Mittwoch, 7. März 2018

Anmerkungen zum Tode des Menschen

"Wenn wir aufhören,an die Seele zu glauben, behandeln wir uns am Ende gegenseitig als vergängliche Güter." Nicolas Gomez Davila, Es genügt,dass die Schönheit unseren Überdruss streift....2017, S.16.
Manfred Frank spricht etwas abfällig von der in Mode gekommenen These vom Tod des Menschen im Gefolge postmoderner Philosophie. (Frank, Die Unhintergehbarkeit von Individualität, 1986) Michael Foucauts Rede vom Ende des Menschen im Schlußkapitel seiner "Ordnung der Dinge" gehört wohl zu den meist diskutieren Aussagen dieses Philosophen und wohl auch zu den unklarsten. Aber wir sind eben umgeben von Todeserklärungen, dem des Autors (Barthes), dem des Subjektes (Nietzsche), dem Gottes, dem der Geschichte und fast schon wieder aus der Mode gekommen, der des Todes der Geschichtsphilosophie.
Aber aus dieser Unübersichtlichkeit philosophischer Parolen steigen wir nun aus, um uns dem obigen Aphorismus Davilas zuzuwenden, aber mit dem Verdacht, daß von diesem Aphorismus her auch uns sich ein Verständnis für diesen so eigentümlichen Diskurs über den Tod des Menschen erschließen könnte. 
Fangen wir mit einer einfachen These an. Die Antithese zum Menschen als vergängliches Gut ist die humanistische These, daß "der Mensch das höchste Wesen für den Menschen ist." Maurice Merleau-Ponty, Humanismus und Terror Bd 1, 1966, S.12. 
Damit verweist dieser Lehrstuhlnachfolger Sartres auf das berühmte Diktum von Karl Marx:
«Die Kritik der Religion endet mit der Lehre, daß der Mensch das höchste Wesen für den Menschen sei, also mit dem kategorischen Imperativ, alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist, Verhältnisse, die man nicht besser schildern kann als durch den Ausruf eines Franzosen bei einer projektierten Hundesteuer: ‚Arme Hunde! Man will euch wie Menschen behandeln!’»  (Zur Kritik der hegelischen Rechtsphilosophie)  
Nun wird es komplizierter, denn jetzt sehen wir uns vor verschiedenen Anfragen umgeben. Ist das Gerede vom Tode des Menschen nur die Implosion der Vorstellung vom Menschen als dem höchsten Wesen, das er für sich selbst zu sein hat, oder ist dies Gerede ein Ausdruck eines Protestes gegen die Dehumanisierung des Menschen, daß er nur noch als ein Nützliches oder auch weniger Nützliches angesehen wird? Könnte man sagen, daß wo der Mensch nicht mehr als Abbild Gottes verstanden wird- er nach dem Tode Gottes sozusagen- entweder er sich selbst zu einem Gott erhöhte oder sich erniedrigte zu einem bloß eventuell nützlichen Gebrauchsgut?   
Was meint dann der Aphorismus, wenn er von der Seele spricht? Da der Antipol der eines vergänglichen Gutes ist, ist hier unter der Seele die unvergängliche Seele gemeint. Damit schreibt sich dieser Aphorismus ein in den philosophischen und theologischen Diskurs über die Unsterblichkeit der Seele ein. Der Aphorismus könnte dann- nach der Religionskritik und dem proklamierten Tode Gottes- so gedeutet werden: Es ist nicht mehr erkennbar, beweisbar, daß die Seele des Menschen unsterblich ist, aber um der Humanität willen, damit der Mensch sich nicht wie ein vergängliches Gut behandet und so behandelt wird, soll er postulieren, daß er eine unsterbliche Seele ist. Wo dies so nicht geglaubt wird, da beginnt der Mensch, inhuman zu werden.
Beachtenswert ist nun, daß Merleau-Ponty in seiner Apologetik des stalinistischen Terrors in seinem Großessay: "Humanismus und Terror", gerade den Terror legitimiert mit der These, daß durch diese kommunistische Diktatur erst die Voraussetzungen geschaffen werden sollen, daß der Mensch sich das höchste Wesen wird. Dieser humane Mensch muß sozusagen erst durch das Fegefeuer der kommunistischen Diktatur erzeugt werden und auf den Weg dahin wird er dann inhuman behandelt um der zukünftigen Humanität willen. Also die jetzt Lebenden und Leidenden unter Stalin sind nur Menschen als Mittel zum Zweck der Realisierung zukünftiger Humanität.
Das  ist nun eine Haltung zum Menschen, die Davila ausschießen will, weil ja so wirklich der Jetztmensch für den zukünftigen geopfert wird als nur etwas zu diesem Endzweck Nützliches. 
In der Postmoderne, in der der Glaube an jedes zukünftige Reich derHumantät verloschen ist, da kann der Mensch nicht mehr für eine zukünftige Humanität aufgeopfert werden, aber er bleibt dann nur noch übrig als nicht mehr humanisierbar. Er kann nichts mehr werden, weder doch einen Prozeß der Selbsterlösung noch durch einen Gott. Er bleibt wie er ist vor dem Ausbruch der großen Humanisierungserzählungen, daß er erst noch zum Menschen zu werden hat durch die Aufklärung und die Bildung oder durch eine Erlösungsrevolution. Er ist jetzt, gott- und seelenlos geworden nur noch ein vergängliches  Gut als Funktion der Ökonomie als Produzent und Konsument. 
Trifft damit dieser Aphorismus nicht genau den Menschen in der Postmoderne, der so auch der tote Mensch ist, weil er aufgehört hat an sich als ewigen Wert zu glauben?  

Und so beschreibt F. Nietzsche den letzten Menschen, den Menschen der Postmoderne, den Tod des Menschen:

"Seht! Ich zeige euch den letzten Menschen. Was ist Liebe? Was ist Schöpfung? Was ist Sehnsucht? Was ist Stern? – so fragt der letzte Mensch und blinzelt. Die Erde ist dann klein geworden, und auf ihr hüpft der letzte Mensch, der alles klein macht. Sein Geschlecht ist unaustilgbar wie der Erdfloh; der letzte Mensch lebt am längsten.

Wir haben das Glück erfunden – sagen die letzten Menschen und blinzeln. Sie haben die Gegenden verlassen, wo es hart war zu leben; denn man braucht Wärme. Man liebt noch den Nachbar und reibt sich an ihm: denn man braucht Wärme. Krankwerden und Misstrauenhaben gilt ihnen als sündhaft: man geht achtsam einher. Ein Tor, der noch über Steine oder Menschen stolpert!

Ein wenig Gift ab und zu: das macht angenehme Träume. Und viel Gift zuletzt, zu einem angenehmen Sterben. Man arbeitet noch, denn Arbeit ist eine Unterhaltung. Aber man sorgt, dass die Unterhaltung nicht angreife. Man wird nicht mehr arm und reich: beides ist zu beschwerlich. Wer will noch regieren? Wer noch gehorchen? Beides ist zu beschwerlich.

Kein Hirt und eine Herde! Jeder will das Gleiche, jeder ist gleich: Wer anders fühlt, geht freiwillig ins Irrenhaus. Ehemals war alle Welt irre – sagen die Feinsten und blinzeln. Man ist klug und weiß alles, was geschehen ist: so hat man kein Ende zu spotten. Man zankt sich noch, aber man versöhnt sich bald – sonst verdirbt es den Magen.

Man hat sein Lüstchen für den Tag und sein Lüstchen für die Nacht: aber man ehrt die Gesundheit.
Wir haben das Glück erfunden – sagen die letzten Menschen und blinzeln."
    

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