„Gewissensmoral“ versus „Autoritätsmoral“ - die Streitfrage der Moraltheologie?1
So eröffnet Kardinal Ratzinger die Debatte um diese Causa: „Die Frage nach dem Gewissen, besonders im Bereich der katholischen Moraltheologie, zum Kernpunkt des Moralischen und seiner Erkenntnis geworden.“2 Ist das Gewissen die letzte bzw höchste Instanz,die mir sagt, was ich tuen darf oder was nicht oder existiert eine meinem Gewissen übergeordnete Instanz, die diese Frage letztlich beantwortet? Würde das Gewissen als die höchste Instanz behauptet,hieße das: „Wenn die Autorität, das heißt in diesem Fall das kirchliche Lehramt, in Dingen der Moral spricht,so könnte sie demnach dem Gewissen Material für seine eigene Urteilsbildung liefern,die aber doch das letzte Wort behalten müsse. Diese Letztinstanzlichkeit des Gewissens wird von manchen Autoren auf die Formel gebracht,das Gewissen sei unfehlbar.“3
Das heißt aber, daß es keine allgemeine Wahrheit in moraltheologischen Fragen geben kann, da letztinstanzlich immer nur mein Gewissen mir sagt, was ich zu tuen und zu lassen habe. „Denn die Gewissensurteile widersprechen sich;es gäbe also nur eine Wahrheit des Subjekts,die sich auf dessen Wahrhaftigkeit reduzieren würde.“4 Die These der Letztinstanzlichkeit des eigenen Gewissens bewahre dann die Freiheit des Christenmenschen gegen die heteronomen Autoritätsansprüche des Lehramtes der Kirche.
Soweit die Problemexplikation durch den späteren Papst Benedikt XVI,aber jeder heutige Leser wird ad hoc des Eindruckes sich nicht erwehren können, daß sich demgegenüber jetzt sich die Debattenlage deutlich verändert hat,denn erstens wird jetzt ein großer Teil der Morallehre der Kirche einfach als falsch verurteilt,isb die Ehe- und die Sexualmorallehre,sodaß sie deswegen nicht mehr als verbindlich beurteilt wird und zweitens,wenn etwa ein Katholik urteilte, daß er von seinem Gewissen her das Konzept der multiiethnischen Auflösung des eigenen Volkes nicht bejahe, dann wird er als „rechts“ diffamiert und sein Gewissensurteil als völlig inakzeptabel.
Aber trotzdem geistert das Theorem des Gewissens als der Letztinstanz in allen Fragen der Moral in dem moraltheologischen Diskurs.Das Hauptargument lautet dabei: „Im Blick auf die Gewissensqualität als solche gibt es keinen Sinn,vom Irrtum zu reden,weil dieser sich von keiner übergeordneten Warte aus feststellen läßt.“5
Der Kardinal zeigt nun mit dieser Anmerkung zu Hegel, „für den das Gewissen >als formelle Subjektivität ...auf dem Sprunge< ist,>ins Böse umzuschlagen.<“6 Hegel urteilt in dieser Causa in seiner Rechtsphilosophie so: „Das Gewissen ist daher diesem Urteil unterworfen,ob es wahrhaft ist oder nicht und seine Berufung nur nur auf sein Selbst ist unmittelbar dem entgegengesetzt,was es sein will,die Regel einer vernünftigen, an und für sich gültigen allgemeinen Handlungsweise.“7 Denn das „wahrhafte Gewissen ist die Gesinnung,das,was an und für sich gut ist,zu wollen; es hat daher feste Grundsätze,und zwar sind ihm diese die für sich objektiiven Bestimmungen und Pflichten.“8
Hegel erfaßt hier in der ihm eigenen Klarsichtigkeit,daß die Vorstellung von dem Gewissen als der höchsten Instanz in allen Fragen der Moral einen Selbstwiderspruch in sich birgt,daß nämlich dem Gewissen auch ein Inhalt zu eigen ist,das Wissen um das Zuwollende im Bereich der Moral, sodaß wo nur noch die Form des subjektiven Gewissens ist, die seinem eigenen Gehalt widerspricht. „Das Gewissen ist als diese Einheit des subjektiven Wissens und dessen,was an und für sich ist,ein Heiligtum“.9 Wenn aber das Gewissen sein ihm eigenes Wissen nicht weiß,und es nur noch formell subjektivistisch sein will, dann wird es zum Sprungbrett ins Böse.
Der Rechtsphilosoph Hegel zieht daraus eine klare Konsequenz: „Der Staat kann deswegen das Gewissen in seiner eigentümlichen Form, d i als subjektives Wissen nicht anerkennen,sowenig als in der Wissenschaft die subjektive Meinung ,die Versicherung und Berufung auf eine subjektive Meinung, eine Gültigkeit hat.“ 10
Wird also das subjektive Gewissen als die Letztinstanz des Moralischen behauptet, widerspricht es sich selbst, weil es so seinem objektiven Gehalt widerspricht. Im Sinne Hegels könnte das Reich des subjektiven Gewissens als der Bereich der Moralität bezeichnet werden, in dem das subjektive Gewissen im Widerstreit zu seinem objektiven Gehalt existiert, wobei dieser Widerspruch dann im Reich der Sittlichkeit aufgehoben wird,wo das subjektive Gewissen seinen objektiven Gehalt bejaht.
Für das philosophische Denken ist nun das Vernünftige nicht etwas der Freiheit Entgegengesetztes als wäre das Vernünftige eine heteronome autoritäre Bestimmung. Aber für das moraltheologische Denken sieht das anders aus, weil die Frage der Moraltheologie die ist: Wie habe ich zu leben,damit ich in das ewige Leben eingehen kann? Diese Frage kann nun das vernünftige Denken nicht aus sich selbst heraus respondieren,denn Gott selbst setzte ganz frei die Conditionen, wem er dann das ewige Leben gewähren will.Hier entscheidet allein die Autorität Gottes. So ist die Bedingung, wer glaubt und getauft ist, wird eingehen in das ewige Leben (Mk 16,16) durch kein vernünftiges Denken als die Eintrittsbedingungen erkennbar.
1Joseph Karinal Razinger, Wenn du den Frieden willst....Gewissen und Wahrheit, in:Werte in Zeiten des Umbruchs,2005, S.100.
2A.a.O. S.100.
3A.a.O. S.100.
4A.a.O. S.101.
5A.a,O. S.100f ,Fußnote 1.
6Wie Fußnote 5.
7Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts,§ 137.
8Wie Fußnote 7.
9Wie Fußnote 7.
10Wie Fußnote 7.
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