraucht werden um eines Zweckes außerhalb des Gebrauchens. So ist der Geschlechtsverkehr zwar auf den Zweck der Fortpflanzung ausgerichtet, kann aber, wie auch die Tasse Glühwein genossen werden, wenn der Geschlechtsverkehr nur um des Genusses willen praktiziert wird. Denn sowohl der Glühwein wie auch der Geschlechtsverkehr sind auch Güter, die um ihrer selbst willen genossen werden dürfen.

In diesem Punkte entfernt sich so die“Theologie des Leibes“ von der Lehre des Katechismus, aber ohne daß das solide begründet wird durch einen Rekurs auf die Güterlehre des hl. Augustin. Es muß aber auch betont werden, daß es eine Hierarchie der Güter gibt: die von der Seele erstrebten Güter stehen in dieser Ordnung über den Gütern des Leibes, auch wenn diese gut sind. Der Verdacht besteht nun darin, daß das Gut der praktizierten Sexualität durch diese Leibestheologie maßlos überbewertet werden soll, indem die restriktive Bestimmungen, wann und wie sie nur praktiziert werden dürfe, sie zu einem Mangelgut werden läßt, als wenn der Schweinsbraten statt jeden Sonntag nur noch zu Weihnachten gegessen werden dürfte.

1Vgl: „Sturm der Liebe“ M.E. Erfährt man in dieser Serie weit mehr über das Phänomen der Liebe als in dieser Leibestheologie.

2Die Formulierung der „liebenden Vereinigung“ist dabei aber sehr problematisch: Es gilt, daß auch der Geschlechtsverkehr legitim ist, wenn er in einer sog. Vernunftehe praktiziert wird, wenn also beide sich nicht lieben, oder wenn sie zwar aus Liebe geheiratet haben, aber aufgehört haben, sich zu lieben. Liebt sich das Paar, ist aber nicht verheiratet, ist dagegen diese Vereinigung unerlaubt. Es kommt nämlich allein auf das miteinander Verheiratetsein an.

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