„Entgrenzte Freiheit?: In Berlin diskutierten Chantal Delsol und Thomas M. Schmidt über Christentum und Liberalismus“
Am 15.9.2025 erschien dieser Artikel auf der Internetseite „Communio“,der dann ober trotz dieser verheißungsvollen Überschrift so dürftig ausfällt, daß ich ihn hier nicht besprechen,mich aber dieser Problematik zuwenden möchte.Das „und“ signalisiert das Problem:Werden da irgendwie zwei untereinander beziehungslose Größen in eine Beziehung zueinander gesetzt oder eine schon real existierende diskutiert und wie geartet ist die Qualität dieser Beziehung?
Eine erste Orientierungsskizze:
Kirchengeschichtlich könnte chematisierend gesagt werden, daß bis zum 2.Vaticanum eine Negativbeurteilung des Liberalismus in der Kirche vorherrschte und daß jetzt der Liberalismus gutgeheißen wird, ja als eine Auswirkung der christlichen Religion in Westeuropa und nun auch zunehmend in Osteuropa affirmiert wird.Maßgebend für diesen Einschätzungswechsel war die Gründung von christlichen Parteien in Westeuropa, die eine Synthese aus christlichen Werten und einem eher conservativem Staatsverständnis verbunden einem Wirtschaftsliberalismus waren. Katholischerseits verzichte man dabei auf die Gründung einer dezidiert katholischen Partei, wie sie in der Weimarer Republik das „Zentum“ darstellte und setzte auf eine ökomenische Partei ohne eine bestimmte Confession. Die Confessionalität sollte dabei durch allgemeine christliche Werte und einem christlichen Menschenbild substituiert werden. Eine genaue Rekonstruktion dieser Werte und des Menschenbildes würde das Ergebnis zeitigen, daß hier die politische Ideologie des Liberalismus christlich ummäntelt das Fundament der C-Parteien bildete, auch wenn anfänglich ein conservatives Staatsverständnis dem Grenzen setzte.
Der Grund für diese positive Rezeption des Liberalismus lag in seiner Anziehungskraft für christliche Kreise in der Oppositionshaltung des Liberalismus zu den beiden totalitären Ideologien des Kommunismus und des Nationalsozialismus. Der Liberalismus verhieß der Kirche die Freiheit,in einer pluralistisch strukturierten Gesellschaft anerkannt zu wirken.
Eine These dazu: Nach der Niederlage des Nationalsozialismus und dem Ende des Faschismuses mit dem Tode Francos und dem Sieg über den Sozialismus 1989f gerät nun der politische Liberalismus selbst in eine Krise, da er sich bis dahin als die Alternative zu diesen zwei totalitären Ideologien legitimierte.
Der Syntheseversuch des Christlichem mit dem Liberalismus stand von vornherein auf einem brüchigem Fundament, versteht sich die christliche Religion und die Katholische Kirche als die Wahrheit, wohingegen der Liberalismus die Gleichgültigkeit aller Religionen vertritt, und daß sie so nur im Privatleben eine Relevanz haben dürfe. Grob schematisiert:Im Bereich der Ökonomie und der Politik herrscht die Vernunft, während im Bereich der Religion und der Kunst ein Irrationalismus vorherrscht, ein rein subjektivistisches Fürwahr- und Fürschönhalten. Nur die politischen Ideologien,die rechts- wie die linksextremistischen wollten die Politik und die Ökonomie Irrationalistischem unterwerfen, während der Liberalismus für ein sachgemäßes Regieren stünde1. Eine Theokratie oder ein Staat, der auf die Kirche hören würde, wäre so selbst ein die Vernunft des Politischen destruierender Staat. (Deswegen gelten dem Liberalismus eben der Iran wie auch Afghanistan zu den Feindstaaten und jetzt auch zunehmend Israel, da da rechtsausgerichtete nationalreligiöse Parteien einen Einfluß auf die Regierungspolitik nähmen.)
Aber der auf die Kirche hörende Staat ist nun mal die Idealvorstellung des Verhältnisses des Staates zur Kirche,die sich in der katholischen Verhältnisbestimmung von der Vernunft zur Offenbarung, der Natur zur Gnade und der endlichen Ziele zu den übernatürlichen gründet. Die liberalistische Emanzipation der Vernunft, der Natur und der endlichen Ziele von allem Übernatürlichen gehört aber zum Kernanliegen des Liberalismus.
Die heutige Theologie als auch die ihr folgende Kirche akzeptiert so sehr den Liberalismus,daß sie selbst nur noch eine Meinung unter den vielen Meinungen in der pluralistischen Gesellschaft sein will und diesen Pluralismus gegen alle conservative und rechte Kritik verteidigt, obzwar diese Kritik der vorkonziliaren Kritik der Kirche am Liberalismus ähnelt.
Die Krise der Demokratie,über die dann auch dieser „Communio“-Artikel lamentiert,ist im Kern die Krise dieser Ideologie,die selbst gar keine sein will, die sich nun aber ihrer Kritiker zu erwehren hat,daß sie zwar den Bürger aus allen sozialen Einbindungen emanzipiere,um seiner Freiheit willen, aber nicht fähig ist,neue soziale Vergemeinschaftungen zu entwickeln.Das kann sie nur,indem sie nun gegen ihre eigenen ideologischen Gehalte, daß es keine (politische) Feindschaft sondern nur Konkurrenten gäbe- vgl dazu Carl Schmitt- den „Feind“ neu für sich konstruiert,um so durch den gemeinsamen Kampf gegen ihn eine Vergemeinschaftung der Atomisierten ermöglicht. Der Liberalismus inszeniert sich dabei selbst als antiliberal in seinem Kampfe gegen alles Conservative und Rechte. Die Kirche zumindest in Deutschland vollzieht diesen Wandel nach und gebiert sich so jetzt antiliberal im Kampf für den Liberalismus.
Man könnte nun einwenden, daß der Liberalismus doch stets ideologische Feinde kannte,gerade in den Zeiten des "Kalten Krieges". Aber in dieser Zeit lag das Hauptmerk auf der Modernisierung im Inneren, die vormodernen Bestände auzulösen, die Ordnung der Ehe,der Familie und des Volkes.Dazu mußte der Liberalismus sich ganz liberal geben. Aber nun, in der Postmoderne,gilt es wieder, neue Bindungen zu schaffen, um einer völligen Atomisierung der Gesellschaft etwas entgegenzusetzen.
1Ein ähnliches Schema findet sich in Georg Lukacs Werk: „Die Zersttörung der Vernunft“ mit seiner Antithetik von der vernünftigen Philosophie, von Kant über Hegel zu Karl Marx, der er die irrationalistische, gipfelnd in Alfred Rosenbergs:“Mythos des 20.Jahrhunderts“ entgegnstellt.
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