Naturrecht: Die Natur als Quelle des Rechts1 -eine Problemanzeige!
Man möge sich dies vorstellen: Der Bundestag würde nach einer ausgiebigen Debatte mit den Stimmen der SPD,der Grünen und Linken und vieler CDUCSUler beschließen, daß ab jetzt die Tötung der Kinder im Mutterleibe bis einschließlich dem 9.Monat erlaubt sei. Der Beschluß ist demokratisch zustande gekommen und von dem Gremium beschlossen, das dazu berechtigt ist, dem Parlament als dem Gesetzgeber.
Der Einwand, der sich angesichts solch eines Beschlusses aufdrängte, hieße: Nicht jedes Gesetz, auch wenn es formal korrekt gesetzt worden ist, kann als ein rechtmäßiges Gesetz anerkannt werden. Schnell könnte nun das „Naturrecht“ herbeizitiert werden, um zu urteilen, daß ein zwar formal korrekt verabschiedetes Gesetz ein Unrecht sei, wenn es so eindeutig dem Naturrecht widerspräche. Die positiven Gesetze eines Staates können nur als legitime angesehen werden, wenn sie nicht dem Naturrecht widerstreiten. Somit wäre das Naturrecht ein gutes Mittel, um eine Willkürgesetzgebung des Staates, egal ob er nun demokratisch, monarchisch oder wie auch sonst organisiert, zu verhindern.
Aber dies evoziert nun ein gravierendes Problem: Wer entscheidet, ob ein bestimmtes Gesetz dem Naturrecht widerspricht bzw nicht widerspricht? Kann etwa jeder einzelne Staatsbürger darüber befinden, ob ein bestimmtes Gesetz dem Naturrecht entspricht oder nicht, sodaß er für sich oder dann gar für alle Staatsbürger ein dem Naturrecht widersprechendes Gesetz als Unrecht reprobieren kann? Oder muß darüber demokratisch entschieden werden, sodaß, wenn eine Mehrheit ein Gesetz als mit dem Naturrecht widersprechend ansieht, es dann als Unrecht bewertet wird? Liefe diese Version in einem demokratischen Staat nicht auf die Praxis hinaus, daß das Parlament entscheidet, ob ein zur Verabschiedung anstehendes Gesetz dem Naturrecht entspricht oder nicht?
Als eine Alternative böte sich dann ein „Oberstes Gericht“ an, daß jedes vom Parlament verabschiedete Gesetz auf seine Verträglichkeit mit dem Naturrecht zu prüfen hätte.
Wie kann aber nun das Naturrecht diese Aufgabe des Prüfkriteriumes der Rechtmäßigkeit von vom Parlament verabschiedeten Gesetzen übernehmen? Das Naturrecht müßte vom Staat als das Fundament der Rechtssprechung anerkannt worden sein,sodaß es das Kriterium der Überprüfung aller verabschiedeten Gesetze ist. Denn solange es nicht als ein solches Fundament vom Staate gesetzt ist, ist das Naturrecht nur eine Morallehre, die vom Staate ihre Anerkennung fordert. Aber diese wie jede andere Morallehre auch ist nur ein moralischer Anspruch an den Staat, der vom Staate anerkannt oder auch nicht anerkannt werden kann. Durch eine Dezision setzt der Staat dann das Naturrecht als das Fundament seiner Gesetzgebung oder verneint es als Fundament. Recht wird das Naturrecht nämlich erst durch die staatliche Anerkennung des Naturrechtes als Recht, als das Fundament aller Rechtsgebungen.
Wer entscheidet nun aber, was die Gehalte des Naturrechtes sind? Ist es dem philosophischen Diskurs vorbehalten, zu klären, was die Gehalte des Naturrechtes sind, so ist mit einem sehr wahrscheinlich zu rechnen: Jeder Philosoph vertritt seine Auslegung des Naturrechtes und es frägt sich: Wer entscheidet dann, weche als die verbindliche zu gelten habe? Optimistisch gestimmt könnte man meinen, daß, wenn vernünftig, das ist philosophisch gedacht wird, am Ende doch eine von allen Vernünftigen zustimmungsfähige Bestimmung der Gehalte des Naturrechtes sich herauskristalisieren wird. Nur seit über 2000 Jahren wird vernünftig gedacht, und es lassen sich wohl Mehrheitsmeinungen herausschälen, aber ob dann die auch wahr sind, bleibt fraglich!
Ganz arg wird es dann aber, wenn Nietzsches Einwand gegen die Parole des: „Gemäß der Natur sei zu leben!“ mitbedacht wird, daß hier erst das Gewünschte in die Natur hineinprojiziert und dann aus ihr herausexegetisiert wird als die Norm des richtigen Lebens! Wie kann das Naturrecht vor dem Einwand, es sei nur eine Projektion in die Natur, bewahrt werden? Oder soll man dann nicht lieber gleich auf den Rekurs auf die Natur verzichten, um zu erklären, daß ein staatliches Gesetz nur dann als rechtens beurteilt werden kann, wenn es der praktischen Vernunft (Kant) entspricht oder etwas kommunikationstheoretischer, ein Produkt des herrschaftsfreien Diskurses sei (Habermas)? Wenn man dann noch zur Kenntnis nimmt, daß in den Werken Marquise de Sade die da explzierte „Morallehre“ von ihren Vertretern selbst als die einzig vernünftige, alle Vorurteile hinter sich lassende angepriesen wird, vedunkelt sich das Vertrauen in, wenn wir alle erst vernünftig dächten, dann kommt da schon das Wahre und Gute heraus, sehr. Carl Schmitt, einer der bedeutendsten Staatsrechter und Denker des Politischen vertritt angesichts dieser Problemlage das Prinzip der Dezision, daß nur die anerkannte Autorität entscheiden kann, was Recht und was Unrecht ist, denn die Autorität setzt diese Unterscheidung. Das päpstliche Lehramt ließe sich auch von dieser Problemexplikation her erklären.
Solange die Kirche noch im Geiste der 2-Schwerter Lehre die Subordination des Staates unter die Kirche lehrte, konnte das Naturrecht als das Fundament jeder staatlichen Gesetzgebung vertreten werden und die Kirche legte dann auch normativ aus, was das jus naturae beinhalte und was ihm widerspräche. Diese katholische Position wird aber heutzutage als „Integralismus“ und als mit dem Geiste des Konziles Unvereinbares perhorresziert. Wenn aber faktisch dann der politische Diskurs autonom entscheidet, was Recht und Unrecht ist, dann kann dies Naturrecht nur noch als eine unzulässige heteronome Größe dysqualifiziert werden. Man müsse nun darauf setzen, daß der politische Diskurs mit vernünftigen Argumenten geführt, eine gute Rechtsordnung hervorbringen würde. Nur, wer sagt denn, daß es in der Politik wirklich vernünftig zuginge!
Das Naturrecht stellt uns also vor gravierende Probleme, so nützlich ein Rekurs auf es auch in den aktuellen politischen Auseinandersetzung wäre, würde es noch allgemein anerkannt.
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